Interventionelle Therapie bei Migräne?
Mit interventionellen Verfahren können bei manchen Patienten mit bislang therapieresistenter Migräne Erfolge erzielt werden. Die Methoden bedürfen allerdings noch der weiteren Erforschung, um über ihren Nutzen entscheiden zu können.
Veröffentlicht:FRANKFURT AM MAIN. Nicht alles, was Migräne-Patienten angeboten wird, ist als glaubwürdig anzusehen. Dazu zählt Professor Stefan Evers von der Neurologischen Universitätsklinik Münster zum Beispiel die chirurgische Durchtrennung des Augenbrauenmuskels (M. corrugator).
Darüber veröffentlichte Studien, darunter auch eine placebokontrollierte Untersuchung, seien nicht seriös, warnte der Neurologe beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt am Main.
Häufiger Migräne bei offenem Foramen ovale
Anders sieht es bei Migräne-Patienten mit einem Rechts-Links-Shunt des Herzens bei offenem Foramen ovale (PFO) aus. In einer Pilotstudie waren nach Verschluss des PFO 30 bis 75 Prozent der Patienten von ihrer Migräne befreit. In einer kontrollierten Studie, in der per Herzkatheter auch Scheineingriffe vorgenommen worden waren, konnte dies jedoch nicht bestätigt werden.
Ein halbes Jahr nach der Operation waren in der tatsächlich operierten Patientengruppe fünf Prozent migränefrei, unter den Probanden mit Scheinoperation vier Prozent. Allerdings hatte sich bei 42 Prozent der Patienten der Verumgruppe die Attackenfrequenz um mindestens die Hälfte reduziert, in der Placebo-Gruppe dagegen nur bei 23 Prozent - ein signifikanter Unterschied.
"Da muss zumindest was dran sein", so Evers. Möglicherweise gebe es im rechten Herzen endokrin aktive Zellen, deren vasoaktive Produkte durch das PFO rascher als normal ins Gehirn gelangen könnten, so eine Hypothese.
Zumindest bei einigen Patienten mit schweren und therapieresistenten Cluster- und Migräne-Kopfschmerzen führt die Lidocain / Kortison-Blockade des Nervus occipitalis major zu gewissen Erfolgen, berichtete Evers. Begründen lässt sich ein solches Vorgehen mit der funktionellen und neuroanatomischen Konvergenz des N. occipitalis mit dem trigeminalen System.
Aber auch die Stimulation des Nervs per Schrittmacher über eine subkutane Elektrode war in einer Pilotstudie bei Patienten mit chronischer Migräne, also mit mehr als 15 Tage pro Monat dauernden Kopfschmerzen, zunächst erstaunlich erfolgreich: Es kam zu anhaltender Schmerzfreiheit über mehr als 1,5 Jahre. In dem kontrollierten und noch laufenden Studienprogramm ONSTIM* relativiert sich dies etwas.
Nach vorläufigen Ergebnissen wurde bei Patienten, die die Stimulation selbst modulieren können, die Attackenfrequenz um etwa 40 Prozent reduziert, die Zahl der Migräne-Tage pro Monat sank von initial 22 auf 15.
Botulinumtoxin kann chronische Migräne lindern
Seit Langem diskutiert wird außerdem die Wirksamkeit von Botulinumtoxin. Bei episodischer Migräne waren die meisten Studien mit der Substanz negativ verlaufen. Bei Patienten mit chronischer Migräne gab es im PREEMPT**-Studienprogramm in den USA und Europa zwar keinen Unterschied zu Placebo-Injektionen hinsichtlich der Zahl der Kopfschmerz-Episoden.
Die Zahl der Kopfschmerztage pro Monat konnte jedoch in der Verumgruppe um durchschnittlich 8,4 Tage gesenkt werden und unter Placebo um 6,6 Tage - ein signifikanter Unterschied (Cephalalgia 2010; 30: 793, Cephalalgia 2010; 30: 804, Headache 2010; 50: 921).
*ONSTIM: Occipital Nerve Stimulation for the Treatment of Intractable Migraine **PREEMPT: Phase III REsearch Evaluating Migraine Prophylaxis Therapy