Paradoxe Wirkung von Bewegung
Gefährdet körperliche Arbeit im Job das Herz?
Für das Herz macht es offenbar einen Unterschied, ob man sich in seiner Freizeit viel bewegt oder im Rahmen seiner Berufsausübung. Arbeitsmediziner haben eine Erklärung, warum letzteres wohl eher schädlich für das Herz-Kreislauf-System ist.
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Körperlich aktiv bei der Arbeit: Hier muss die Leistung meist über eine weitaus längere Zeit erbracht werden als im Freizeitsport. Außerdem sind die Bewegungsabläufe im Berufsleben eher statisch und teils unnatürlich.
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Kopenhagen. Wer sich viel bewegt, hält sein Herz-Kreislauf-System fit und sich gesund. Gemäß einer aktuellen Studie aus Dänemark trifft dies jedoch nur für körperliche Aktivität in der Freizeit zu, nicht im Beruf (European Heart Journal 2021; 42(15): 1499–1511). Der Arbeitsmediziner Andreas Holtermann vom National Research Centre for the Working Environment in Kopenhagen und seine Kollegen haben an über 104 .000 Frauen und Männern aus der Copenhagen General Population Study die Bedeutung körperlicher Arbeit für die Herzgesundheit untersucht.
Angaben zu Bewegungsintensität
Die Teilnehmer waren zwischen 2003 und 2014 in die Studie aufgenommen und über median zehn Jahre nachbeobachtet worden. Neben sozioökonomischen Parametern und Lebensstilfaktoren wurden auch gesundheitliche Parameter wie BMI, Blutdruck, Blutdruckmedikation, Ruheherzfrequenz sowie LDL-, HDL-, Triglyzerid- und Blutzuckerwerte erfasst und bei der Auswertung berücksichtigt. Zudem wurde eine COPD entweder ausgeschlossen oder gemäß der vier GOLD-Stadien dokumentiert.
Die Probanden wurden anhand der Angaben zur Bewegungsintensität in der Freizeit in vier Gruppen (gering, moderat, hoch, sehr hoch) aufgeteilt. Ähnlich wurde in Bezug auf berufsbedingte körperliche Anforderungen verfahren.
Die Ergebnisse: Innerhalb des Beobachtungszeitraums hatten sich 7913 schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) sowie 9846 Todesfälle ereignet. Auffallend war, dass mehr Männer als Frauen intensiven Sport in der Freizeit betrieben. Das Alter hingegen spielter eher eine untergeordnete Rolle.
Wie zu erwarten fanden sich in der Gruppe mit geringer Aktivität in der Freizeit mehr Raucher und mehr Übergewichtige. Außerdem war der Anteil der Personen mit kurzer Ausbildungszeit, geringerem Einkommen, ungesundem Ernährungsstil, COPD GOLD-Stadium 4 und/oder Diabetes in dieser Gruppe am höchsten.
Schwer körperlich arbeitende Probanden waren im Vergleich zu den im Sitzen arbeitenden häufiger Raucher und übergewichtig. Außerdem verfügten sie über eine geringere Schulbildung, ernährten sich ungesünder und tranken mehr Alkohol als Teilnehmer mit physisch weniger anstrengenden Berufen.
Bewegung ist nicht gleich Bewegung
Doch selbst bei Berücksichtigung all dieser Einflussfaktoren zeichnete sich für den gesundheitlichen Effekt körperlicher Aktivität in der Freizeit und im Beruf ein widersprüchliches Bild. Bewegung in der Freizeit wirkte sich durchweg positiv aus: Verglichen mit der bewegungsärmsten Gruppe hatten Probanden, die in der Freizeit moderat Sport trieben, ein um 14 Prozent geringeres MACE-Risiko. Bei hoher Intensität sank es um 23 Prozent, bei sehr hoher Intensität um 15 Prozent. Das Mortalitätsrisiko war um 26 Prozent, 41 Prozent beziehungsweise 40 Prozent niedriger.
Anders bei berufsbezogener körperlicher Aktivität: Im Vergleich zu den Teilnehmern, die angaben, vorwiegend im Sitzen zu arbeiten, kletterte das MACE-Risiko bei moderat körperlich anstrengender Arbeit um 4 Prozent, bei hoher Intensität um 15 Prozent und bei sehr hoher Intensität um 35 Prozent. Das Mortalitätsrisiko wiederum war um 6 Prozent, 13 Prozent bzw. 27 Prozent gestiegen.
Paradoxe Wirkung in Freizeit und Beruf
Die paradoxe Wirkung körperlicher Aktivität in Freizeit und Beruf erklären die dänischen Wissenschaftler mit den unterschiedlichen Charakteristika der physischen Anstrengung. Während Bewegung in der Freizeit meist dynamisch ist und mit hoher Intensität über eine kürzere Dauer ausgeführt wird, sei die Intensität der körperlichen Belastung im Beruf zwar geringer, die Leistung müsse aber über eine weitaus längere Zeit erbracht werden. Zudem seien die Bewegungsabläufe eher statisch und teils unnatürlich.
Gleichzeitig betonen die Wissenschaftler, dass sich die negativen gesundheitlichen Effekte intensiver körperlicher Arbeit nicht durch Freizeitsport ausgleichen ließen. „Weder für das MACE- noch für das Mortalitätsrisiko fand sich eine Wechselwirkung der Effekte von körperlicher Arbeit und Freizeitsport.“