Rheinland

Osteoporose-Netz zieht erfolgreiche Bilanz

Weniger Knochenbrüche, weniger Schmerzmittel und höhere Compliance: Mit diesen Erfolgen wartet ein rheinisches Ärztenetz auf, das sich auf Patienten mit Osteoporose spezialisiert hat. Befürchtete Probleme mit den Richtgrößen halten aber manche Ärzte von der Teilnahme ab.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Schenkelhalsfraktur bei Osteoporose - ein Bild, dass man im Rheinland dank des Osteoporose-Netzes seltener sieht.

Schenkelhalsfraktur bei Osteoporose - ein Bild, dass man im Rheinland dank des Osteoporose-Netzes seltener sieht.

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DÜSSELDORF. Ärzten im Rheinland ist es gelungen, bei Patienten mit Osteoporose die Zahl der Knochenbrüche zu senken, die Schmerzmitteleinnahme zu reduzieren und die Compliance deutlich zu erhöhen.

Schlüssel des Erfolgs sind ein zielgerichtetes Vorsorgeprogramm, die leitliniengerechte Versorgung durch qualifizierte Haus- und Fachärzte sowie die Kooperation mit Kliniken und zuweisenden Ärzten.

Grundlage der Arbeit des "Kompetenznetzwerks Osteoporose Nordrhein" ist ein Vertrag zur integrierten Versorgung mit der AOK Rheinland/Hamburg.

Zurzeit beteiligen sich 134 niedergelassene Ärzte mit der Zusatzqualifikation Osteologie und sechs Krankenhäuser mit Fachabteilungen oder Spezialambulanzen.

Keimzelle des Netzwerks, das 2005 gegründet wurde, waren rund 40 Ärzte in der Region Aachen und Heinsberg. "Wir wollten durch eine nachhaltige Behandlung der Patienten die Zahl der Brüche und das mit ihnen verbundene Leid senken", berichtet Dr. Christoph Eichhorn, Orthopäde und Rheumatologe aus Aachen.

Er ist einer der Initiatoren des Netzwerks und der Vorsitzende. 2009 ist das Projekt auf das gesamte Rheinland ausgerollt worden.

Ärzte testen Sturzrisiko

Bei der Versorgung der Patienten mit Osteoporose stützen sich die Ärzte auf die S3-Leitlinie und die etablierte Medikation. Ein zentrales Element des Versorgungsprogramms ist die Information und Beratung der Patienten.

Die Ärzte verfolgen engmaschig, ob sie die verordneten Arzneimittel einnehmen, und haken bei den mitbehandelnden Ärzten nach, wenn es keine Folgeverordnungen gibt. Außerdem testen sie das Sturzrisiko und bieten eine Sturzprophylaxe an. "Im Netzwerk nehmen wir uns Zeit für die Patienten", sagt Eichhorn.

Eine große Hürde besteht darin, Patienten von der Teilnahme zu überzeugen.

Weil die Krankheit sich schleichend entwickelt, sehen sie oft keinen Handlungsbedarf oder denken, dass sie am Verlauf doch nichts ändern können, sagt Dr. Christopher Niedhart, der als Orthopäde und Rheumatologe in Heinsberg niedergelassen ist. "Die Therapietreue bei Osteoporose ist schlecht."

Compliance bei 70 Prozent

Die Arbeit der Ärzte im Kompetenznetz zeigt, dass das nicht so bleiben muss. Die Compliance bei der Arzneimittelversorgung liegt um rund 70 Prozent über der einer Kontrollgruppe von Patienten mit Osteoporose, die nicht an dem Programm teilnehmen.

Der Schmerzmittelverbrauch der Patienten im AOK-Vertrag ist um 15 Prozent geringer. Die Zahl der Krankenhauseinweisung aufgrund von osteoporose-bedingten Knochenbrüchen ist um 35 Prozent zurückgegangen.

"Die Ergebnisse zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg. Die gezielte Versorgung verbessert nicht nur die Lebensqualität der Patienten, sondern senkt auch die Kosten.

Während die AOK Rheinland/Hamburg im Durchschnitt für die Versorgung von Osteoporose-Patienten außerhalb des Netzes pro Jahr 6359 Euro ausgibt, sind es im Netz 6241 Euro, inklusive der Investitionen in das Netz. "Hinzu kommen Einsparungen im Bereich der Pflege", sagt Mohrmann.

Wirtschaftlichkeitsprüfung für Ärzte nicht ausgeschlossen

Seit 2009 wurden über das Programm rund 7200 Patienten versorgt. Sie sind im Durchschnitt 75 Jahre alt, die Altersspanne beträgt 33 bis 98 Jahre. 85 Prozent der Teilnehmer sind Frauen.

Die Osteologen erhalten für die zeitintensive Betreuung der Patienten eine Quartalspauschale von 35 Euro pro Patient. Das Engagement im Netzwerk wird bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung allerdings nicht automatisch als Praxisbesonderheit berücksichtigt.

Die Ärzte müssen die Überschreitungen der Richtgrößen vor den Prüfungsausschüssen durchfechten und genau belegen, dass die höheren Ausgaben leitlinienbedingt sind, sagt Eichhorn. "Das ist eine psychologische Hürde, die manchen Arzt abschreckt."

Das Projekt stoße auf große Aufmerksamkeit, berichtet sein Kollege Niedhart. "Es gibt international extrem wenig Daten über die optimale ambulante Versorgung von Patienten mit Osteoporose."

Die Evaluation der Behandlungsergebnisse im Netzwerk wurde mit dem Versorgungsforschungspreis 2013 der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie ausgezeichnet.

Für die AOK Rheinland/Hamburg ist das Netzwerk ein Referenzmodell - auch innerhalb des AOK-Systems, sagt Vorstand Mohrmann. "Ein sukzessives Ausrollen ist sinnvoll."

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