DGU-Kongress

„Raus aus der Diskussion mit dem IQWiG“ zum Thema Prostata-Ca

In der Kontroverse um die Prostatakarzinom-Früherkennung verlassen die Urologen die nationale Ebene und wollen die Frage EU-weit lösen.

Von Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Für die Früherkennung von Prostatakrebs wird der PSA-Test weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

Für die Früherkennung von Prostatakrebs wird der PSA-Test weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

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Leipzig. Mehr als zwei Millionen Männer in der EU leben mit einem Prostatakarzinom (PCa), jährlich erkranken 336.000 neu. Ohne Früherkennungsmaßnahmen sterbe einer von zwei bis drei Patienten daran, erklärte Professor Manfred Wirth von der TU Dresden beim DGU-Jahreskongress in Leipzig.

Wirth stellte das Weißbuch der EAU (European Association of Urology) vor, in dem der Europäischen Kommission Empfehlungen zur Früherkennung gegeben werden. Anlass war die Ankündigung Ursula von der Leyens bei ihrem Antritt als Kommissionpräsidentin, einen europäischen Krebsbekämpfungsplan (Europe’s Beating Cancer Plan) auf den Weg zu bringen. „Damit sind wir raus aus der Diskussion mit dem IQWiG“, sagte Wirth.

Gezielt und risikoadaptiert suchen!

Das Wort „Screening“ wird man künftig nicht mehr aus dem Mund von Urologen hören. „Früherkennung“ lautet die korrekte Vokabel. Denn es soll gezielt und risikoadaptiert gesucht werden mit dem Anspruch, früh und gegebenenfalls kurativ behandeln zu können, Metastasierungs- und Sterberaten zu senken bei zugleich niedrigen therapiebedingten Komplikationsraten, Vermeidung von Überdiagnostik und Übertherapie.

Dabei wird der PSA-Wert weiterhin eine zentrale Rolle spielen, ergänzt um neue Instrumente sowie der aktiven Überwachung bei lokal begrenzten Befunden. So war beim EAU-Kongress im Juli 2020 ein neuer Risikokalkulator zur Berechnung der Progressionswahrscheinlichkeit vorgestellt worden. Die invasive Diagnostik soll sich auf bestimmte Risikogruppen beschränken.

Aus der noch nicht veröffentlichten Deutschen Prostatakrebs-„Screening“-Studie (PROBASE) bei über 46.000 Männern über 45 Jahre geht hervor, dass nur 1,5 Prozent der Teilnehmer ein hohes Risiko haben, definiert mit einem PSA ≥3 ng/ml. Wichtig sei jedoch die Bestätigung eines hoch gemessenen PSA-Werts, erklärte Privatdozent Dr. Christian Arsov, Uniklinik Düsseldorf. Überraschenderweise bestätigten in der Studie nur etwa die Hälfte der Wiederholungstests zunächst deutlich erhöht gemessene Werte. Damit verblieben lediglich 186 Männer (0,8 Prozent) in der Hochrisikogruppe. Bei ihnen waren schließlich per Biopsie 45 Karzinome mit überwiegend günstigem Grading diagnostiziert worden.

mpMRT wird künftig mehr eingesetzt werden

Ein künftig vermehrt eingesetztes Instrument wird die multiparametrische Prostata-Magnetresonanztomografie (mpMRT) sein. Noch hängt die Detektionsgenauigkeit erheblich von der Erfahrung des Radiologen ab. Kombiniert man jedoch unklare MR-Befunde mit weiteren Risikokalkulatoren wie der PSA-Dichte (Verhältnis PSA-Wert/Prostatavolumen) und dem Durchmesser der Indexläsion, ließen sich bis zu 80 Prozent der MRT-gesteuerten Biopsien vermeiden, ohne relevant signifikante Karzinome zu übersehen, sagte Arsov.

In Schweden wird nach bereits erfolgreicher Pilotphase derzeit ein Screening bei Männern mit einem PSA ≥1,8 ng/ml und MRT prospektiv evaluiert. Durch das Hinzuziehen der MRT als Entscheidungskriterium für eine Biopsie wird der negative Vorhersagewert deutlich verbessert, während der relativ niedrige PSA-Wert für eine hohe Vorhersagesensitivität signifikanter Karzinome sorgen soll.

Eine ähnliche Studie (PRIMA) läuft in Deutschland. Sie soll Antworten auf die Fragen geben, ob bei unauffälliger MRT auf Biopsien ganz verzichtet werden kann, ob systematisch biopsiert werden muss oder ob eine gezielte MR-gesteuerte Biopsie ausreicht.

Deep-Learning-Algorithmen

Laborchemische Optionen für ein risikoadaptiertes Screening sind bestimmte Urinmarker oder die Bestimmung von PSA-Subfraktionen (Four Kallikrein-Panel), was derzeit ebenfalls bereits prospektiv geprüft wird.

Weiterhin könnten in Zukunft computerunterstützte Verfahren die derzeitige Variabilität von mpMRT-Befunden verkleinern und mehr Informationen aus der Bildgebung herausholen, als der Mensch analog in der Lage ist. Zusätzlich werden Deep-Learning-Algorithmen entwickelt, die verschiedene Befunde von klinischen, demografischen, bildgebenden Verfahren zusammenführen und unter Umständen Biopsien und genetische Analysen von Metastasen unnötig machen könnten.

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