Klinische Studie

Prinzipiell ist Insulin auch als Tablette möglich

Insulin als Tablette schlucken, statt es injizieren zu müssen? Ein experimentelles Präparat hat sich in einer Studie als ähnlich wirksam erwiesen wie ein Basalanalogon. Wegen der geringen Bioverfügbarkeit wurde die Entwicklung aber gestoppt.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel Veröffentlicht:
Insulin in Tablettenform würde vor allem den vielen Patienten mit Spritzenangst weiterhelfen.

Insulin in Tablettenform würde vor allem den vielen Patienten mit Spritzenangst weiterhelfen.

© Lydie - stock.adobe.com

SAN DIEGO. Insulin ist das wirksamste Antidiabetikum, und auch die meisten Typ-2-Diabetiker müssen im Verlauf der progredienten Erkrankung damit behandelt werden. Weil das Hormon aber gespritzt werden muss, verweigern sich aus Angst viele Zuckerkranke der Behandlung. Sie nehmen stattdessen lieber eine schlechte Blutzuckerkontrolle mit hohem Risiko für Folgeschäden in Kauf.

Für solche Patienten wäre die Entwicklung von Insulin in Tablettenform ein Segen. Bisher sind alle Anläufe gescheitert, das Hormon in einer anderen Applikationsform zu vermarkten. Ein inhalatives Insulin wurde vor einigen Jahren kurz nach der Einführung wieder zurückgezogen. Und Insulin zur oralen Applikation hat sich noch nicht entwickeln lassen.

Jetzt haben Forscher des Unternehmens Novo Nordisk die Ergebnisse einer doppelblinden Phase-2a-Studie eines oralen Insulins für Patienten Typ-2-Diabetes bei der 77. Wissenschaftstagung der amerikanischen Diabetesgesellschaft ADA vorgestellt. In die Untersuchung waren 50 Patienten einbezogen, deren Blutglukose unter Metformin mit oder ohne Gliptin nicht adäquat eingestellt war, wie die ADA in einer Mitteilung zum Kongress berichtet.

Die Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert. Gruppe 1 erhielt zusätzlich das orale acylierte Basalinsulin OI338GT in Form von Tabletten. Diese waren mithilfe einer speziellen Technik namens GIPET (Gastrointestinal Permeation Enhancement Technology) hergestellt worden. Zusätzlich gab es ein subkutan injiziertes Placebo. Umgekehrt in Gruppe 2: Hier erhielten die Probanden Placebotabletten, injiziert wurde das Basalanalogon Insulin glargin. Die Insulindosen wurden in beiden Gruppen mit dem Ziel auftitriert, einen Nüchtern-Blutzuckerwert von 80 bis 126 mg/dl zu erreichen. Nach acht Wochen wurde Bilanz gezogen.

Ergebnis: Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren nicht festzustellen. Unter OI338GT war die Nüchternplasmaglukose von anfangs durchschnittlich 175 mg/dl auf dann 129 mg/dl gesunken. Unter Insulin glargin gingen die Werte von 164 mg/dl auf 121 mg/dl zurück. Der HbA1c-Anteil hatte sich von 8,1 auf 7,3 Prozent und von 8,2 auf 7,1 Prozent zurückbewegt. Die Veränderungen beim Fruktosamin und beim C-Peptid glichen sich ebenfalls. Schwere Hypoglykämien kamen in keiner Gruppe vor.

Die Machbarkeitsstudie ist damit durchaus erfolgreich verlaufen. Das orale Basalinsulin OI338GT war dem subkutanen Insulin glargin in der Wirkung nicht unterlegen, und allgemein wurde es auch gut vertragen. Novo Nordisk hat die weitere Entwicklung dieser Formulierung aber inzwischen eingestellt: Die relativ geringe Bioverfügbarkeit treibt die nötigen Investitionen so stark nach oben, dass sich die Massenproduktion nicht rechnet. Grundsätzlich will man aber am Ziel eines Oralinsulins festhalten und forscht deshalb an effizienteren Möglichkeiten für die Resorption.

Orales Insulin zur Typ-1-Prävention

Die "Type 1 Diabetes Oral Insulin Study Group" untersucht, ob sich mit oralem Insulin bei Risikopersonen die Typ-1-Diabetes-Manifestation verhindern oder hinauszögern lässt. Beim ADA hat die Gruppe eine Studie mit 560 Probanden vorgestellt, berichtet die ADA in einer Mitteilung. Die Probanden hatten ein familiäres Risiko für Typ-1-Diabetes, und spezifische Autoantikörper deuteten bereits auf eine Diabetes-Vorstufe. Allerdings waren die Blutzuckerwerte noch normal. Ihnen wurden Kapseln mit kristallinem Insulin verabreicht.

Die Analyse nach zehn Jahren ergab: Insgesamt profitierte die Gruppe nicht von der Prävention. In einer Subgruppe von 55 Teilnehmern wurde der Ausbruch des klinischen Typ-1-Diabetes aber um gut zweieinhalb Jahre verzögert. Charakterisiert war die Gruppe durch Antikörper gegen Inselzellen oder Tyrosinphosphatase plus Glutamat-Decarboxylase sowie niedrige Insulinsekretion. Warum einige Menschen auf orales Insulin reagieren, soll weiter erforscht werden.

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