Schilddrüsenkrebs

Viele Überdiagnosen

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LYON. Der Anstieg von Schilddrüsenkrebs-Fällen in mehreren Industrieländern geht Experten zufolge zum großen Teil auf Überdiagnosen zurück.

Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC schätzt, dass in zwölf betrachteten Ländern innerhalb von zwei Jahrzehnten bei mehr als einer halben Million Menschen Tumore festgestellt wurden, die vermutlich zu Lebzeiten keine Beschwerden hervorgerufen hätten (NEJM 2016; 375:614-617).

Bei der großen Mehrheit dieser Fälle werde die gesamte Schilddrüse entfernt, erklärte Studienautorin Silvia Franceschi am Donnerstag. Daten aus Deutschland wurden in der Studie nicht berücksichtigt.

Extremstes Beispiel der Auswertung ist Südkorea, wo von 2003 bis 2007 etwa 90 Prozent der Schilddrüsenkrebs-Fälle bei Frauen Überdiagnosen gewesen sein sollen. Aber auch die USA, Italien und Frankreich sind dem Bericht zufolge stark betroffen.

Die Experten führen die Entwicklung auf neue Untersuchungstechnik und mehr Screening-Untersuchungen zurück. Das Problem wurde in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert, US-Mediziner hatten deshalb etwa bereits im Jahr 2013 in einer Studie strengere Ultraschallkriterien vorgeschlagen.

Die IARC-Experten raten in ihrem Artikel zu Vorsicht gegenüber systematischen Screening-Programmen für Schilddrüsenkrebs.

Zudem sei eine sorgfältige Beobachtung möglicherweise eine bessere Lösung für Patienten, bei denen Tumore mit niedrigem Risiko entdeckt werden. (dpa)

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Kommentare
Wolfgang P. Bayerl 19.08.201615:20 Uhr

ein altes Thema, das immer wieder aufgewärmt wird,

obwohl genau dadurch die Mortalität an Schilddrüsen-Ca deutlich GESUNKEN ist.
Ich stimme meinem Vorredner zu. Jeder Hausarzt kann heute (theoretisch) eine dazu führende Sonographie durchführen.
Komischerweise wird aber diese Diagnostik immer dann aus dem Sack gezogen, wenn man irgendwo in der Welt einen radioaktiven Strahlenschaden vermutet, oder sagen wir lieber unbedingt nachweisen möchte.

Lieber etwas mehr auf die kommerziellen Laien-Therapeuten achten, die zu sehr ins Kraut schießen, siehe Brüggen.

Manfred Krüger 19.08.201610:50 Uhr

Überdiagnosen???

Der Begriff "Überdiagnose" trifft nach meiner Ansicht nicht den Kern der Sache.
Eher könnte man von einer „Übertherapie" sprechen, wenn es keine ausreichende Indikation für eine Thyroidektomie gab.
Bei papillären und follikulären Schilddrüsenkarzinomen ist bei einer Größe von mehr als 1 cm eine Thyroidektomie mit nachfolgender Radioiodtherapie zur Elimination des verbliebenen Schilddrüsengewebes angezeigt. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin ist bei sogenannten Mikrokarzinomen eine Entfernung des betroffenen Lappens ausreichend.
Wer will die Frage beantworten, ob die behandelten Schilddrüsenkarzinome zu Lebzeiten keine Beschwerden hervorgerufen hätten oder aber nicht metastasiert hätten.Für die behandelnden Ärzte ergibt sich auf jeden Fall die Gewissensfrage, ob man ein Schilddrüsenkarzinom behandelt oder aber möglicherweise später vor den Kadi landet, wenn doch eine Metastasierung auftritt. Insbesondere in den USA dürften solche Fälle mit extrem hohen Schadensersatzforderungen verbunden sein.

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