Eingriff in Embryo-DNA

Durchbruch oder Dammbruch?

US-Forscher haben eine Mutation in embryonaler DNA fast fehlerfrei korrigiert. Wie erwartet ist das Echo geteilt: Führt dies am Ende zur Prävention von Erbkrankheiten oder zu Designer-Babys?

Marco MrusekVon Marco Mrusek Veröffentlicht:
Die Reparatur von Mutationen in embryonaler DNA könnte Erbkrankheiten eindämmen.

Die Reparatur von Mutationen in embryonaler DNA könnte Erbkrankheiten eindämmen.

© madgooch/stock.adobe.com

PORTLAND. Zum ersten Mal ist es Wissenschaftlern gelungen, eine krankheitserzeugende Mutation in der DNA eines Embryos weitgehend fehlerfrei zu korrigieren. Das Forscherteam der Oregon University verwendete dafür die CRISPR-Cas9-Methode, um in menschlichen, einzelligen Embryonen eine vier Basenpaar lange Deletion im Gen MYBPC3 zu reparieren. Ein Fehler in diesem Gen führt zu Hypertropher Kardiomyopathie (Nature 2017, online 2. August).

Bisher waren Versuche, Schäden in der DNA von Embryonen zu reparieren, stets von Fehlern überschattet. Zum Einen setzte sich der reparierte DNA-Strang nicht in allen Zellen des Embryos durch.

Diese Mosaike genannten Fehler sind für eine potenzielle spätere klinische Anwendung inakzeptabel, da sie die Präimplantationsdiagnostik und die Auswahl, welcher Embryo in den Uterus implantiert wird, erschweren.

Zum Anderen krankten die bisherigen Versuche an off-target Mutationen, die entstehen, wenn die Endonuklease den DNA-Strang an anderen Stellen schneidet, als sie eigentlich sollte. Von diesen Fehlern berichteten chinesische Forscher im letzten und vorletzten Jahr.

Ansatz schon bei der Befruchtung

Die Forschergruppe aus Oregon um Dr. Shoukhrat Mitalipov umging diese Fehler, indem sie die CRISPR-Enzyme bereits mit der Befruchtung der Eizelle hinzugaben. CRISPR schneidet den Doppelstrang ein, die Reparatur übernehmen Embryo-eigene Systeme.

Von 58 befruchteten Embryonen hatten auf diese Art 42 (72 Prozent) ein repariertes Allel, das vom intakten Wildtyp nicht zu unterscheiden war.

Die restlichen 16 Embryonen hatten ebenfalls reparierte Allele, diese wurden allerdings durch ein zweites Reparatursystem korrigiert, das fehleranfälliger für Insertionen und Deletionen ist, berichten die Forscher. Die Embryonen waren nie für eine Transplantation in einen Uterus bestimmt und wurden nach wenigen Tagen zerstört.

Der bedeutende Schritt aus Oregon stieß in der Wissenschaftsgemeinde – wie erwartet – auf ein geteiltes Echo. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Michael Dabrock, warnte vor "unseriösen Heilsversprechungen". Diese könnten Eltern falsche Hoffnungen machen.

"Großer Fortschritt für die Medizin"

Positiver sieht die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Martina Wenker, das Experiment aus Oregon: "Unheilbare genetische Krankheiten bereits im embryonalen Stadium heilen zu können, ist ein großer Fortschritt für die Medizin."

Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass CRISPR zukünftig auch für andere Manipulationen am menschlichen Erbgut genutzt werde, wird Wenker in einer Mitteilung der Ärztekammer zitiert.

Elf große Wissenschaftsorganisationen sprachen sich gemeinsam für eine vorsichtige, aber engagierte Herangehensweise bei der gentechnischen Veränderung menschlicher Embryonen aus. Einen solchen Embryo in eine Frau einzusetzen und somit eine Schwangerschaft herbeizuführen, sei "derzeit unangemessen", schreiben die Organisationen in der Fachzeitschrift "The American Journal of Human Genetics".

Es gebe aber keinen Grund, eine Genveränderung im Reagenzglas "mit angemessener Aufsicht und Zustimmung" zu verbieten.

Die Erklärung wurde unter anderem unterzeichnet von der American Society of Human Genetics, der Canadian Association of Genetic Counsellors und der International Genetic Epidemiology Society. Auch länderübergreifende asiatische Verbände sowie solche aus Großbritannien und Südafrika schlossen sich an.

Die Organisationen gehen zwar nicht direkt auf die Studie aus Oregon ein, verweisen aber explizit auf die Möglichkeiten und Gefahren, die durch die genutzte Genschere CRISPR-Cas9 entstanden sind. (Mit Material von dpa)

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