Weltkindertag
Häufig keine Inklusion für Kinder mit Diabetes
Pädiatrische Diabetologen haben anlässlich des Weltkindertages am 20. September auf die systematische Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes in Deutschland aufmerksam gemacht.
Veröffentlicht:Stuttgart. Kinder und Jugendliche mit Diabetes werden in Deutschland strukturell benachteiligt. Darauf macht die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) aus Anlass des Weltkindertages am 20. September aufmerksam.
Erziehende und Lehrkräfte seien häufig überfordert, sagte Privatdozent Dr. Thomas Kapellen von der Arbeitsgemeinschaft pädiatrische Diabetologie (AGDP). „Die Eingliederung in Schule und Kindergarten von an Typ-1-Diabetes erkrankten Kindern bereitet immer größere Probleme.“
Angesichts großer Gruppen- oder Klassengrößen überfordert
Selbst wenn eine Schulung der Pädagogen in Kita oder Schule durch ein regionales Diabetesteam stattfinde – oft finanziert aus Drittmitteln oder Spenden – fühlten sich Lehrer und Erzieher angesichts großer Gruppen- oder Klassengrößen überfordert mit der Aufgabe, diabeteskranke Kinder besonders im Auge zu behalten.
Zumal diese unter Umständen nicht die einzigen chronisch kranken Kinder in der Einrichtung sind. Diabeteskranke Kinder selbst seien meist erst ab einem Alter von zwölf Jahren in der Lage, die komplexen Managementaufgaben selbstständig zu übernehmen, erklärte Kapellen.
Die Folge ist eine systematische Benachteiligung der Kinder. Die Familien würden zum Besuch von Förderschulen gedrängt, obwohl die Kinder Regelschulen besuchen könnten. Die Betroffenen werden von Ausflügen, Feiern und Klassenfahrten ausgeschlossen.
So hat eine aktuelle Befragung von 1189 Erziehungsberechtigten von Kindern mit Typ-1-Diabetes aus allen Bundesländern ergeben, dass 14,6 Prozent dieser Kinder nicht immer an Kindergartenfahrten und bis zu 23,6 Prozent der Grundschüler nicht an Klassenfahrten teilnehmen konnten (Diabetologie und Stoffwechsel 2019; 14(5): 380-387).
DDG: Klare Zuständigkeitsregelungen für Inklusionsleistungen
Die DDG fordert eine bundeseinheitliche Regelung der Kostenübernahme der Schulungen von Erziehenden und Lehrkräften. Die unklaren Zuständigkeiten der verschiedenen Kostenträger führten zu langwierigen Entscheidungsprozessen zulasten der Familien. Es brauche klare Zuständigkeitsregelungen für Inklusionsleistungen.
Notwendig ist eine Hilfestellung für Kinder mindestens bis zum 12. Lebensjahr durch einen in der Diabetesversorgung geschulten Erwachsenen, angefangen beim Berechnen der Mahlzeiten und der Insulindosis bis zum Verabreichen von Insulin sowie der zuverlässigen Beobachtung der Kinder, um Über- und Unterzuckerungen erkennen zu können.
Kapellen verwies auf die USA und Schweden, wo Schulkrankenschwestern das Diabetesmanagement sichern. Entsprechende Pilotprojekte in Hessen und Brandenburg seien abgeschlossen. Deren Ergebnisse müssten nun diskutiert werden.
Professor Karin Lange von der AG Diabetes und Psychologie der DDG wies außerdem auf den Bedarf an psychologischer Betreuung und sozialen Hilfen für die Kinder hin. Seit 2008 gebe es einen Trend zur Zentralisierung in der Versorgung. Multiprofessionelle Teams stünden in der ambulanten Behandlung nur in Ausnahmefällen zur Verfügung.