Hartnäckiger Husten

Pertussis-Welle in Deutschland bedroht vor allem Säuglinge

In Deutschland häufen sich aktuell Fälle von Keuchhusten. Das liegt vor allem an Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen. Besonders bedroht sind Neugeborene.

Von Ulrike von Leszczynski Veröffentlicht:
Infektionsgefahr: Nur jede dritte Mutter hat den empfohlenen Impfschutz gegen Keuchhusten.

Infektionsgefahr: Nur jede dritte Mutter hat den empfohlenen Impfschutz gegen Keuchhusten.

© Michael Kempf / fotolia.com

BERLIN. Die Zahl der Keuchhusten-Infektionen in Deutschland ist auf einen neuen Höchststand gestiegen. Im Jahr 2016 registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) 22.119 Fälle – mit Abstand die meisten seit dem Beginn der bundesweiten Meldepflicht im Jahr 2013. Damals waren es rund 12.600 Patienten pro Jahr, 2015 rund 14.000. "Wir sehen hier wahrscheinlich beides: Eine Krankheitswelle, aber auch eine zunehmend bessere Erfassung", sagte Wiebke Hellenbrand vom RKI zur Nachrichtenagentur "dpa". Impflücken begünstigten die Ansteckungen. Besonders gefährlich ist Keuchhusten für Neugeborene in den ersten Lebensmonaten. 2016 starben in Deutschland drei Säuglinge an der Infektion – das sind untypisch viele.

Seit Jahresbeginn wurden bereits 1554 neue Keuchhusten-Patienten an das RKI gemeldet. Hellenbrand kann nur vermuten, dass die Welle auch mit einem typischen Zyklus des Erregers zu tun hat: In Ostdeutschland werden Pertussis-Infektionen bereits seit 2002 erfasst. Höhepunkte waren die Jahre 2007 und 2012 – die Zeit könnte also wieder reif für einen Ausbruch sein. Der Schrecken, den Keuchhusten vor der Schutzimpfung seit den 1930er Jahren hatte, ist fast vergessen. Damals seien in Deutschland 10.000 Säuglinge pro Jahr an der hochansteckenden Infektion gestorben, so Hellenbrand. Die Bakterien verbreiten sich durch Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen oder Sprechen.

Bei der Einschulung waren nach den jüngsten RKI-Daten für 2014 fast 95 Prozent der Kinder bundesweit gegen Keuchhusten geschützt. Ganz anders bei den Erwachsenen – da ist es je nach Lebensalter nur jeder fünfte bis zehnte. Bei jungen Eltern hat ein Drittel einen Impfschutz, bei Schwangeren ein Fünftel. Dabei gelten Familien mit kleinen Kindern als Hauptrisikogruppe.

Jeder Mensch, der Kontakt mit einem Säugling hat, sollte gegen Pertussis geschützt sein (Kokonstrategie). "Insbesondere die niedrigen Impfquoten in den seit mehr als zehn Jahren definierten Indikationsgruppen sind besorgniserregend und stellen die Umsetzbarkeit der Kokonstrategie zum Schutz der besonders gefährdeten Säuglinge in Frage", schrieb das RKI vor drei Jahren in einer Situationsbeschreibung (Epi Bull 2014; 1: 1). Seither hat sich die Situation nicht verbessert.

"Keuchhusten ist bei der Bevölkerung und auch bei Hausärzten noch nicht vollständig im Bewusstsein", sagte Hellenbrand. Dazu kommt, dass die Impfung ihre Tücken hat. Sie muss immer wieder aufgefrischt werden. "Aber wir haben nichts Besseres." Allein bei Kleinkindern sind es vier Teilimpfungen gegen Keuchhusten. Dazu kommen zwei Auffrischungen, einmal im Kindes-, einmal im Jugendalter. Für Erwachsene wird ein Pertussis-Schutz zusammen mit der Auffrischung für Tetanus und Diphtherie empfohlen – aber vielfach einfach vergessen.

Die Impfung ist zudem nur mit Kombivakzinen mit Pertussis-Komponente möglich, was den Schutz kompliziert macht. Aktuell sind Impfstoffe auch immer wieder vergriffen. "Wahrscheinlich reicht der empfohlene Abstand von zehn Jahren auch nicht aus", sagte Hellenbrand. Erlischt der Impfschutz, können sich Menschen auch nach überwundener Infektion erneut anstecken.

Ist eine junge Mutter nicht geimpft, hat ihr Neugeborenes bis zur ersten Immunisierungsmöglichkeit im Alter von zwei Monaten keinen Schutz. Es gibt daher Überlegungen, Schwangeren die Impfung generell zu empfehlen, sagte die Expertin. Zumindest komme die Keuchhusten-Forschung mit der Meldepflicht nun voran. (dpa, Mitarbeit: eis)

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