200 Metabolite bestimmt

Sport verändert Fettstoffwechsel viel stärker als gedacht

Körperliche Aktivität hält fit, das ist bekannt. Eine australische Studie deutet jetzt darauf hin, dass die metabolischen Auswirkungen größer sind als gedacht – aber nicht alle profitieren.

Von Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Fitnesstraining – eine homogene Studiengruppe, etwa männliche Soldaten, ermöglicht es, bei der Beurteilung des Trainingseffektes Störgrößen wie Ernährung und Arbeitsbelastung weitgehend auszuschalten. (Symbolbild)

Fitnesstraining – eine homogene Studiengruppe, etwa männliche Soldaten, ermöglicht es, bei der Beurteilung des Trainingseffektes Störgrößen wie Ernährung und Arbeitsbelastung weitgehend auszuschalten. (Symbolbild)

© LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com

Sydney. Es wird eifrig gejoggt in Deutschland. Dem Herz-Kreislauf-System tut das gut, aber nicht nur dem Herz-Kreislauf-System.

Kardiologen um Yen Chin Koay vom Heart Research Institute der Universität Sydney haben jetzt eine sehr umfangreiche Analyse dazu veröffentlicht, wie genau sich der Stoffwechsel durch ein 80-tägiges Fitnessprogramm verändert (Cardiovascular Research 2020; doi: 10.1093/cvr/cvaa051). Die Probanden waren 52 junge, männliche Soldaten.

Störgrößen berücksichtigt

Zu den Besonderheiten der Studie zählte, dass Störgrößen wie Ernährung, Stress, Schlafgewohnheiten und Arbeitsbelastung weitgehend ausgeschaltet werden konnten. Dies lag im Wesentlichen daran, dass alle Studienteilnehmer im selben Wohnheim wohnten und als Jungsoldaten einen sehr einheitlichen Tagesrhythmus hatten.

„Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Stoffwechsel bei körperlicher Bewegung deutlich stärker anpasst als bisher berichtet wurde“, betont Dr. John O‘Sullivan von der Universität Sydney in einer Mitteilung der ESC zur Veröffentlichung der Studie. Die Arbeitsgruppe um O‘Sullivan hat die Studie initiiert.

Insgesamt wurden in Blutentnahmen vor und nach dem 80-tägigen Fitnessprogramm, das militärüblich sowohl Kraft- als auch Ausdauertraining umfasste, mit Flüssigchromatografie und Massenspektrometrie nach Art einer Metabolom-Analyse rund 200 unterschiedliche Metabolite bestimmt.

Veränderungen sind erheblich

Die Veränderungen waren teilweise erheblich. So veränderte sich insbesondere der Fettstoffwechsel durch intensives Training wesentlich stärker als bisher beschrieben, betonen die Autoren.

Konkret gehen die Spiegel von freien Fettsäuren hoch signifikant nach unten, eine bevorzugte Energiequelle von trainierter, relativ energieeffizient arbeitender Skelettmuskulatur. Der stark erhöhte Fettsäureverbrauch spiegelte sich auch in einer Verringerung der Malonat-Konzentration wider, die um mehr als den Faktor neun abfiel. Malonat wird für die Fettsäuresynthese benötigt.

Ebenfalls um mehr als den Faktor neun ging der Spiegel von Ketonkörpern zurück, auch das eine bevorzugte Energiequelle für einen trainierten Skelettmuskel. Bei untrainierten Muskeln spielen Ketonkörper als Energiequelle kaum eine Rolle.

Wachstumsfaktoren stimuliert

Angekurbelt wird der Lipidmetabolismus unter anderem von Wachstumsfaktoren. Passend dazu waren die beiden wachstumsfaktorstimulierenden Aminosäuren Arginin und Ornithin nach dem 80-tägigen Sportprogramm stark erhöht.

Auf Weg über Aminosäuren und Wachstumsfaktoren werden auch Lipolyse und Lipidoxidation stimuliert, sodass sich im Metabolom quasi der blutgefäßprotektive Effekt körperlicher Betätigung wiederfindet. Die Wissenschaftler fanden auch und erwartungsgemäß Hinweise auf einen erhöhten Eiweißkatabolismus sowie auf eine trainingsbedingte Aktivierung von sowohl Gerinnungssystem als auch fibrinolytischem System.

Fettstoffwechsel-Metabolit als Prädiktor

Interessant waren die Analysen zu Dimethylguanidino-Valeriansäure (DMGV), einem Metaboliten, der beim Arginin-Stoffwechsel und damit indirekt beim Fettstoffwechsel eine Rolle spielt. Die DMGV-Konzentrationen waren nach dem Sportprogramm höher als zum Zeitpunkt des Starts des Programms, aber es zeigten sich individuelle Unterschiede.

Die australischen Wissenschaftler konnten belegen, dass bei jenen Probanden, bei denen DMGV stärker zunahm, das Körperfett, der systolische Blutdruck, das LDL und das Gesamtcholesterin im Studienzeitraum eher anstiegen, sich das kardiovaskuläre Risikoprofil also verschlechterte. Im Mittel der Gesamtkohorte gingen diese und andere Parameter dagegen (erwartungsgemäß) zurück. Das alles ist auf Veränderungen im Body-Mass-Index adjustiert.

Wer profitiert besonders?

O’Sullivan und Kollegen interpretieren den Befund dahingehend, dass die DMGV-Veränderung unter Belastung einen Hinweis darauf geben könnte, wer von einem intensiven Sportprogramm kardiovaskulär mehr und wer weniger profitiert. Dies decke sich auch mit anderen Forschungsarbeiten der letzten Zeit, in denen DMGV als Prädiktor für koronare Herzerkrankung sowie kardiovaskuläre Mortalität beschrieben worden war: „Möglicherweise können wir durch DMGV-Messungen Menschen identifizieren, die andere Strategien als körperliche Betätigung benötigen, um ihr kardiovaskuläres Risiko zu senken,“ so O’Sullivan.

Insgesamt untermauern die umfangreichen metabolischen Daten aus Sicht der Wissenschaftler die zentrale Bedeutung, die körperliche Bewegung für die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen in der Breite hat. Die Wirkungen von Sport bestünden nicht nur in einer Senkung des Blutdrucks, des Gewichts und des Körperfetts, sondern auch in tiefgreifenden Veränderungen des Stoffwechsels, wodurch nicht zuletzt der Atherosklerose entgegengewirkt werde.

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