Vegan, vegetarisch oder doch tierisch?
Lebensmittelnamen – ein Buch mit sieben Siegeln?
Die neuen Leitsätze zur Namensgebung für vegane und vegetarische Lebensmittel sollen Verbrauchern mehr Orientierung bieten, so Ernährungsministerin Julia Klöckner. Die Lebensmittelwirtschaft hält das Konzept für Verbraucher für „erklärungsbedürftig“.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Bezeichnung „vegetarische Salami“ gehört bald der Vergangenheit an, „vegane Currywurst“ hingegen nicht. Denn: Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) hat die „Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ herausgegeben. Sie sollen, wie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) betont, beim Verbraucher Transparenz schaffen.
„Vegetarische und vegane Lebensmittel sind ein wachsender Markt, in dem die Verbraucher ein Recht auf Klarheit und Wahrheit haben, vor allem bei Lebensmitteln, die Bezeichnungen wie ‚vegetarische Frikadellen‘ oder ‚vegane Würstchen‘ haben und sich so an tierische Produkten anlehnen. Die neuen Leitsätze geben den Verbrauchern einen echten Mehrwert“, so Klöckner.
Wie sie betont, nehme Deutschland damit in Europa eine Vorreiterrolle ein, was die Aufmachung und Bezeichnung von veganen und vegetarischen Lebensmitteln betrifft.
Sinnhaftigkeit der Analogien im Fokus
Nicht alle sehen die Verbraucher nun auch tatsächlich richtig aufgeklärt – so zum Beispiel der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). „Vegane und vegetarische Produkte liegen im Trend, und die wachsende Zahl derer, die kein oder selten Fleisch essen, möchten auch auf eine gewisse Vielfalt zurückgreifen“, verdeutlicht Dr. Sieglinde Stähle aus der Wissenschaftlichen Leitung des BLL und für die Wirtschaft auch Mitglied in der DLMBK.
„Wichtig sei aber, dass keiner durch die Bezeichnungen irregeführt werde. Deshalb stand die Frage im Raum, ob die gängige Praxis, solche ‚Ersatzprodukte‘ auch analog zu den vertrauten Fleisch- und Wurstwaren, denen sie nachgebildet sind, zu bezeichnen, hilfreich oder verwirrend ist und ob solche Bezeichnungen nicht dem ‚Original‘ vorbehalten sein sollten“, so Stähle.
Letztendlich habe die Kommission in Form eines abgestuften Kennzeichnungskonzepts in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit zwischen Fleischerzeugnissen und deren Analogen einen Kompromiss gefunden – „ein Teil der Bezeichnungen ist tabu, ein Teil kann beibehalten werden, während andere eine Umschreibung tragen müssen“, ergänzt Stähle.
Konkret sieht der Leitsatz vor, dass
- Bezeichnungen, die in Anlehnung an spezielle gewachsene Fleischteilstücke wie „Schinken“ erfolgen, künftig nicht mehr verwendet werden sollen,
- Bezeichnungen in Anlehnung an geschnittene Fleischstücke wie beispielsweise „Schnitzel“ sowie an Lebensmittel aus zerkleinertem Fleisch wie „Frikadellen“ verwendet werden können,
- Bezeichnungen für Kategorien von Wurstwaren wie „Streichwurst“ oder „Bratwurst“ weiterhin üblich sind,
- Bezeichnungen für spezifische Wurstwaren wie „Lyoner“, „Salami“, „Leberwurst“ wiederum zukünftig nicht mehr verwendet werden sollten und wenn, dann nur in beschreibender Form wie „Typ Salami“ oder „nach Art Salami“.
Hinreichende sensorische Ähnlichkeit notwendig
Wichtig ist bei der Beurteilung, dass bei den so bezeichneten Produkten laut Leitsätzen eine weitgehende oder zumindest hinreichende sensorische Ähnlichkeit zum in Bezug genommenen Lebensmittel tierischen Ursprungs besteht, insbesondere in Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz.
„Die Abstufungen sind bewusst gewählt, aber dennoch wird schon beim Lesen klar, dass die Unterscheidungen nicht auf Anhieb deutlich sind, weshalb das Konzept erklärungsbedürftig ist und hier noch viel Informationsarbeit betrieben werden muss. Zum einen für die sehr heterogene Anbieterseite und die Hersteller, die wissen müssen, wie sie bestimmte Produkte künftig leitsatzkonform bezeichnen, zum anderen aber auch für die Kunden, die demnächst vegetarische Sojaerzeugnis nach ‚Lyoner Art‘ kaufen“, so BLL-Frau Stähle.
Untergesetzliche Regelung lässt Spielraum
Wie es vom BLL auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ hieß, handele es sich bei den Leitsätzen, die kurz vor Weihnachten in Kraft getreten sind, um eine untergesetzliche Regelung. Daher gebe es keinen Stichtag für die Lebensmittelindustrie, ihre Produkte umzustellen. Somit könnten bereits produzierte vegane und vegetarische Lebensmittel mit den alten Bezeichnungen noch abverkauft werden.
Die Lebensmittelüberwachung werde aber nachfragen, wenn sie zum Beispiel in zwei Jahren noch entsprechende Produkte in den Regalen fände, so der BLL.
Die Leitsätze geben ausschließlich Hinweise zur Kennzeichnung für Lebensmittel, die in ihrer Beschaffenheit und Sensorik solchen mit tierischen Zutaten ähnlich sind und enthalten keine neuen Anforderungen an die Zusammensetzung veganer oder vegetarischer Lebensmittel. Für die Definition „vegetarisch“ und „vegan“ gibt es bereits seit April 2016 auf Grundlage eines Beschlusses der damaligen Verbraucherschutzministerkonferenz einheitliche und klare Kriterien.
Diese bieten nicht nur den Lebensmittelherstellern Rechtssicherheit, sondern sind vor allem für Verbraucher eine gute und verlässliche Grundlage zur Orientierung. Diese maßgeblichen Begriffsbestimmung seien unverändert in die neuen Leitsätze eingegangen, so der BLL. (maw)