Diabetes-Meilenstein

Künstliches Pankreas punktet im Alltag

Ein „closed loop“ aus sensorgestützter Glukosemessung und Insulinpumpe kann die Stoffwechseleinstellung bei Typ-1-Diabetes deutlich verbessern. Das zeigt eine öffentlich geförderte US-Studie.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Geschickte Kombination: Ein Sensor zur kontinuierlichen BZ-Messung in Verbindung mit einer Pumpe, die anhand der Echtzeit-Glukosewerte automatisch die Insulinabgabe steuert. So entsteht ein künstliches Pankreas. (hier demonstriert am Beispiel Dialoop)

Geschickte Kombination: Ein Sensor zur kontinuierlichen BZ-Messung in Verbindung mit einer Pumpe, die anhand der Echtzeit-Glukosewerte automatisch die Insulinabgabe steuert. So entsteht ein künstliches Pankreas. (hier demonstriert am Beispiel Dialoop)

© Diabeloop

Charlottesville. Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) mit einem Sensor hat die Insulintherapie revolutioniert und in Verbindung mit einer Pumpe ein künstliches Pankreas ermöglicht. Dabei drosselt oder steigert die Pumpe anhand der Echtzeit-Glukosewerte automatisch die Insulinabgabe. Dass solche Systeme bereits im Alltag sicher und sehr wirksam sind, zeigt eine von den US-National Institutes of Health geförderte Studie (NEJM 2019; 381: 1707).

An der Untersuchung nahmen 168 Typ-1-Diabetiker im Alter von 14 bis 71 Jahre teil (HbA1c 5,4 bis 10,6 Prozent). Verwendet wurde das von Forschern der Universität Virginia mitentwickelte System „Tandem Control IQ“. Das Hybrid-System passt nur die Insulin-Basalrate automatisch an. Zu den Mahlzeiten müssen die Patienten weiter selbst die Kohlenhydrate abschätzen und die Daten der zur Kompensation erforderlichen Insulinmenge in die Pumpe eingeben.

Automatisch wird mit dem System aber vor allem auch die nächtliche Insulinabgabe gesteuert, mit dem Ziel nahezu normnaher morgendlicher Nüchternwerte. Der verwendete Algorithmus ist dabei vor allem auch auf die Hypoglykämie-Sicherheit ausgelegt.

Deutliche bessere Glukose-Werte nach sechs Monaten

Erster „closed loop“ bei uns erhältlich

  • Medtronic hat das „Hybrid closed loop“ System MiniMed™ 670G im September in Deutschland auf den Markt gebracht.
  • Der GKV-Spitzenverband hat das System ins Hilfsmittelverzeichnis und damit in die Regelerstattung aufgenommmen.
  • Weitere Informationen www.medtronic.com

In der Studie über sechs Monate wurden zwei Drittel der Typ-1-Patienten randomisiert ausgewählt und mit dem „closed-loop“-System behandelt. Ein Drittel der Patienten diente als Kontrollgruppe. Diese verwendeten zur Therapie eine Pumpe und passten selbst den Insulinbolus anhand von CGM-Werten an (sensor-augmented pump).

Die Therapiequalität wurde vor allem anhand der „time in range“ (TIR) beurteilt. Diese gibt den Anteil der Zeit im Tagesverlauf an, in der die Glukosewerte im gewünschten Bereich von 70 bis 180 mg/dl liegen.

Ergebnis: Die TIR-Werte lagen zu Beginn der Studie im Schnitt bei 61 (Verumgruppe) und 59 Prozent (Kontrollgruppe), berichten die Forscher um Dr. Kovatchev von der Universität in Virginia. Binnen sechs Monaten Therapie mit dem künstlichen Pankreas stiegen die Werte in der Verumgruppe im Schnitt um zehn Prozentpunkte auf 71 Prozent, in der Kontrollgruppe blieben sie weitgehend unverändert.

Und auch bei anderen Parametern wie Reduktion von HbA1c sowie von Hyper- und Hypoglykämiezeiten habe sich ein signifikanter Nutzen zugunsten des „closed loop“ ergeben.

„Die Ergebnisse sind eindrucksvoll und klinisch relevant“, betont die Diabetologin Dr. Daniela Bruttomesso von der Universität Padua in einem Kommentar (NEJM 2019; online 16. Oktober). Eine zehnprozentige TIR-Steigerung verringere nach Studiendaten die Risiken für eine Retinopathie-Progression um 64 Prozent und für eine Mikroalbuminurie um 40 Prozent.

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Unter 120 mmHg

Striktere Blutdruckkontrolle bei Diabetes wohl doch sinnvoll

Diagnose-Prävalenzen

Wo Autoimmunerkrankungen besonders häufig auftreten

„ÄrzteTag“-Podcast

Sind Diabetologen erleichtert über das Aus der Ampelkoalition, Herr Schwarz?

Das könnte Sie auch interessieren
Expertenkonsensus zum B12-Mangel

© MP Studio / stock.adobe.com

Aktuelle Empfehlungen:

Expertenkonsensus zum B12-Mangel

Anzeige | Wörwag Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Abb. 1: Design der CASPAR-Studie

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2]

Diabetische Polyneuropathie

Capsaicin-Pflaster: Wirkung kann bei Mehrfachanwendung zunehmen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Grünenthal GmbH, Aachen
Maquet Otesus OP-Tischsystem

© Getinge Deutschland GmbH

Unternehmen im Fokus

Flexible und ökonomische OP-Tischsysteme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Getinge Deutschland GmbH, Rastatt
Abb. 1: Empfohlene Messfrequenz von geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR) und Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnis (UACR) sowie Therapieindikation

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9, 11, 12]

Kardiorenaler Schutz bei Typ-2-Diabetes mit chronischer Nierenerkrankung

Frühe Diagnostik und leitliniengerechte Risikosenkung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Bayer Vital GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger