Diabetesmanagement

Uniklinik screent alle auf Diabetes und setzt voll auf die digitale Karte

Das Uniklinikum Essen setzt auf ein Paket, um die Sicherheit von Diabetes-Patienten zu erhöhen: Screening, proaktives Diabetesmanagement, kontinuierliche Glukosemessung und real-time Datasharing. Ein Einblick.

Von Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Eine Krankenschwester nimmt bei einer Patientin im Universitätsklinikum Essen eine digitale Blutzuckermessung vor.

Eine Krankenschwester nimmt bei einer Patientin im Universitätsklinikum Essen eine digitale Blutzuckermessung vor.

© Detlef Kittel / Universitätsklinikum Essen

Essen. Die Überraschung ist oft groß: Viele Patienten, die sich am Uniklinikum Essen in eine stationäre Behandlung begeben, erfahren dort erstmals etwas von ihrer Diabeteserkrankung. Denn das Uniklinikum will sich die Vorzüge digitaler, smarter Medizin zu Nutze machen.

Wie Privatdozentin Dr. Susanne Reger-Tan, Oberärztin in der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ erläutert, werden Patienten bei der Aufnahme systematisch auf Diabetes gescreent.

40 Prozent Diabetes-Prävalenz?

Reger-Tan, die das DDG Diabeteszentrum am UK Essen leitet, geht bei den jährlich stationär behandelten, mehr als 50.000 Patienten von einer Diabetes-Prävalenz von 20 bis 40 Prozent aus. Soweit es der Zustand des Patienten erlaubt, werde sofort nach der Diabetes-Diagnose mit der Schulung durch eine Fachkraft begonnen. Im Sinne der Digitalisierung setzt Reger-Tan bei allen Patienten auf den Einsatz von Gerätelösungen zum intermittierend scannenden Glukosemonitoring (iscCGM).

Das Gesamtpaket von Screening, proaktivem Diabetesmanagement, kontinuierlicher Glukosemesssung und real-time Datasharing soll sich positiv auf den stationären Verlauf auswirken, die Patientensicherheit erhöhen und dem medizinischen Team die Arbeit erleichtern. Wichtig sei auf jeden Fall, der persönliche Kontakt zwischen Patient und Diabetesberater, die Fragen rund um die Einstellung, das Handling der Glukosemessung und der Insulingabe beantworten können.

Dazu sagt Jasna Pavlovic, Diabetesberaterin/DDG an der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen der Universitätsmedizin Essen: „Die häufigsten Fragen betreffen den Datenschutz und Tragekomfort. Daneben befürchten Patienten, dass sie mit den zusätzlichen Informationen überfordert sein könnten. Allesamt Sorgen, die sich gut in einer persönlichen Beratung auflösen lassen.“ Wichtig sei es, stets im Gespräch zu bleiben und die Werte im Detail zu besprechen.

„Skeptischen Patienten empfehle ich, es testweise zu versuchen. Zurück zur manuellen Messung können sie immer noch. Doch die meisten sind danach überzeugt, weil sie durch die kontinuierliche Messung sich und ihren Stoffwechsel nochmals neu kennenlernen“, so Pavlovic. Sie könnten genau nachverfolgen, welchen Einfluss ihr Lebensstil und Essverhalten auf den Blutzucker haben. Das wirke sich positiv auf die Motivation der Patienten aus, selbst etwas dafür zu tun, ihre Blutzuckerprofile zu optimieren.

Die Alarmfunktion sorge dabei für ein hohes Sicherheitsgefühl, vor allem nachts. „Nach dem stationären Aufenthalt ist es für viele Patienten vorteilhaft, dass sie uns ihre Daten online zur Verfügung stellen können und wir sie telefonisch besprechen“, ergänzt Pavlovic.

Glukoseprotokolle in Patientenakte

Wie Reger-Tan betont, werden alle digital erfassten Zuckerwerte sofort als Glukoseprotokolle in die klinikeigene elektronische Patientenakte des jeweiligen Patienten eingestellt, so dass auch Kollegen auf anderen Stationen bei möglichen weiteren Eingriffen/Behandlungen über die Gesundheitskonditionen informiert sind. Die Oberärztin erhofft sich durch das digital gestützte Diabetesmanagement am Uniklinikum Essen zudem einen positiven Versorgungseffekt nach der Entlassung der Patienten.

Die häufigsten Fragen betreffen den Datenschutz und Tragekomfort. Daneben befürchten Patienten, mit zusätzlichen Infos überfordert sein zu können.

Jasna Pavlovic, Diabetesberaterin/DDG an der Universitätsmedizin Essen

Sie legt Wert darauf, dass ihr Haus explizit keine Konkurrenz zu den niedergelassenen Kollegen darstellt, sondern – über den Nutzen für den Patienten hinaus – die ambulante Versorgung erleichtert.

Patienten mit neu diagnostiziertem Diabetes könnten direkt an einen niedergelassenen Diabetologen angebunden werden, so dass die fachspezifische Betreuung auch ambulant gewährleistet ist. Diejenigen Patienten, bei denen bereits ein Diabetes bekannt war, könnten dem weiterbetreuenden Kollegen eine größere Informationsmenge über den Diabetesverlauf übermitteln, so Reger-Tan.

Im Einklang mit DDG-Digitalstrategie

Reger-Tans Ansatz passt perfekt in die Strategie der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) für eine digitalisierte Diabetesversorgung. Denn für die Diabetologie sieht die DDG in der Digitalisierung eine große Chance, medizinische Versorgung auf höchstem Niveau endlich flächendeckend zu gewährleisten. „Um dies zu realisieren, müssen strategisch relevante Daten der Patienten digital erhoben werden, aus denen dann Maßnahmen zur Verbesserung der Prävention, des Krankheitsverlaufs und der Versorgung entwickelt werden“, verdeutlicht DDG-Past-Präsident Professor Dirk Müller-Wieland.
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