Neues Merkblatt zur Brustkrebs-Früherkennung

"Die meisten Frauen haben keinen Vorteil"

Brustkrebs ist bei Frauen der häufigste Tumor mit Todesfolge. Viele setzen daher auf die Früherkennung. Doch der Nutzen des Mammografie-Screenings wird überschätzt. Ein neues Infoblatt klärt Frauen über Vor- und Nachteile auf.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Mit Mammografie von 1000 Frauen lassen sich ein bis zwei Brustkrebs-Todesfälle verhindern.

Mit Mammografie von 1000 Frauen lassen sich ein bis zwei Brustkrebs-Todesfälle verhindern.

© dpa

NEU-ISENBURG. Die Teilnahme ist freiwillig. Ob Sie sich untersuchen lassen, ist allein Ihre Entscheidung." So heißt es in dem neu formulierten Einladungsbrief zum Mammografie-Screening, der ab Juli dieses Jahres allen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren zweijährlich zugeschickt werden soll.

Eine Entscheidung, die keine Frau leichten Herzens treffen wird. Schließlich ist Brustkrebs bei Frauen der häufigste Tumor mit Todesfolge.

In der Absicht, "das Beste für die eigene Gesundheit zu tun" oder "sich später nichts vorwerfen zu müssen", entscheidet sich bislang die Mehrheit der Eingeladenen für das Screening. Von einer freiwilligen Teilnahme kann trotzdem oft nicht die Rede sein. Die setzt nämlich außer dem Willen auch das entsprechende Wissen voraus. Tatsächlich wird der Nutzen der Brustkrebs-Früherkennung aber erheblich überschätzt.

Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sind 30 Prozent der gesetzlich versicherten Frauen sogar der Ansicht, das Screening könne das Auftreten von Brustkrebs verhindern (Gesundheitsmonitor 1/2014).

Viel zu hoch sind nach dieser Umfrage auch die Erwartungen bezüglich der Brustkrebstodesfälle, die durch die Früherkennung verhindert werden - nämlich im Mittel 237 pro 1000 Frauen und 20 Jahre Teilnahme, so die Annahme.

Aktueller medizinischer Kenntnisstand

Dass der erwartbare Nutzen weit geringer ist, war schon dem Merkblatt zu entnehmen, das seit 2010 mit der Einladung zum Screening verschickt wurde. In dem vom IQWiG überarbeiteten Merkblatt, das der GBA im Januar veröffentlicht hat, sind die entsprechenden Aussagen dem aktuellen medizinischen Kenntnisstand angepasst und vor allem noch anschaulicher aufbereitet.

Die Angaben werden jetzt zusätzlich grafisch dargestellt und beziehen sich nicht mehr - wie bisher - auf 200 Frauen, sondern - wie auch sonst in Publikationen üblich - auf 1000 Frauen. Laut dem neuen Merkblatt werden von 1000 Frauen, die zehn Jahre lang am Screening teilnehmen, ein bis zwei vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt.

Bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko könne die Zahl auch etwas höher liegen. "Die weitaus meisten Frauen haben jedoch keinen gesundheitlichen Vorteil."

Auch mögliche Schäden durch das Screening werden in dem aktuellen Merkblatt ausführlicher erklärt. Das betrifft vor allem Überdiagnosen, also Tumoren, die ohne Früherkennung zu Lebzeiten der Frau nicht auffällig geworden wären und daher unnötige Behandlungen nach sich ziehen.

Den ein bis zwei Frauen, die bei zehnjähriger Screening-Teilnahme von 1000 Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs gerettet werden, stehen demnach fünf bis sieben Frauen mit Überdiagnosen gegenüber.

Zusätzlich ist mit einer relativ hohen Rate von falsch positiven Befunden zu rechnen, die weitere Untersuchungen erforderlich machen. Ihre Zahl bei einer einzelnen Screeningrunde von 1000 Frauen wird mit 24 beziffert.

Gleichzeitig ist bei sechs Frauen mit der Diagnose Brustkrebs zu rechnen. Wie wichtig die Angaben zu den Risiken sind, lässt sich an der Studie der Bertelsmann-Stiftung ablesen. Zwei Drittel der befragten Frauen waren der Meinung, dass die Untersuchung selten oder nie zu einem falschen Verdacht führen würde. Eine unnötige Operation hielten 17 Prozent der Frauen für vollständig ausgeschlossen.

Informationen über mögliche Überdiagnosen

Die Lektüre des Merkblatts kann daher dazu führen, dass Frauen das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Brustkrebs-Screenings weniger günstig beurteilen, als sie das bislang getan haben.

Das wird sich möglicherweise in den Teilnahmeraten niederschlagen. In einer randomisierten Studie bekundeten Frauen, die über mögliche Überdiagnosen informiert worden waren, eine verminderte Bereitschaft zum Screening (Lancet 2015; 385: 1642).

Sie verfügten jedoch über ein besseres Wissen und hatten eine mündige Entscheidung getroffen. Wenn man Frauen wirklich informieren und nicht in erster Linie motivieren will, ist das ein begrüßenswertes Ergebnis. Zumal der Nutzen des Mammografie-Screenings letzten Endes immer noch umstritten ist.

Darauf wird auch im neuen Merkblatt hingewiesen: "Studien lassen offen, ob Frauen, die regelmäßig zur Mammografie gehen, länger leben als Frauen, die die Untersuchung nicht in Anspruch nehmen."

Für die einzelne Frau geht es um eine Entscheidung, die ihr Leben retten, aber ihr Leben auch unnötig mit einer bedrohlichen Diagnose und medizinischen Eingriffen belasten kann. Letzteres ist dem Merkblatt zufolge sogar wahrscheinlicher. Frauen haben deswegen ein Recht auf die bestmögliche Information.

Dafür kann aber selbst eine noch so gut gemachte Broschüre zu wenig sein. In dem neuen Einladungsschreiben werden die Frauen daher ausdrücklich auf ihr gesetzlich verankertes Recht hingewiesen, eine persönliche Aufklärung durch einen Arzt in Anspruch zu nehmen.

 Dank des neuen Merkblatts sind sie auf ein solches Gespräch gut vorbereitet und haben bessere Chancen als je zuvor, eine informierte Entscheidung zu treffen.

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 21.02.201620:16 Uhr

guter Journalismus nennt immer die Quelle einer Behauptung

und wenn hier "der gemeinsame Bundesausschuss" auftaucht, zumindest hellhörig werden,
denn das ist ein politischer Ausschuss bei dem es darum geht ob die GKV die Kosten für eine medizinische Maßnahme übernehmen soll.
Ich halte dieses "Einladungsschreiben, nachdem ich es gelesen habe für einen Versuch mit inakzeptablen Mitteln, Frauen vom Screening abzuhalten.
Mich würde als Journalist die Stellungnahme der Fachgesellschaften interessieren.
Die erste Frage lautet:
Woher hat diese Kommission die Zahl,
dass von 1000 Frauen in dem Alter von 50-69 Jahren nur 6 einen bösartigen Tumor der Brust haben
und warum wird hier nur ein Jahr herausgegriffen, wenn sich das Programm auf 19 Jahre erstreckt?
Will sie verschleiern, dass das Screening in der Zeit statistisch 114 und nicht 6 Karzinome von 1000 finden wird?
Oder soll der falsche Eindruck vermittelt werden die Frau habe nur ein Gesamtrisiko von 0,6%?
(Das "Lebensrisiko" an Mamma-Ca ist über 10%!!!)
Danach folgt eine sehr umständliche Beschreibung einer rel. einfachen Untersuchung, die die REALITÄT keineswegs sehr zutreffend beschreibt. Ein erfahrener Radiologe sieht ad hoc mit einem Blick, ob ein verdächtiger Befund vorliegt oder nicht.
Ich will hier nicht weiter ins Detail gehen,
Jedenfalls ist auch der Satz falsch, dass ein verdächtiger Röntgenbefund OHNE histologische Klärung
irgendwie doch noch als sicher harmlos diagnostiziert werden kann.
Dass eine positive Diagnose erstmal "ein Schock" sein muss ist nicht eben hilfreich.
Meine persönliche Erfahrung ist da ganz anders.
Das größte psychische Problem bei einem durchaus bekannten Risiko ist die UNSICHERHEIT.
994 Frauen werden also erleichtert sein. Und die 6 sind nicht selten froh zu wissen was los ist.
Es kann bei der Vielschichtigkeit des Mamma-Ca´s wirklich nicht die Aufgabe einer "Einladung" sein, hier mit einem ein Arztgespräch zu ersetzen und z.B. über ein Duktales Carcinoma in Situ zu philosophieren oder auch nur generell über Prognosen! Jedes Mamma-Ca ist anders.
Ich habe noch keine Frau erlebt, die unglücklich war über eine kleine Mamma-PE, die sich nicht als Krebs herausgestellt hat, was hier als "nachteilige Übertherapie" bezeichnet wird.
Die Problematik Übertherapie ist bei 30.000 Toten falsch dargestellt.
Dass ich die Zahl von 1-2 ‰ für die dadurch reduzierte Mortalität ebenfalls für falsch halte, hatte ich bereits ausgeführt.
Es handelt sich daher zusammengenommen bei einer "Einladung" zum Screening um eine deutlich Abschreckung davor, mit der mehrfachen Aufforderung, das nicht als Einladung zu verstehen, sondern "selbst zu entscheiden", was für mich ein absolutes Novum und einen indiskutablen Eingriff in ärztliche Tätigkeit darstellt.
Erkennbar kein Interesse an einer Verminderung der Krebsmortalität ausgerechnet beim mit Abstand häufigsten bösartigen Tumor der Frau!!! Das war früher in Deutschland anders und besser.
Was sagen die Fachgesellschaften dazu?

Dr. Wolfgang P. Bayerl 20.02.201615:51 Uhr

@Rudolf Hege, was für eine "Evidenz"?

reden wir nur noch in sinnfreien lateinischen oder englischen Schlagworten?
Haben Sie meine Ausführungen nicht verstanden?
Selbstverständlich BESTEHT eine Evidenz, dass das Tumorstadium zum Zeitpunkt des Therapiebeginns durch systematisches Screening weniger fortgeschritten ist. Im Gegensatz zu anderen bösartigen soliden Tumoren muss man allerdings beim Mamma-Ca ganz andere Zeitrechnungen ansetzen.
Es gibt Mamma-Carcinome, die entwickeln nach einer korrekten und erfolgreichen Lokaltherapie noch nach 20 Jahren bis dahin occulte Fernmetastasen, die letztlich zum Tode führen.
Der zweite Unterschied zu einem anderen soliden Tumor z.B. im Gastrointestinaltrakt ist, dass die Patientin auch mit Fernmetastasen noch wirklich lange leben kann, nich selten weit über 10 Jahre. Ich kenne Mamma-Ca Patientinnen, deren ganzes Skelett sieht im Rö-Bild aus wie ein Sieb (Knochenmetastasen) und sie laufen noch rel. unbehindert herum, hier mit Unterstützung effektiver Schmerztherapie.

Es KANN sich also (nur) beim Mamma-Ca logischerweise ein erfolgreiches Screening NICHT SOFORT in einer Senkung der Mortalität manifestieren, wie z.B. beim Magen- Pankreas- oder auch dem häufigen Kolon-Ca.
Was ist so schwer daran zu verstehen???
Selbstverständlich darf man nicht vergessen,
darauf hinzuweisen, dass Heilung und Reduzierung der Mortalität nicht durch das Screenig selbst, sondern nur durch die danach durchgeführte Therapie möglich ist, bei soliden Tumoren als Goldstandard natürlich die vollständige operative Entfernung des Tumors. Das versteht auch der Patient auf Anhieb.

Die "Bertelsmann-Stiftung" hat sich eindeutig auch zu kritisch gegen die Vorsorge-Koloskopie ausgesprochen, das ist keine "Verschwörungstheorie", ein beliebtes Schimpfwort aus der Politik wenn es an Argumenten mangelt. Hier ist es auch nicht die Coloskopie allein, sondern die dabei entdeckten und ENTFERNTEN Polypen, fragen Sie einen Gastroenterologen.
Der sprachliche Purist darf das gerne auch Frühtherapie nennen, anders kann man die Mortalität nicht senken.


Rudolf Hege 20.02.201611:30 Uhr

Evidenz? Lästig...

Es ist schon eigenartig: Normalerweise wird ständig auf der "Evidenz" bestanden, wenn jemand auf "gute Erfahrungen" hinweist - und Einzelfälle seien sowieso kein Beleg für irgend etwas.

OK, nur warum spielt die Evidenz plötzlich gar keine Rolle mehr, wenn sie gegen eine "liebgewonnene" Methode spricht? Da liest man dann plötzlich "Verschwörungstheorien" ("..Berthelsmann Stiftung ist ja bekannt für...")

Also doch lieber die eigene Erfahrung oder das eigene Wunschdenken statt EBM als Maßstab?

Da komme ich doch ins Grübeln...

Dr. Wolfgang P. Bayerl 18.02.201618:42 Uhr

Nachtrag Biopsie

Ich halte wenig von der Biopsie aber viel von einem erfahrenen Radiologen.
Die Biopsie beinhaltet sowohl das Risiko einer Fehlpunktion, wie das Risiko einer Tumorverschleppung.
No-touch ist das Prinzip, als Entfernung mit ausreichendem Abstand im Gesunden.
Optimalerweise Schnellschnitt zur Frage des weiteren Vorgehens.

Das trifft auch für andere Tumoren zu.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 18.02.201618:26 Uhr

Liebe Kollegen Klaus-Uwe Pagel und Dr. Dr. Christiane Rohloff, es ist wirklich erstaunlich falsch,

zu glauben, Brustkrebs könne man nicht heilen!
Das konnte man schon vor 100 Jahren, die Technik ist noch älter und geht zurück ins 19. Jahrhundert (Rotter/Halsted). Wobei sich herausstellte, dass die Radikalität der LK-Entfernung wichtiger war als die der Brustdrüsenentfernung, selbstverständlich immer mit der Voraussetzung einer kompletten Tumorentfernung,
was nicht immer so einfach ist wie man denkt, denn es gibt ja auch das "occulte Mamma-Ca", bei dem zuerst die Achselhöhlenmetastasen auffallen.
"Krebsvorsorge", mich stört dieser Begriff überhaupt nicht, ist hier also das Erkennen des Frühstadiums, das eine Heilung ermöglicht, die es immer schon gab, wenn noch keine Fernmetastasen bestehen, egal wie spät die auftreten, das weiß man zum Zeitpunkt der Operation noch nicht.

Die Inzidenz lag noch in den 80-ger Jahren bei 30-Tausend/a und hat sich bis zur Einführung des Mammographiescreenings 2004 etwa verdoppelt. Danach kam es noch einmal zu einem Inzidenz-Anstieg auf über 70.000 und einem leichten Rückgang seit 2008 bei zunächst konstanter "Mortalität".
Gerade beim Mamma-Ca mit den jahrelang schlummernden Fernmetastasen ist es ERFORDERLICH, mit einer Beurteilung des Einflusses auf die Mortalität noch zu warten, bis mindesten 2018. Die schon eindeutig nachweisbare Reduzierung des Stadiums zum Op-Zeitpunkt lässt erwarten, dass dann auch die Mortalität sinken wird.
Das kennen wir doch vom Schilddrüsen-Ca:
Eindeutige Senkung der Mortalität trotz Anstieg der Inzidenz (wegen besserer Diagnostik).

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