Bei Remission
Jeder zweite Rheumapatient könnte auf Arznei verzichten
Für Patienten mit Rheumatoider Arthritis kann es sich lohnen, die Medikamente wegzulassen, wenn sie unter der Therapie keine Beschwerden mehr haben. Das zeigt eine deutsche Studie.
Veröffentlicht:NÜRNBERG. Dank hochwirksamer krankheitsmodifizierender Antirheumatika (DMARD) erreichen inzwischen viele Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) eine Remission.
Sind diese Patienten nun geheilt und benötigen keine weitere Therapie? Oder wird die Krankheit durch die Medikation lediglich so gut unterdrückt, dass die Patienten weitgehend symptomfrei bleiben?
Diese beiden Formen der Remission lassen sich bisher weder klinisch noch anhand von Biomarkern klar unterscheiden. Eine solche Unterscheidung wäre jedoch sehr wichtig, da DMARD in der Regel recht teuer sind und deutliche Nebenwirkungen aufweisen können.
Der Druck von Patienten und Kostenerstattern, die Therapeutika nach erfolgreicher Remission zu reduzieren oder ganz abzusetzen, könnte daher in Zukunft beträchtlich zunehmen.
Forscher der Universitätversität Erlangen untersuchen daher in der dreiarmigen randomisierten Studie RETRO, ob die Remission anhält, wenn Ärzte genau dies tun: In einer Gruppe wird die bisherige Therapie trotz Remission fortgesetzt, in der zweiten Gruppe reduzieren die Ärzte die Dosis um die Hälfte, in der dritten Gruppe wird in den ersten sechs Monaten ebenfalls die Dosis halbiert und anschließend ganz abgesetzt. Kommt es zu Rückfällen, werden die Patienten wieder mit dem ursprünglichen DMARD-Regime behandelt (Ann Rheum Dis 2015; online 6. Februar).
Bleibt Remission auch langfristig?
Bisher haben 101 Patienten an elf Zentren an der Studie teilgenommen. Voraussetzung ist eine seit mindestens sechs Monaten anhaltende Remission unter DMARD, definiert als ein Wert von weniger als 2,6 im Disease Activity Score 28 (DAS28).
Im Schnitt waren die bisherigen Patienten vor Studienbeginn sogar schon mehr als ein Jahr in Remission. Rund drei Viertel der Patienten erfüllen zudem die strengeren ACR/EULAR-Remissionskriterien.
Erwartet wird auch, dass unter der Remission vor Studienbeginn keine Dosisreduktion erfolgt war. Erste Zwischenergebnisse der noch laufenden Untersuchung haben die Forscher um Dr. Judith Haschka nun veröffentlicht.
Wie sich herausstellte, waren ein Jahr nach Studienbeginn in der Gruppe mit fortgeführter Therapie noch 84 Prozent in Remission, in der Gruppe mit Dosisreduktion 61 Prozent und von den Patienten, die ihre Therapie nach einem halben Jahr beendet hatten, zeigten immerhin 48 Prozent keinen Rückfall. Jeder zweite Patient in Remission könnte danach zumindest mittelfristig auf Medikamente verzichten.
Ob die Remission bei diesen Patienten auch längerfristig bestehen bleibt, muss die Studie aber noch zeigen.
Hoffen lässt immerhin die Beobachtung, dass die meisten Rückfälle in den ersten Monaten während der Dosisreduktion auftraten. Wer nach einem Jahr noch in Remission ist, hat möglicherweise gute Chancen, auch weiterhin ohne Antirheumatika auszukommen.
ACPA bei Rezidiv meist nachweisbar
In einem weiteren Schritt schauten die Forscher um Haschka nach Merkmalen, um diejenigen Patienten zu identifizieren, die nach Dosisreduktion oder Absetzen ein besonders hohes Rückfallrisiko haben.
Sie fanden, dass Frauen etwas häufiger als Männer erneut RA-Schübe entwickelten, unter Berücksichtigung einer Reihe von Begleitfaktoren war dieser Unterschied jedoch nicht signifikant.
Deutlich besser als Prädiktor für ein Rezidiv eignet sich nach den Daten der Erlangener Wissenschaftler jedoch der Nachweis von Antikörpern gegen citrullinierte Peptide und Proteine (ACPA).
So waren von den Patienten mit erneuter Krankheitsaktivität knapp 75 Prozent zum Studienbeginn ACPA-positiv, aber nur 55 Prozent derjenigen, die im Studienverlauf in Remission blieben.
Insgesamt, so schließen die Rheumatologen um Haschka aus der RETRO-Zwischenauswertung, scheint eine Dosisreduktion oder gar ein Absetzen der Therapie möglich zu sein, vor allem dann, wenn sich keine ACPA nachweisen lassen.
In den 2013 veröffentlichten EULAR-Empfehlungen zur DMARD-Therapie wird bereits ein Ausschleichen der Medikation bei Patienten in stabiler Remission als Option gesehen. Bisher basierten solche Empfehlungen aber nicht auf randomisiert-kontrollierten Studien.
Anhand von RETRO und weiteren Untersuchungen könnten Ärzte aber bald evidenzbasierte Anleitungen bekommen, wie sie in der Praxis mit Patienten in Remission verfahren sollen, schreiben die Studienautoren.
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