Ebola-Epidemie
Helfer sehen Hoffnungsschimmer
Der Ebola-Ausbruch in Westafrika ist der schwerste aller Zeiten. Im Kampf gegen die Epidemie ist den "Ärzte ohne Grenzen" jetzt ein Erfolg gelungen: Sie konnten die Sterblichkeit in einem Ebolazentrum senken. Doch es ist aus unterschiedlichen Gründen weiterhin schwer, die Lage unter Kontrolle zu bringen.
Veröffentlicht:BERLIN. Beim Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika gebe es einen ersten Hoffnungsschimmer, sagt Dr. Tankred Stöbe, Vorstandsvorsitzender der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen" (Médecins sans frontières, MSF), im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
"Durch die frühe Isolierung der Infizierten und Maßnahmen zu ihrer Stabilisierung konnten wir die Sterblichkeitsrate in unseren Ebola-Zentren um zehn bis 15 Prozent senken." Stöbe warnt jedoch vor allzu großem Optimismus, am Ernst der Lage habe sich nichts geändert.
"Ärzte ohne Grenzen" ist derzeit die einzige Hilfsorganisation, die sich um die Ebola-Patienten in Westafrika kümmert. "Wir sind nicht stolz auf dieses Monopol", erklärt Tankred Stöbe, "im Gegenteil stellen wir fest, dass wir an unsere Kapazitätsgrenzen stoßen."
Derzeit seien etwa 300 nationale und internationale MSF-Helfer vor Ort. Aus 60 Regionen der drei vom Ausbruch bislang betroffenen Länder Sierra Leone, Guinea und Liberia sind Infektionen gemeldet worden, aber Stöbe geht davon aus, dass es in weiteren Gebieten an Ebola erkrankte Menschen gibt, da viele Landstriche nur sehr schwer erreichbar seien.
Aufgrund aktueller, zum Teil lang währender Einsätze in Krisenregionen wie Syrien, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik seien die Notfallreserven seiner Organisation schon jetzt weitgehend ausgeschöpft, klagt der MSF-Deutschland-Präsident.
Dennoch wolle man weitere Mitarbeiter nach Westafrika entsenden und über die bisher gelieferten 40 Tonnen hinaus auch weitere Hilfsgüter dorthin transportieren.
Größter Ausbruch seit Entdeckung des Virus 1976
Der Ebola-Ausbruch in Westafrika ist der größte seit Entdeckung des Virus im Jahr 1976. Bislang war Ebola nur in Zentral- und Ostafrika bekannt. Wie der Virus seinen Weg nach Westen gefunden hat, wird zurzeit erforscht.
Aber warum er sich so rasant ausbreitet, dafür gebe es Erklärungen, meint Tankred Stöbe. "Zum einen hängt das mit der hohen Mobilität in Westafrika zusammen, wo man in wenigen Stunden bereits eine Landesgrenze erreicht. Zum anderen begünstigen auch westafrikanische Traditionen die Ausbreitung der Krankheit. Beispielsweise werden die Verstorbenen gewaschen und zum Abschied umarmt, auf diese Weise infizieren sich dann die Angehörigen - ein Teufelskreis."
Schließlich, und auch das bereite den Helfern vor Ort große Sorgen, hegten viele Menschen in den betroffenen Regionen Misstrauen gegen die westlichen Helfer. "Sie sehen, dass Patienten in die Kliniken und Gesundheitszentren hinein gebracht und tot wieder herausgetragen werden.
Viele fürchten, dass sie selbst sterben könnten, wenn sie einen infizierten Angehörigen zur Klinik bringen. Daher verstecken sie ihn und pflegen ihn lieber selbst. Das ist tragisch."
Die einzig richtigen Antworten auf solche Probleme seien "eine breitflächige Aufklärung und maximale Transparenz", ist Stöbe überzeugt. "Aber das können wir nicht allein leisten, das erfordert eine klare Informationsoffensive mit Hilfe der Medien in den betroffenen Ländern."
In den Kliniken vor Ort hätten sich die Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" bereits auf die besonderen Herausforderungen eingestellt, indem sie den Einheimischen beispielsweise genau erklärten, "was wir tun und wie wir es tun".
Dazu gehöre auch, ihnen die Angst vor den unheimlichen Gestalten in Schutzanzügen zu nehmen. Zu diesem Zweck habe man alle Mitarbeiter aufgerufen, die Anzüge vor den Augen ihrer Patienten und deren Angehörigen anzulegen, damit sie wissen, wer sich hinter den Masken verbirgt.
Drei Szenarien hält Tankred Stöbe in den kommenden Tagen und Wochen für möglich: "Alles bleibt weitgehend so, wie es ist, mit der Folge, dass auf unabsehbare Zeit weitere Menschen an Ebola sterben.
Oder es gelingt uns, die Epidemie einzugrenzen, so dass sich immer weniger Menschen infizieren. Oder aber, und das ist das Schreckensszenarium, die Epidemie erreicht die Ballungszentren und breitet sich dort noch rasanter aus."
Qualifiziertes Personal fehlt
"Das Treffen hat geholfen, einen detaillierten Überblick über die Situation zu gewinnen und Maßnahmen zu beschließen, die jetzt verstärkt werden müssen", glaubt Marie-Christine Férir, Notfallkoordinatorin in der Brüsseler Einsatzzentrale von "Ärzte ohne Grenzen". Das könne aber nur ein Anfang sein.
"Wir appellieren nun an die Teilnehmer des Treffens, auf ihre Versprechen schnellstens Taten folgen zu lassen. Qualifiziertes medizinisches Personal wird dringend benötigt, es müssen Schulungen zur Behandlung von Ebola organisiert werden, und die Nachverfolgung von Verdachtsfällen sowie die Aufklärung müssen schleunigst verstärkt werden."
Dabei könnten einflussreiche Personen in den betroffenen Regionen helfen, indem sie ihren Mitbürgern die Angst vor den Helfern nähmen.
MSF-Deutschland-Präsident Stöbe ist am Wochenende von Berlin nach Genf geflogen, um mit seinen Kollegen zu beraten, welche weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Ebola-Epidemie sinnvoll sind - und was seine Organisation noch leisten kann.
"Wir brauchen weitere Mitarbeiter und weitere Spenden, da die weltweiten Krisen in diesem Jahr ein Ausmaß erreicht haben, das wir nicht vorhersehen konnten."
Dennoch sei er zuversichtlich, dass seine Organisation ihr Engagement in Westafrika kurzfristig ausweiten wird, um so vielen Menschen wie möglich zu helfen.