DGHO-Jahrestagung
Krebs und Pandemie: Mehr psychischer Stress für Patienten
Dass die COVID-19-Pandemie Auswirkungen auf die Versorgung von Krebspatienten hat, ist bekannt. Was sich aber konkret für Patienten geändert hat, wurde jetzt bei der DGHO-Tagung vorgestellt.
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Wie läuft die Therapie unter Kontaktbeschränkungen weiter? Wie vermeide ich die Ansteckung mit SARS-CoV-2? Die Pandemie brachte für Krebspatientinnen und -patienten hohe psychische Belastungen mit sich. (Symbolbild)
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Berlin. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie 2020 und vor allem während des ersten Lockdowns wurde immer wieder berichtet, dass Vorsorgeuntersuchungen nicht mehr regelmäßig wahrgenommen sowie Krebstherapien nach hinten verschoben wurden. In einer Studie aus England wurde ersichtlich, dass Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) ein um sechs bis acht Prozent erhöhtes Risiko hatten, zu sterben, wenn die Operation vier Wochen nach hinten verschoben wurde [Loveday C et al. Gut. 2021;70:1053-60].
„Aber auch das durchschnittliche 10-Jahres-Überleben sank bei CRC-Patienten mit einer Verspätung der Diagnose um vier bis sechs Monate erheblich“, berichtete Professor Anke Reinacher-Schick, Direktorin am Klinikum Bochum, auf der diesjährigen DGHO-Jahrestagung.
Ein weiteres Problem war, dass viele klinische Studien gestoppt werden mussten, da zu wenige Patienten daran teilnahmen. Laut einer Erhebung von Dr. Judy C. Boughey und Kollegen wollten 83 Prozent der Patienten aus Angst vor einer COVID-19-Erkrankung bzw. konnten durch Reisebeschränkungen (47 Prozent) nicht an Studien teilnehmen [Boughey JC et al. Ann Surg Oncol. 2021;https://doi.org/10.1245/s10434-021-10406-2].
Deutlicher Rückgang bei Erstdiagnosen und Operationen
Anlässlich dieser Problematik wurden interdisziplinäre Analysen im Rahmen des CancerCOVID-Projekts durchgeführt, um die Situation in Deutschland zu eruieren und entsprechend gegensteuern zu können. Erste Ergebnisse, ausgewertet von 21 Darmzentren, haben ergeben, dass es zu einem deutlichen Rückgang bei der Anzahl der Operationen in der ersten Corona-Welle sowie einem deutlichen Rückgang der Erstdiagnosen unabhängig vom Alter in der ersten und zweiten Corona-Welle kam.
Die Darmkrebszentren hätten bezüglich ihrer Qualitätskriterien allerdings sehr gut abgeschnitten, warf Reinacher-Schick ein. Die psychoonkologische Beratung wurde nicht signifikant reduziert im Vergleich zu 2019 (46,5 vs. 43,7 Prozent), ein größerer Rückgang konnte nur beim Studieneinschluss verzeichnet werden (36,5 [2019] vs. 24,5% [2020]). Die finale Auswertung wird im Frühjahr 2022 erwartet.
Hohe psychische Belastung der Krebspatienten
Nicht nur, dass Patienten und Angehörige vor einer SARS-CoV-2-Infektion Angst hatten, bei vielen ergaben sich auch konkrete Fragen, die sie beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) einreichten, berichtet Dr. Susanne Weg-Remers vom DKFZ. Tageskliniken wurden geschlossen und Patienten waren ratlos, wie die Behandlung nun weitergeführt werden solle, schilderte sie.
In einer nicht repräsentativen Onlineumfrage unter Krebsbetroffenen (n = 621) wurden explizit Daten zu Ängsten bezüglich der COVID-19-Erkrankung bzw. zu psychischen und finanziellen Belastungen erhoben. Insgesamt gaben 12,9 Prozent der Patienten an, dass Therapieänderungen während der Pandemie vorgenommen wurden.
Davon wurden längere Therapieänderungen von der ersten bis zur dritten Corona-Welle im Monitoring oder der psychosozialen Beratung berichtet (29,1 bzw. 20,3 Prozent). Zudem entwickelte ein Drittel der Krebspatienten Ängste, entweder selbst an COVID-19 zu erkranken oder zu sterben, aber auch Beeinträchtigungen in der medizinischen Versorgung zu erfahren (33 Prozent).
Angst vor einer Corona-Erkrankung
Eine Messung von Angst und Depression mit der HADS („Hospital Anxiety an Despression Scale“) in derselben Stichprobe zeigte, dass 54,6 Protzen der Patienten einen erhöhten Score von größer oder gleich 8 (Normal: 0-7) beim Thema Angst und 38,8 Prozent einen erhöhten Score bei Depressionen erreichten.
Einfluss darauf nahmen Faktoren wie Änderungen in der Krebsversorgung, Angst vor einer Corona-Erkrankung und Angst um eine verringerte Qualität der medizinischen Versorgung. „Insgesamt zeigt die Umfrage, dass die meisten Patienten ihre Behandlung wie geplant erhalten hatten, die meisten Änderungen das Therapiemonitoring und die Nachsorge betrafen, die finanzielle Belastung wegen der Krebserkrankung durch die Pandemie verstärkt wurde und damit verbunden ein hohes Level von Angst und Depression während der einjährigen Beobachtungszeit einherging“, resümierte Weg-Remers.