Gemeinsamer Blick auf Herz und Hirn

Universitätsmedizin Göttingen eröffnet Heart & Brain Center

Das neue Forschungszentrum für 38 Millionen Euro soll es ermöglichen, mehr über organübergreifende Ursachen von Herz-Kreislauf- sowie Nervenkrankheiten in Erfahrung zu bringen.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs besichtigt beim Rundgang ein mit einem Echo-MRI ausgestattetes Labor. Hier wird für ein gemeinsames Forschungsprojekt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie sowie der Klinik für Geriatrie die Körperzusammensetzung einer Probandin analysiert.

Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs besichtigt beim Rundgang ein mit einem Echo-MRI ausgestattetes Labor. Hier wird für ein gemeinsames Forschungsprojekt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie sowie der Klinik für Geriatrie die Körperzusammensetzung einer Probandin analysiert.

© Heidi Niemann

Göttingen. Die komplexen Wechselwirkungen von Herz und Hirn erforschen – das ist das Ziel eines neuen Forschungszentrums, das am Donnerstag an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) eröffnet wurde. Für das „Heart & Brain Center Göttingen“ wurde eigens ein mit modernsten Laboren und Geräten ausgestatteter Neubau errichtet, der rund 38 Millionen Euro gekostet hat. Die Baukosten werden vom Bund und vom Land Niedersachsen getragen.

Mit dem neuen Zentrum erhalte Göttingen ein „vorbildliches medizinisches Ökosystem“ für die interdisziplinäre Forschung an Herz- und Gehirnerkrankungen, sagte Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD). Damit sei es möglich, mehr über organübergreifende Ursachen und Mechanismen von häufigen Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und des Nervensystems in Erfahrung zu bringen.

UMG-Vorstandssprecher Professor Wolfgang Brück verwies darauf, dass ein besonderer Fokus auf der translationalen Forschung liege. Die Ergebnisse sollten möglichst in die klinische Erprobung gebracht werden und Patienten zugutekommen.

Das Gebäude des Heart & Brain Center wurde bereits im Frühjahr 2023 fertiggestellt, inzwischen haben die elf Forschungsgruppen sowie fünf Infrastrukturgruppen Räumlichkeiten bezogen.

Systematische organübergreifende Forschung fehlt

Dass sich Herz und Hirn gegenseitig beeinflussen, ist seit langem bekannt. Eine systematische organübergreifende Erforschung der Faktoren, die sich auf Herz und Hirn auswirken, gibt es nach Angaben der Göttinger Universitätsmedizin dagegen bislang nicht. Das Konzept für die neue Forschungseinrichtung haben Professor Mathias Bähr, Direktor der Klinik für Neurologie, und Professor Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, entwickelt. Bähr ist Experte für Schlaganfälle und neurodegenerative Erkrankungen, Hasenfuß zählt zu den führenden Herzinsuffizienz-Forschern.

Die Forscher versprechen sich von dem parallelen Blick auf Herz und Hirn auch deshalb einen hohen Erkenntnisgewinn, weil beide Systeme grundlegende molekulare und funktionelle Gemeinsamkeiten aufweisen. Andere Körperzellen könnten sich durch Teilung immer wieder erneuern, Herz- und Hirnzellen könnten das größtenteils nicht, erläuterte Neurowissenschaftler Bähr. Mit zunehmendem Alter werden die Schutzmechanismen, die das kardiovaskuläre beziehungsweise neuronale Netzwerk funktionsfähig halten, durch die Dauerbelastung anfällig für Störungen.

Echtzeit-MRT um Beeinflussung zu untersuchen

Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass sowohl die Hirn- als auch die Herzzellen elektrisch erregbar sind. Diese Eigenschaft wollen die Wissenschaftler nutzen. Um zu untersuchen, wie Herz- und Gehirnfunktionen einander beeinflussen, steht ihnen unter anderem ein Echtzeit-MRT zur Verfügung. Damit lässt sich beispielsweise beobachten, wie sich Aktivitätsveränderungen im zentralen autonomen Netzwerk (CAN) auf die Herzfunktion auswirken. Auf der anderen Seite haben die Forscher festgestellt, dass eine pathologische Herztätigkeit zu einer verminderten Leistung des hirneigenen Reinigungssystems zu führen scheint.

In einem anderen Labor wird dagegen mit Hilfe der Elektroenzephalographie der Einfluss des Herzens auf die dynamische Gehirnaktivität und die Wahrnehmung untersucht. Nach Angaben der Göttinger Forscher deuten neue Erkenntnisse darauf hin, dass die Gehirnaktivität nicht nur durch externe Reize, sondern auch durch Körpersignale, beispielsweise vom Herzen, beeinflusst wird. Es fehle derzeit ein physiologisches Modell wie die Signale des Herzens und die neuronale Aktivität miteinander zusammenhängen. Mit Hilfe der Spiroergometrie wollen die Forscher zudem der Frage nachgehen, wie sich Bewegung auf Herz und Hirn auswirkt.

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