Hintergrund

Personalisierte Medizin erobert die Onkologie

Die personalisierte Medizin wird in der Onkologie immer mehr zum Hoffnungsträger. Grund für das große Interesse an der gezielten Behandlung sind nicht zuletzt die Erfolge in der Leukämie-Therapie.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Gentest per Chip.

Gentest per Chip.

© Roche

Bereits seit einiger Zeit haben auch Onkologen die Vision von einer individualisierten Therapie, auch als personalisierte Therapie bekannt. Voraussetzung dafür sind neue Diagnosemöglichkeiten, die eine gezielte, statt breit gestreute Therapie ermöglichen.

Dazu gehört, anhand von Biomarkern herauszufinden, ob ein Patient von einer bestimmten Therapie profitieren wird. Solche Marker befinden sich etwa auf der Ebene des Genoms und der Eiweißmoleküle.

Wegen des großen Potenzials ist die personalisierte Medizin Schwerpunktthema der diesjährigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie in Berlin, die am Freitag beginnt.

Moderne Therapeutika richten sich dabei auf die beim Patienten tatsächlich vorliegende molekulare Zielstruktur. Und: Die Medikamentenauswahl und -dosierung wird an die Fähigkeit zur Verstoffwechselung durch den Patienten optimal angepasst.

Insgesamt sollen dadurch die Wirksamkeit medikamentöser Interventionen erhöht, die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen verringert, unnötige, nicht wirksame Interventionen vermieden und auch die Therapietreue der Patienten erhöht werden, wie es in einem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (TA) des Deutschen Bundestages heißt. Letztlich helfen solche Marker, die Verlaufskontrolle einer Therapie zu verbessern.

Um die Entscheidung für eine bestimmte Therapie bei Krebs zu erleichtern, gibt es bereits Testsysteme, etwa Oncotype DX® (16 krebsrelevante und fünf Kontrollgene werden analysiert) und MammaPrint® (70 Gene werden analysiert) bei Brustkrebs sowie AmpliChip® bei Leukämie (Analyse von 300 Genen).

Die Ära der individualisierten Therapie eingeläutet haben die Medikamente Trastuzumab Ende der 90er Jahre für Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs und Imatinib zur Behandlung von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) 2001.

Imatinib ist ein kleines Molekül und ein Tyrosinkinase-Hemmer. Zugelassen ist es für CML-Patienten, bei denen ein Test auf das Gen BCR-ABL positiv ist. Ein anderes Beispiel für Arzneien zur gezielten Therapie ist das Anti-Östrogen Tamoxifen bei Brustkrebs.

Auch bei Darmkrebs gibt es solche Medikamente, die nach einem entsprechenden Test gezielt verabreicht werden, zum Beispiel Cetuximab. Der monoklonale Antikörper bindet an bestimmte Rezeptoren und blockiert sie dadurch. Es hat sich herausgestellt, dass vor allem jene Patienten von der Therapie mit Cetuximab - in Kombination mit einer Chemotherapie - profitieren, deren Gen KRAS nicht mutiert ist. Ähnliches gilt für die Therapie mit dem Antikörper Panitumumab.

Ein weiterer Ansatzpunkt, Krebspatienten eine maßgeschneiderte Therapie anzubieten, steht im Zusammenhang mit der Verstoffwechselung der Medikamente. Bekanntlich ist die Fähigkeit, Arzneimittel zu verstoffwechseln, genetisch mitbedingt. Davon hängt ab, in welcher Dosis ein Krebsmittel bei einem bestimmten Patienten wirksam ist oder ob etwa schwere unerwünschte Wirkungen zu erwarten sind.

Das lässt sich testen, zum Beispiel durch Analyse des CYP2D6- oder des CYP2C19-Gens. CYP steht für Cytochrom P450, das Enzymsystem in der Leber, das auch für die Verstoffwechselung von Medikamenten sorgt. Dazu gehört etwa das Antiöstrogen Tamoxifen zur Therapie bei Brustkrebs, das durch CYP2D6 in das wirksame Produkt Endoxifen verwandelt wird.

Nicht zuletzt die Behandlung von Krebspatienten mit Tumorvakzinen ist Teil der individualisierten Krebsmedizin, etwa durch Verwendung patientenspezifischer Krebsantigene oder Patientenzellen bei der Herstellung von Tumorimpfstoffen. Begonnen hatte die Forschungsrichtung durch Dr. Steven Rosenberg in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts beim Melanom.

Weit fortgeschritten ist heute die Impfstoffentwicklung auch beim Prostata- und Nierenzell-Ca sowie bei Vakzinen gegen Non-Hodgkin-Lymphome.Noch ganz in den Anfängen stecken derzeit Versuche, patienteneigene Zellen über induzierte pluripotente Stammzellen für die Therapie zu gewinnen, bei denen etwa körpereigene verjüngte Hautzellen zur Geweberegeneration verwendet werden. Einer der Pioniere dieser Forschung ist Professor Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge.

Durch die individualisierte Therapie können den Patienten wirksamere und sicherere Therapieoptionen angeboten werden. Die Leistungsträger müssten künftig mit geringeren Ausgaben für ineffektive Therapien rechnen. Der pharmazeutischen und diagnostischen Industrie schließlich eröffnen sich auch nach Auslaufen des "Blockbuster"-Modells attraktive ökonomische Perspektiven und somit auch Anreize für die Entwicklung neuer Medikamente, so ein Fazit des TA-Berichts.

Viele rechtliche Fragen der personalisierten Medizin sind noch nicht abschließend geklärt, wie Professor Christian Dierks, Facharzt für Allgemeinmedizin und Fachanwalt für Sozialrecht aus Berlin vor kurzem in der "Ärzte Zeitung" formulierte. Die Diskussion über die Konsequenzen der erweiterten diagnostischen Möglichkeiten werde daher in den kommenden Jahren zunehmen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Krebstagung muss ein Zeichen setzen

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Kommentare
Dr. Nabil Deeb 29.09.201023:41 Uhr

PersonalisierteTherapie beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) & Mammakarzinom in unserer Wissensgesellschaft !!!




Personalized therapy for non-small cell lung cancer (NSCLC) & breast cancer in our knowledge society !!!



Nabil DEEB
Arzt – Physician – Doctor
PMI-Registered Doctors''Association
53140 Bonn / GERMANY



Personalisierte Krebsmedizin in der Wissensgesellschaft :-

Das Proteom ist die Gesamtheit aller Proteine, die in einem biologischen System zu einem bestimmten Zeitpunkt anzutreffen sind. In einer einzigen Zelle können mehr als 100.000 verschiedene Proteine in höchst unterschiedlichen Mengen vorhanden sein. Während das Genom, also die in der DNA festgelegte Erbinformation, zeitlebens gleich bleibt, gibt das Proteom den jeweils aktuellen Zustand eines biologischen Systems wieder. Darauf beruht die Hoffnung der Proteomik, durch die Suche nach Veränderungen in der Proteinzusammensetzung, beispielsweise vor und nach Verabreichung eines Medikaments, die Chancen der medizinischen Behandlung zu verbessern. Biomarker sind charakteristische Muster bestimmter Moleküle, die spezifische biologische Vorgänge anzeigen. Sie können darüber Auskunft geben, ob ein Patient auf eine Behandlung anspricht.

Krebs hat molekulare Ursachen. Zufällige Mutationen in irgendeiner Körperzelle führen dazu, dass Wachstumssignale verstärkt, Reparatur- oder Schutzsysteme ausgeschaltet werden. Erst wenn mehrere dieser Erbgut-Veränderungen ungünstig zusammentreffen, entsteht Krebs. Da es immens viele mögliche Kombinationen von Genfehlern gibt, die zu einem ähnlichen Ergebnis führen können, ist jeder Tumor einmalig. Hinzu kommt, dass die ererbte genetische Grundausstattung des Patienten ebenfalls eine Rolle spielt. Es erscheint daher logisch, Krebserkrankungen zunächst molekular zu analysieren, um sie anschließend individuell behandeln zu können.

In der personalisierten Medizin werden Erkenntnisse aus der Molekularbiologie, der Diagnostik und der Therapie verknüpft. Dabei werden durch so genannte Biomarker Patientengruppen identifiziert, die auf eine bestimmte Therapie ansprechen, bei denen sie ohne Erfolg bleibt oder bei denen mit schweren Nebenwirkungen zu rechnen ist. Als Beispiele für die personalisierte Medizin wurden neue Behandlungsformen bei Krebs, AIDS und Rheuma genannt.

Grundsätzlich erfuhr die Suche nach Biomarkern in jüngster Zeit durch die Anwendung sogenannter Hochdurchsatzverfahren einen enormen Aufschwung. Abhängig von den molekularen Zielstrukturen kann die Suche nach krankheitsspezifischen Biomarkern auf folgenden molekularen Ebenen erfolgen:
• dem Genom (Suche nach Gen-Polymorphismen, SNP‘s)
• dem Transkriptom (die Gesamtheit aller zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle oder einem Gewebe hergestellten Boten-RNA-Moleküle)
• dem Proteom (die Gesamtheit aller zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle oder einem Gewebe synthetisierten Proteine) .

Auch wenn durch diese Strategie potenzielle Einzelmoleküle als Biomarker identifiziert werden können, so hat die Erfahrung gezeigt, dass gerade für die multifaktoriellen Erkrankungen wie Rheuma oder Krebs erst bestimmte Muster von mehreren pathologisch veränderten Molekülen in der Lage sind, klinisch sehr ähnliche Erkrankungen auf molekularer Ebene zu unterscheiden. Daher spricht man auch vom sogenannten Biomarker-Profiling.

Schädigungen der DNA-Sequenz verursachen nach neuen Erkenntnissen nur etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen. Genauso wichtig – und erheblich schlechter verstanden – sind die epigenetischen Ursachen von Krebs, bei denen die Steuerung des Erbguts dauerhaft gestört ist.

Die Chromosomen bestehen aus DNA neben etwa fünfzig Prozent aus Proteinen. Diese Proteine sind DNA-Verpackungsmaterial , steuern gezielt die Aktivierung und Deaktivierung von Genen , und sie ermöglichen den ca. 100 Billionen Zellen des Menschen, ihre spezifische Formen und Funktionen einzunehmen, obwohl diese Zellen ein- und dieselbe DNA-Sequenz

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