Lebertransplantation

Hepatitis C soll vor Abstoßung schützen

Der Versuch hört sich kurios an: Patienten mit einer neuen Leber könnten auf Immunsuppressiva verzichten, wenn sie mit Hepatitis C infiziert sind. Das eröffnet ganz neue Wege zur Therapie nach einer Transplantation.

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Immer mit dem Risiko einer Rejektion: Lebertransplantation.

Immer mit dem Risiko einer Rejektion: Lebertransplantation.

© Uniklinikum Münster / dpa

MÜNCHEN. Die Nachricht klingt beinahe unglaublich: Patienten nach einer Lebertransplantation könnten womöglich auf eine immunsuppressive Pharmakotherapie verzichten - wenn sie an ihrer statt mit Hepatitis C infiziert sind. Doch dieses neue Therapiekonzept ist ernst gemeint. Denn Forscher aus München haben jetzt gemeinsam mit Kollegen aus Barcelona und London bei einigen Patienten bewiesen, dass dieses Vorgehen funktionieren kann.

Ausgangspunkt für die Wissenschaftler waren Tierversuche, in denen gezeigt worden war, dass eine durch Pathogene induzierte Immunantwort die Organtoleranz verbessern kann.

Zudem stellen etwa Virushepatitiden bei Patienten nach einer Lebertransplantation eine Herausforderung dar. Denn durch die therapeutisch notwendige Immunsuppression kann der Körper die Virusinfektion nicht mehr ausreichend selbst bekämpfen - ein klinischer Spagat. Was läge also näher, beide Herausforderungen mit ein und derselben Waffe zu schlagen?

So versuchten die Forscher bei 34 Patienten, die am Uniklinikum in Barcelona behandelt wurden, die Immunsuppression abzusetzen. Die Probanden hatten vor mindestens drei Jahren eine neue Leber erhalten und waren allesamt mit Hepatitis C infiziert (HCV-RNA positiv).

Die Ärzte, Immunologen und Virologen wählten die Patienten außerdem anhand diverser Biomarker im Serum aus, die auf eine erhöhte Immunantwort deuten könnten (Sci Transl Med 2014; 6(242): 242ra81).

Über sechs bis neun Monate wurde schließlich die immunsuppressive Arzneitherapie mit Ciclosporin A und Tacrolimus ausgeschlichen. Anschließend wurden die Patienten zwölf weitere Monate beobachtet - unter anderem mit Leberbiopsien.

Tatsächlich blieb bei 17 Patienten, also jedem Zweiten eine Immuntoleranz der transplantierten Leber gegenüber bestehen. Bei ihnen könnte durch die HCV-Infektion eine "virale" Immunsuppression entstanden sein.

Den Forscher zufolge wird durch die Infektion die Sekretion von Interferon a und ß in der Leber erhöht (Typ-1-Interferon-System). Dadurch wird die Expression von "Hunderten" körpereigenen Immunsuppressionsgenen erhöht, wie das Team um den Münchner Virologen Dr. Felix Bohne schreiben.

Außerdem besitzen Hepatitis-C-Viren einen Mechanismus, mit dem sie CD8-Rezeptor-positive T-Zellen inaktivieren können. Diese Lymphozyten sind bekannt dafür, dass sie zu einer akuten Organabstoßung führen können. Die HCV-spezifischen T-Zellen kumulieren vor allem in der Leber, weswegen ihre Blockade durch die Viren (bis hin zur Apoptose) den Forschern zufolge nicht zu einer generalisierten Immunsuppression führt. Das Immunsystem der Patienten ist deswegen immer noch in der Lage, extrahepatische Erreger abzuwehren.

Über diesen dualen Weg führt die HCV-Infektion schließlich zu einem immunsuppressiven Lebermilieu, das das Organ vor akuten Rejektionen schützt - erkauft allerdings über einen pathologischen Infektionsweg.

Tatsächlich scheint diese Form der "antiviralen Immunsuppression" auch nur bei wenigen Patienten anzusprechen, nämlich abhängig von dem Transplantat, dem HCV-Typ und der immunologischen Konstellation des Patienten.

So zeigte sich in der serologischen Analyse ein Zusammenhang zwischen der Toleranzinduktion mit dem Verhältnis von Vd1-T-Zellen zu Vd2-T-Zellen. Diese sogenannten ?d-T-Zellen werden anhand des V-Gens unterschieden (JLB 2001; 70(4): 518). Die spezifische Ratio zwischen den beiden T-Zell-Subtypen, so die Forscher, lässt sich daher als Prädiktor verwenden, um die Immuntoleranz vorherzusagen.

Einen Paradigmenwechsel in der Immunsuppression von Patienten nach einer Lebertransplantation wird die Münchner Studie ad hoc zwar nicht einleiten - dafür ist sie viel zu klein gewesen und lief zu kurz. Allerdings liefert sie harte Indizien für einen neuen Ansatz zur Immunsuppression. (nös)

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