Galenus-Grundlagenpreis

Fünf Forscherteams in der Endrunde

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Der Galenus-von-Pergamon-Preis, seit 1985 von Springer Medizin Ärzte Zeitung gestiftet, wird unter anderem für Forschungsleistungen ausgelobt. Mit einer Medaille plus 10.000 Euro werden wegbereitende Fortschritte bei Arzneimitteln und Diagnostika in der klinischen und/oder experimentellen Pharmakologie gewürdigt.

Dabei gibt es nationale Preise in 16 Ländern. In Deutschland wird der nationale Preis an Wissenschaftler verliehen, die ihre Leistung an einer Institution außerhalb der pharmazeutischen Industrie erbracht haben.

Die fünf Forscherteams, die wir hier vorstellen, sind in die Endrunde gekommen, die Sieger werden am 16. Oktober 2014 bekannt gegeben.

Was Bauchspeicheldrüse und Lunge verbindet

Das akute Lungenversagen (ALI) ist eine Komplikation der schweren akuten Pankreatitis (SAP), deren Verlauf unvorhersehbar ist und für etwa die Hälfte der betroffenen Patienten tödlich sein kann. Über welche Mechanismen die SAP zum Lungenversagen führt, ist bislang unklar. Wie ein internationales Forscherteam zeigen konnte, spielt der Botenstoff Interleukin-6 in diesem Geschehen eine zentrale Rolle.

Über pharmakologische und genetische Untersuchungen an speziellen Mäusestämmen entwickelten Dr. Hana Algül und Mitarbeiter ein Modell, dass das ALI als Folge einer SAP erklärt (J Clin Invest 2013; 123: 1019-1031). Die Wissenschaftler konnten beweisen, dass IL-6 kein reines Markermolekül für den Verlauf der SAP, sondern ein Treiber des Krankheitsprozesses ist. Dabei wirkt das Signalmolekül nicht direkt über einen zellgebundenen IL-6-Rezeptor, sondern indirekt durch Bindung an eine lösliche Rezeptorvariante (sIL-6R). Der entstehende Komplex aus IL-6 und sIL-6R dockt wiederum an den zellgebundenen gp130-Rezeptor an. Dieses "Trans-Signaling" aktiviert lokal den Stat3-Signalweg in den exokrinen Azinuszellen der Bauchspeicheldrüse und trägt zur verstärkten Bildung und Freisetzung entzündlicher Faktoren wie des Botenstoffs CXCL1 bei. Fernab des lokalen Entzündungsgeschehens bewirkt CXCL1 - möglicherweise unter Beteiligung des IL-6/sIL-6R-Komplexes - die Einwanderung spezialisierter Immunzellen, der neutrophilen Granulozyten, in die Lunge und fördert so die Entwicklung eines ALI.

Die Tatsache, dass sich durch das Verhältnis von IL-6 zu sIL-6R Patienten mit leichter Bauchspeicheldrüsenentzündung von solchen mit SAP und anschließendem ALI unterscheiden lassen, spricht für die Übertragbarkeit des Modells auf den Menschen. Damit zeigen die Arbeiten erstmals, dass die therapeutische Hemmung von IL-6 und dem nachgeschalteten Signalweg über Stat3 möglicherweise die SAP und ihre mitunter schweren Komplikationen verhindern kann.

PH Dr. Hana Algül, TU München und Medizinische Klinik Klinikum rechts der Isar, München

microRNA und Herzalterung

Obwohl fortgeschrittenes Alter ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist und zu einer schlechten Prognose von Herzinfarktpatienten beitragen kann, ist nur wenig über die altersbedingten molekularen Veränderungen im Herzen bekannt.

Ein umfassendes Bild der Herzalterung auf molekularer Ebene geben die Untersuchungen von Dr. Reinier Boon und seinen Kollegen (Nature 2013; 495: 107-111). Die Frankfurter Forscher zeigten, dass die Herzen älterer Mäuse im Vergleich zu denen jüngerer deutlich mehr Gewebeverhärtungen und -vergrößerungen aufweisen. Auf molekularer Ebene korrespondieren die Gewebeveränderungen mit altersbedingt zunehmender Verkürzung der Chromosomenenden (Telomere) und einer erhöhten Neigung zum programmierten Zelltod (Apoptose) von Herzmuskelzellen. Bei Betrachtung der Steuerung des Alterungsprogramms der Herzmuskelzellen auf Ebene der RNA zeigte sich, dass bei Mäusen die regulative microRNA- 34a eine dominante Rolle spielt, die im Herzen von alternden Mäusen und Menschen verstärkt gebildet wird. Die Arbeit deckte auf, dass miRNA-34a bei Mäusen mit Herzinfarkt deutlich erhöht ist und zum Absterben von Herzmuskelzellen beiträgt. Sogenannte Knock-out-Mäuse, die keine miRNA-34a bilden, zeigten keine altersbedingte Verschlechterung der Herzfunktion. Auch konnten die Forscher durch eine pharmakologische Hemmung der miRNA-34a-Expression nicht nur das Überleben von Herzmuskelzellen steigern, sondern auch andere Zellen des Herzens, wie zum Beispiel die gefäßauskleidenden Endothelien, positiv beeinflussen. Als Ziel von miRNA-34a konnten sie PNUTS identifizieren - ein Gen, dessen Produkt an der Reparatur des Erbguts beteiligt ist.

Mit der spezifischen miR-34a-Hemmung im Herzen eröffnen sich Therapieansätze, mit denen sich möglicherweise die Regeneration nach Herzinfarkt unterstützen und die Überlebenschance vor allem älterer Patienten verbessern lassen.

Dr. Reinier Boon, Johann Wolfgang Göthe-Universität, Institut für Kardiovaskuläre Regneration, Frankfurt/Main

Grüner Tee aus Sicht der Herzmedizin

Grüner Tee ist ein belebendes Getränk, das in Asien traditionell als Medizin verwendet wird. Auch die Schulmedizin untersucht den Tee seit mehr als einem Vierteljahrhundert in epidemiologischen Studien auf seine gesundheitsfördernden Eigenschaften, wie zum Beispiel die Prävention von Krebs, neurodegenerativen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Pharmakologische Untersuchungen beschäftigen sich mit den Inhaltsstoffen des grünen Tees und ihren Wirkungen auf den menschlichen Körper. Im Mittelpunkt steht hierbei das Katechin Epigallokatechin-3-Gallat (EGCG), das ungefähr ein Drittel der Trockenmasse des grünen Tees ausmacht.

Heidelberger Forscher um Dr. Kamilla Kelemen untersuchten erstmals die Wirkung von EGCG auf den ERG-Kanal des Menschen (Biochem Biophys Res Comm 2007; 364:429-435). Das Transportprotein reguliert in Herzmuskelzellen den Kaliumstrom und ist essenziell für die Aufrechterhaltung der elektrischen Aktivität des Herzens, wobei angeborene Veränderungen der Kanalstruktur oder auch bestimmte Medikamente schwerwiegende Herzrhythmusstörungen verursachen können. In zwei verschiedenen Zellmodellen zur elektrophysiologischen Untersuchung der Aktivität des humanen ERG-Kanals zeigte sich eine hemmende Wirkung des Wirkstoffs Epigallokatechin-3-Gallat auf die ERG-Kanäle.

In Eizellen des Afrikanischen Krallenfroschs Xenopus laevis wirkte EGCG hemmend auf ERG-Kanäle im offenen und im inaktivierten Zustand, aber nicht im geschlossenen Zustand. Der maximale Strom durch die Kanäle wird durch 20 M EGCG um über 60 Prozent gesenkt.

Insgesamt deuten die Erkenntnisse darauf hin, dass EGCG ein natürlicher Hemmer des menschlichen ERG-Kanals mit geringer Affinität ist, der elektrophysikalische Eigenschaften mit pharmazeutisch hergestellten ERG-Antagonisten gemeinsam hat und Herzrhythmusstörungen entgegenwirken kann.

Dr. Kamilla Kelemen, freiberufliche Honorarärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Gastroenterologie, Notambulanz und Geriatrie

Rätselhafter Nierenschädigung auf der Spur

Die membranöse proliferative Glomerulonephritis (MPGN) ist eine seltene Erkrankung der Nieren, die vor allem bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt. Sie äußert sich in einer fortschreitenden Verdickung der empfindlichen Basalmembran die Nierenkörperchen, die schließlich zum Versagen des Organs führt und bereits im frühen Alter Blutwäsche/Dialyse und die Transplantation eines Spenderorgans erforderlich macht. Wie die Arbeiten der Forscher um Dozentin Dr. Christine Skerka und Prof. Dr. Peter F. Zipfel vom Leibniz-Institut in Jena zeigten, kann die Erkrankung durch eine Fehlregulation des Komplementsystems, das zur Immunhomeostase und zur Immunabwehr von Mikroorganismen beiträgt, ausgelöst werden.

Nachdem die Jenaer Wissenschaftler bereits bei nicht verwandten Patienten mit MPGN die Bildung von bislang unbekannten Autoantikörpern gegen zwei Eiweiße des Komplementsystems nachweisen konnten (N Engl J Med 2011; 365: 2340-2342), zeigten sie, dass auch bei familiärer Häufung der Erkrankung das Komplement eine Schlüsselrolle spielen kann (J Clin Invest 2014; 124:145-155): Im Erbgut einer Familie wiesen sie einen Defekt im Chromosom 1 nach, der zur Bildung eines ungewöhnlichen Plasmaeiweißes führt. Sein Effekt: Bei den Patienten ist das Komplementsystem dauernd aktiv, das Komplementeiweiß C3b lagert sich in die Nierenkörperchen ab, führt zur Schädigung der Basalmembran und schränkt die Nierenfunktion zunehmend ein.

Die Ergebnisse tragen nicht nur zum besseren Verständnis der MPGN und der Regulation des Komplementsystems bei: Die Möglichkeit zur Identifikation unbekannter Autoantikörper und Erbdefekte bietet Möglichkeiten zur spezifischen Behandlung. Während die MPGN bislang mit sehr ungünstiger Prognose verbunden war, kann heute einigen Patienten zum Beispiel durch Plasmaaustausch und immunsuppressive Therapie die Nierentransplantation erspart und eine höhere Lebensqualität ermöglicht werden.

Professor Dr. Peter F. Zipfel und PH Dr. Christine Skerka, Universität Jena-Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll- Institut Abteilung Infektionsbiologie.

Tiefer Einblick in die Logistik von Zellkraftwerken

Die Mitochondrien sind die Energiekraftwerke der Zelle, aber sie können weit mehr: Die Zellorganellen sind an einer Vielzahl essenzieller biochemischer Prozesse beteiligt, unter anderem an der Synthese von Steroidhormonen aus Cholesterin. Um in das Innere der Mitochondrien zu gelangen, muss das Cholesterin zwei Membranen passieren. Für die Passage durch die äußere Membran ist das Transportprotein TSPO verantwortlich. Das 18 kD große Protein ist nicht nur Bindungspartner für Cholesterin, sondern auch für verschiedene Substanzen, die eine Rolle bei Prozessen wie der Auslösung des programmierten Zelltods (Apoptose) oder der Neuroprotektion spielen. Auch Medikamente wie zum Beispiel Diazepam binden an TSPO. Der am besten charakterisierte Ligand von TSPO ist PK11195, eine Substanz, die als Biomarker in bildgebenden Verfahren eingesetzt wird.

Den beiden Teams um die Göttinger Forscher Prof. Dr. Markus Zweckstetter und Dr. Stefan Becker gelang kürzlich die Aufklärung der dreidimensionalen Struktur des Komplexes aus TSPO und PK11195 mittels Kernresonanzspektroskopie (Science 2014; 343:1363-1366). Fünf -Helices des Proteins umschließen den PK11195, während für die Cholesterinbindung essenzielle Bereiche des Proteins außerhalb dieser Bindetasche liegen. Die Aufklärung der 3D-Struktur des TSPO-PK11195-Komplexes verdeutlicht nicht nur, wie die Mitglieder dieser wichtigen Rezeptorfamilie auf molekularer Ebene organisiert sind. Sie ermöglicht auch detaillierte Einsichten in die Mechanismen, die zur Bindung bestimmter Liganden unter physiologischen und pathologischen Bedingungen an TSPO führen. Die Tatsache, dass TSPO verstärkt in verletztem Hirngewebe und bei entzündlichen Prozessen im Rahmen neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Parkinson gebildet wird, legt nahe, dass die Erkenntnisse der Wissenschaftler neue Wege für die Früherkennung und diagnostische Bildgebung dieser und anderer Krankheiten ebnen können.

Professor Dr. Markus Zweckstetter und Dr. Stefan Becker, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Universitätsmedizin Göttingen

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