Mehnert-Kolumne
Krebs und Diabetes - eine häufige Verbindung
Prof. Hellmut Mehnert
Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.
Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.
Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.
Diabetiker erkranken im Vergleich zu Nichtdiabetikern doppelt so häufig an Krebs; die Ursachen dafür sind unbekannt. Hat das womöglich mit der medikamentösen Diabetestherapie zu tun? Obwohl zu dieser Frage noch Langzeitstudien laufen, ist nach heutiger Datenlage ein Zusammenhang eher unwahrscheinlich.
Insulin, ein immerhin proliferativ wirkendes Medikament und deswegen "verdächtig", stand vor einigen Jahren im Fokus solcher Überlegungen.
Die große ORIGIN-Langzeitstudie hat aber eindeutig gezeigt, dass zumindest die mit Insulin glargin behandelten Patienten nicht häufiger an Krebs erkranken als Diabetiker unter Therapie mit oralen Antidiabetika.
Dabei ist zu bedenken, dass Metformin offenbar einen gewissen antikarzinogenen Effekt entfaltet, was die Insulingruppe dieser Studie gegenüber der oral behandelten Kontrollgruppe eher in eine ungünstige Ausgangssituation bringt.
Dieser Effekt von Metformin ist immerhin so ausgeprägt, dass gezielte onkologische Studien mit dem Antidiabetikum bei Nichtdiabetikern aufgelegt worden sind. Auch DPP4-Hemmer sind offensichtlich nicht (Pankreas-)karzinogen. Dies war vor einiger Zeit in einer äußerst dürftigen US-Studie behauptet worden.
Blasenkrebs-Verdacht entkräftet
Auch für die neuen SGLT2-Rezeptoren-Hemmer wurde der anfängliche Verdacht auf Blasenkrebs entkräftet. Das gilt übrigens auch für die Süßstoffe Saccharin und Cyclamat. Schon vor Jahren war der angeblich krebserregende Effekt auf das Harnblasenepithel von Ratten widerlegt worden.
Bei der Untersuchung hatte ein sowieso zu Blasenkrebs neigender Stamm von Laborratten unter den chemisch grundverschiedenen Süßstoffen die 500-fache Süßstoff-Dosis in die Blase instilliert bekommen.
Das Deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg hatte seinerzeit die Studienergebnisse und die daraus abgeleiteten Folgerungen ad absurdum geführt.
Bei krebskranken Diabetikern sind die spezifischen Belastungen der Krebstherapie zu beachten. So sind einige Zytostatika wie Cisplatin und Cyclophosphamid sehr stark emetogen: Dadurch wird bei Zuckerkranken die Feinabstimmung von Medikamenten und Nahrungszufuhr sehr erschwert. Hinzu kommt das sogenannte antizipatorische Erbrechen, das auf ungünstigen Erfahrungen des Patienten mit einer vorangegangenen Chemotherapie beruht.
Klinik-Anblick kann emetogen sein
Auch bei Strahlentherapie kann dieses Phänomen auftreten und wird mitunter schon durch den Anblick des Krankenhauses oder der onkologischen Praxis ausgelöst. Im Übrigen kann man medikamentös gegen den Brechreiz vorgehen und versuchen, etwa mit Dopaminantagonisten, Neuroleptika, Benzodiazepinen und Antihistaminika zu behandeln.
Diese Substanzen wird man vor allem auch dann einsetzen, wenn die unter Chemotherapeutika-Medikation nicht seltenen Schleimhautentzündungen, vor allem an der Mundschleimhaut, auftreten und die Nahrungszufuhr - besonders der erwünschten Ballaststoffe - erschwert wird.
Die oft bei Krebskranken erforderliche Cortisonbehandlung verschlechtert natürlich die diabetische Stoffwechsellage und zwingt zur Insulinbehandlung oder zur Erhöhung der Insulindosis.
Nebenwirkungen der Chemo- und der Strahlentherapie sind auch die besonders bei Diabetikern auftretenden Infektionen. Der Pilzbefall steht dabei im Vordergrund und muss frühzeitig mit Antimykotika bekämpft werden. Auch Clostridieninfektionen im Darmbereich sind gefürchtet, besonders als Ursache chronischer Durchfälle.
Eine gezielte Antibiotikatherapie ist hier hilfreich, obwohl gerade eine vorangegangene Behandlung mit (anderen) Antibiotika die Clostridieninfektion ausgelöst haben kann.