Studie zeigt:

Schockfotos für Raucher funktionieren

Faule Zähne, verkrebste Lungen: Deutsche Raucher müssen sich auf Schockbilder auf ihren Zigarettenschachteln einstellen. Ab Mai will die Regierung so von Glimmstengeln abschrecken. Eine Psychologin hat nun gezeigt, dass die Taktik aufgehen könnte.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Zigarettenschachteln mit Warnbildern und Infos. Stimmt das Parlament zu, wird das auch bei uns bald Praxis.

Zigarettenschachteln mit Warnbildern und Infos. Stimmt das Parlament zu, wird das auch bei uns bald Praxis.

© Agostinis / picture alliance / dpa

Der Wechsel in ein neues Jahr bietet traditionell Anlass, mit schlechten Gewohnheiten zu brechen oder es zumindest zu versuchen. Ein Klassiker ist der Vorsatz, das Rauchen aufzugeben. Viele Raucherinnen und Raucher fassen ihn gleich mehrmals im Leben.

Eine probate Motivationshilfe war es ehedem, den Abstinenzkandidaten die organischen Folgen des Rauchens beim Durchblättern von Atlanten der Makropathologie vor Augen zu führen. Künftig ist das nicht mehr nötig. Es genügt dann, die Aufmachung von Zigarettenschachteln zu studieren.

Denn ab Mai 2016 sollen auch in Deutschland auf zwei Dritteln der Flächen neu produzierter Packungen nicht nur Warnhinweise, sondern nach dem Vorbild einer ganzen Reihe anderer Länder zudem noch drastische Abbildungen zu sehen sein - wie etwa von faulenden Zähnen, verkrebsten Lungen und schwärenden Raucherbeinen.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Tabakrichtlinie von 2014 hat das Bundeskabinett Mitte Dezember beschlossen. Der Bundestag muss zwar noch zustimmen. Doch das dürfte ebenso Formsache sein wie die Abweisung laufender Einsprüche gegen die Richtlinie beim Europäischen Gerichtshof.

Studie belegt Abschreckungseffekt

Ziel der Bebilderung von Zigarettenschachteln ist es, die Zahl der Raucher zu senken; was auch sonst. Doch wird dieses Ziel durch solche brachiale Volkspädagogik erreicht? Die übrig gebliebenen Raucher rauchen schließlich nicht deshalb weiter, weil sie nicht um die Gefährlichkeit ihrer Sucht wüssten.

Lässt sich der Abschreckungseffekt durch Gruselfotos wirklich steigern? Antworten darauf liegen bisher nur aus Beobachtungsstudien vor. Sie liefern zwar Hinweise, dass die gewünschten, das Rauchen verleidenden Wirkungen tatsächlich eintreten. Was bisher fehlte, war eine experimentelle Überprüfung.

Ein Team um die Psychologin Abigail Evans von der Ohio State University in Columbus hat diese Lücke nun geschlossen - und gezeigt: Die Bilder wirken abschreckend (PLoS ONE 2015; online 16. Dezember). Allerdings sollte man es pädagogisch nicht übertreiben.

Hinweise, Bilder und Textinformationen

Evans und Kollegen randomisierten 293 Raucher von durchschnittlich 16 bis 17 Zigaretten täglich ohne Hang zur Abstinenz im mittleren Alter von 34 Jahren in drei Gruppen. Gruppe 1 erhielt vier Wochen lang Packungen der gewohnten Marke mit den üblichen kurzen Textinformationen zur Schädlichkeit des Rauchens (wie "Rauchen verursacht Krebs").

Probanden in Gruppe 2 bekamen ihre Zigaretten in Schachteln mit abschreckenden Bildern und kurzem Text. Und Mitglieder der Gruppe 3 wurden Schachteln ausgehändigt, die neben den Schreckensbildern mit ausführlichen Textinformationen versehen waren.

Die Daten von 244 Versuchspersonen gelangten in die Auswertung. Dabei zeigte sich, dass Zigarettenschachteln mit Gräuelbildern mehr negative Gefühle dem Rauchen gegenüber auslösten als der alleinige Text. Das wirkte sich direkt auf die Absicht aus, mit dem Rauchen aufzuhören.

Zudem erhöhten die Fotos die Glaubwürdigkeit der aufgedruckten Textinformationen, außerdem erinnerten sich die betreffenden Probanden nach dem Ende der Studie besser und länger daran - ihr Wissen über die Risiken des Rauchens war gewachsen.

Das galt aber nur für die kurzen Texte. Umfangreichere Informationen über die Schädlichkeit von Tabak neben den Schockbildern senkten überraschend die Glaubwürdigkeit der Warnung.

Bilder machen Informationen glaubwürdig

"Negative Emotionen sind eine entscheidende Zutat erfolgreicher bildlicher Warnhinweise", konstatieren Evans und Mitarbeiter. Das ist insofern interessant, als 2012 ein US-Gericht einer Klage von Zigarettenherstellern stattgab und die Vorgabe der Gesundheitsbehörde FDA, entsprechende Bilder auf Zigarettenpackungen zu drucken, abwies.

Die Begründung: Die Bilder seien verfassungswidrig, es handle sich um unverfrorene Versuche, Emotionen zu wecken und die Verbraucher einzuschüchtern.

Im Gegensatz dazu betonen die Forscher um Evans den in ihrer Studie belegten Nutzen der negativen Gefühle. "Negative Affekte bewirkten, dass die Betroffenen die Informationen über die Risiken des Rauchens genauer prüften", schreiben sie.

Das habe die Informationen glaubwürdiger gemacht, die Risikowahrnehmung erhöht und die Absicht verstärkt, das Rauchen aufzugeben. Keineswegs habe sich der Effekt der bildlichen Warnhinweise darin erschöpft, den Rauchern Furcht einzujagen, um sie zum Tabakverzicht zu nötigen.

In der Kraft der abschreckenden Bilder sehen Evans und Kollegen eine wichtige Quelle für Gesundheitsinformationen, auf deren Basis Raucher informiert entscheiden können. Wem je ein Pathologieatlas half, die letzte Zigarette zu rauchen, wird dem nur zustimmen können.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 18.01.201613:22 Uhr

Die Macht der Bilder und unterschiedliche psychologische Ansätze

Dass Bilder eine ansprechendere, emotionalisierende und suggestivere Wirkung haben als reine Textinformationen ("Bleiwüste") ist in der Medienwissenschaft längst bekannt ("Bilder erzählen Geschichten"). Was mich stutzen lässt, ist die Tatsache, dass zumindest bei hochprozentigen Alkoholika Abbildungen von Leberzirrhose und Ösophagusvarizen unterbleiben, obwohl in beiden Fällen
1. der Staat über ein erhebliches Steueraufkommen an Absatz und Verbreitung interessiert ist,
2. Krankheits-, Sucht- und Abhängigkeitsrisiken in etwa gleich verteilt sind,
3. Spätfolgen erhebliche volks- und sozialwirtschaftliche Auswirkungen haben.

Vollends verwirrend ist, dass bei Risiko- und Extremsportarten beschönigend vom "kalkulierten Wahnsinn" die Rede ist: Denn wissen die meisten wirklich genau, was sie tun? Bei Basejumping, Fallschirm- oder Gleitschirm-Fliegen, Windsurfen, Kitesurfen, Extrembergsteigen bleiben auch bei geringen Fallzahlen die Morbidität- und Mortalitätsrisiken sehr hoch.

In diesem Zusammenhang wird vom Sportpsychologie-Professor Martin Kopp von der Universität Innsbruck behauptet, Professionelle Hochrisikosportler seien sich der Gefahren durchaus bewusst. Sie wüssten, dass ein kleiner Fehler tödlich ist, sie leugnen das Verletzungsrisiko nicht und sie zeigen auch keinen unrealistischen Optimismus, nach dem Motto "mir kann das aber nicht passieren". Sie hätten also k e i n "Sensation Seeking", k e i n übersteigertes Selbstvertrauen oder ein grob fahrlässiges Risikoverhalten?
http://www.aerztezeitung.de/panorama/sport/article/902214/extremsport-kalkulierter-wahnsinn.html

Das ist allerdings genau die gleiche Haltung, mit der ein ebenso riskantes Verhalten bei Alkohol- und Nikotinabusus bagatellisiert und dagegen wesentlich deutlicher mit amtlichen Warnhinweisen oder Jugendschutzgesetzen öffentlich missbilligt wird. Allerorten wird mit zweierlei Maß gemessen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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