Studie zeigt
Die drei häufigsten Infektionswege von Ebola
US-Forscher konnten jetzt nachvollziehen, wo und wie sich die meisten Menschen in Westafrika mit Ebola infiziert haben. Das soll helfen, künftige große Epidemien zu vermeiden.
Veröffentlicht:BOSTON. Hätte sich Ebola auch die vergangenen Monate hinweg so stark ausgebreitet wie im Sommer 2014, dann wäre jetzt wohl halb Afrika durch die Seuche ausgelöscht.
Doch eine anhaltend exponentielle Ausbreitung gelingt kaum einem gefährlichen Virus, schließlich reagieren die Menschen irgendwann auf die Bedrohung mit Gegenmaßnahmen.
So erreichte im damals am stärksten betroffenen Staat Liberia die Epidemie im September ihren Höhepunkt, seither sinkt die Zahl der Neuinfektionen kontinuierlich (wir berichteten).
Inzwischen werden in Sierra Leone die meisten Ebolakranken und Neuinfektionen gemeldet.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO macht für diesen Trend vor allem die neuen Ebola-Behandlungszentren verantwortlich. Auch spezielle Beerdigungsteams, die eine sichere Bestattung ermöglichen, sollen für den Rückgang der Infektion von großer Bedeutung sein.
Anfang November standen in Liberia immerhin etwa 700 Betten für Ebolakranke zur Verfügung, Ende November wurden bereits in allen drei betroffenen Ländern mehr als 70 Prozent der Ebolakranken in Isolation behandelt, mehr als 70 Prozent der Ebolatoten konnten von speziell ausgebildeten Teams ohne Ansteckungsgefahr beerdigt werden.
Nun scheinen US-Forscher den Erfolg dieser Strategie zu bestätigen: Anhand von Modellrechnungen konnten sie die Auswirkungen solcher Maßnahmen recht gut vorausberechnen. Dies soll helfen, bei ähnlichen Ausbrüchen schneller zu reagieren.
38 Prozent in Kliniken infiziert
Die Wissenschaftler um Stefano Merler von der Universität in Bostonhaben sich Angaben zu den 830 Ebola-Erkrankungen und 402 Todesfällen genauer angeschaut, die bis Mitte August in Liberia registriert worden waren (Lancet Infectious Diseases 2015; online 7. Januar 2015).
Vor allem interessierten sie sich für die Infektionswege und die räumliche Bewegung der Infizierten. Auch analysierten sie Daten zur Mobilität nicht infizierter Personen.
Daraus bastelten sie ein Modell für die weitere Ausbreitung der Erkrankung und adjustierten es für unterschiedliche Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung.
Wie die Epidemiologen und Biostatistiker herausfanden, hatten sich in der Anfangsphase der Epidemie offenbar rund 38 Prozent der Patienten in Kliniken und Behandlungszentren angesteckt.
Oft waren die Ebolakranken aus Unkenntnis über die Bedrohung nicht von anderen Patienten getrennt worden.
Etwa 31 Prozent hatten sich zu Hause infiziert — sie steckten sich also in der Regel bei Familienmitgliedern an. Knapp 9 Prozent wurden auf Beerdigungen infiziert, die übrigen kamen mit dem Virus bei sonstigen Kontakten in Berührung.
Immerhin 78 Prozent der offiziell erfassten Infektionen ließen sich damit auf drei gut adressierbare Wege zurückführen: Behandlungszentren, Familien und Beerdigungen.
Ohne Maßnahmen 37.000 Kranke
Das Team um Merler berechnete nun anhand der liberianischen Daten, welcher dieser Wege sich am besten zur Seuchenbekämpfung eignet.
Zunächst simulierten die Forscher anhand der Mobilitätsmuster die Ausbreitung in Liberia, wie sie ohne jegliche Gegenmaßnahmen erfolgt wäre.
Davon ausgehend, dass es Mitte August tatsächlich nur die 830 offiziell erfassten Ebolakranken gab, kamen sie zum 1. Januar dieses Jahres auf knapp 37.000 Fälle.
Nahmen sie nun in ihr Modell eine stetig steigende Zahl von spezialisierten Ebolazentren auf, in denen kaum noch eine Übertragung stattfindet, so wurde der Anteil der Neuinfektionen in Kliniken und Behandlungszentren halbiert und eine Zahl von Ebolafällen für den 1. Januar von nur noch etwa 21.000 berechnet.
Gelang es im Modell zusätzlich, die meisten Toten sicher zu beerdigen, dann schrumpfte die Zahl auf etwa 12.000 und lagt damit schon recht nahe bei den etwa 8000 Ebolakranken, die bis Ende 2014 in Liberia tatsächlich registriert wurden.
Im gleichen Szenario — steigende Zahl von Ebolazentren und sichere Beerdigungen, aber ausgehend von einer 100-prozentigen Dunkelziffer bei den Infektionen, wären bis Anfang Januar über 320.000 an Ebola erkrankt.
Die Behandlungskapazitäten hätten dann schnell nicht mehr ausgereicht, die Ebolazentren hätten damit nur einen geringen Einfluss auf die Eindämmung gehabt. Da dieses Szenario offenkundig nicht eintrat, gehen die Forscher von einer relativ geringen Dunkelziffer aus.
Als Nächstes berechneten sie den Effekt eines "Ebolaschutz-Paketes", wie es auch tatsächlich an Haushalte verteilt wurde. Es enthält Seife, Desinfektionsmittel, Handschuhe sowie Anweisungen, wie man sich vor Ebola schützt und mit Infizierten umgeht.
Das Team um Merler nahm an, dass sich damit die Infektionsrate in Haushalten um 90 Prozent senken lässt.
Bei einer Abdeckung von 50 Prozent der Bevölkerung hätte dies zusätzlich zu den anderen Maßnahmen und ohne Dunkelziffer die Zahl der Erkrankten bis Anfang Januar auf knapp über 6000 begrenzt.
Eine noch höhere Abdeckung von Haushalten konnte die Virusübertragungen in den Berechnungen kaum noch senken.
Ihr Modell zeige mit Blick auf die offiziellen Zahlen recht wirklichkeitsnahe, wie sich die einzelnen Maßnahmen auswirkten, so die Autoren um Merler. Am effektivsten ist ihrer Ansicht nach eine rasche Isolierung der Erkrankten in spezialisierten Zentren.
Der oft weite Transport von Ebolakranken in Behandlungszentren, in denen sie andere Patienten und Pflegepersonal infizieren konnten, sei für sich bereits völlig ausreichend, um den räumlichen und zeitlichen Verlauf der Ebola-Epidemie bis zum Sommer zu erklären.