Kinder- und Jugendärztetag
Pädiater: Rund 40.000 Kinder an ME/CFS erkrankt
Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) müsse ein bundesweites Netzwerk aufgebaut werden, fordern Mediziner beim Kinder- und Jugendärztetag.
Veröffentlicht:Berlin. Es ist eine Erkrankung im Jugendalter, die nach der Corona-Pandemie häufiger als früher auftritt und zum Teil schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann: die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS), für die es bundesweit fast keine Therapieangebote gibt. Auf diesen Umstand hat Professor Patrick Gerner, wissenschaftlicher Leiter des Kinder- und Jugend-Ärztetages 2023, in Berlin hingewiesen.
Die genauen Mechanismen der neuroimmunologischen Erschöpfungserkrankung seien noch ungeklärt. Häufig, so Gerner, beginne ME/CFS nach einer Infektionskrankheit wie Corona. Eine Untergruppe der Long-COVID-Betroffenen entwickele auch ME/CFS.
Nach Daten der KV Baden-Württemberg würden von 320.000 Long COVID-Patienten rund 30.000 zusätzlich an einer ME/CFS leiden, erläuterte Professor Uta Behrends vom Klinikum rechts der Isar der TU München. Bundesweit sollen 250.000 Menschen an ME/CFS erkrankt sein, darunter 40.000 Kinder.
Die meisten Betroffenen seien zwischen elf und 19 sowie 30 bis 39 Jahre alt. 50 Prozent davon erkranken nach Angaben von Behrends moderat, 25 Prozent mittelschwer und 25 Prozent schwerwiegend.
Charakteristisch für ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise (PEM). Sie führt nach den Erfahrungen Gerners zu einer ausgeprägten Belastungsintoleranz oder Muskelschmerzen, die im Schnitt fünf Jahre andauern. Schwerstbetroffene können sich kaum im Bett umdrehen. 60 Prozent sind arbeitsunfähig.
Ein pädiatrisches Kompetenzzentrum pro Bundesland
Da es für ME/CFS keine kurative Therapie oder Heilung gibt, müssten nun rasch Behandlungsoptionen geschaffen werden, forderte Behrends in Berlin. Dazu zählen:
Etablierung eines bundesweiten Netzwerkes und eines pädiatrischen Kompetenzzentrums in jedem Bundesland
Aufbau von Spezialambulanzen etwa im Rahmen von Post-COVID-Ambulanzen in jedem Regierungsbezirk
Multimodale und multiprofessionelle Symptomlinderung in Form von angeleitetem Selbstmanagement, Schmerztherapien und telemedizinischer Versorgung.
Die Dringlichkeit dieser Forderungen unterstrich beim Kongress auch die Vizepräsidentin der Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt. Sie wies darauf hin, dass ME/CFS als eine von ganz wenigen Erkrankungen explizit im Koalitionsvertrag aufgeführt ist. Die damit verbundenen Herausforderungen müssten auch deshalb vorrangig behandelt werden, weil Therapie- und Reha Angebote überhaupt erst geschaffen werden müssten.
Mitte Mai hat das IQWiG in einem Bericht den aktuellen Kenntnisstand zu Evidenz und Therapie bei ME/CFS dargestellt und Handlungsempfehlungen für Gesundheitspolitik, Ärzteschaft und Wissenschaft formuliert. (ras)