Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Wenn die Stimmung aufs Herz schlägt
Einsamkeit, Zukunftsängste, familiäre Probleme - psychische Belastungen können Herz-Kreislauf-Erkrankungen negativ beeinflussen. Psychotherapeuten fordern daher das Screening auf solche Faktoren.
Veröffentlicht:KÖLN/MÜNCHEN/GÖTTINGEN. Subjektiv und aus der täglichen Erfahrung heraus ist jedem klar: Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben ihre Ursachen in einem Mix aus verhaltensbezogenen, biologischen und eben auch psychosozialen Faktoren. Zu letzteren gehören zum Beispiel ein niedriger sozioökonomischer Status, mangelnde soziale Unterstützung, Depressivität, Angst, posttraumatische Belastungsstörung oder auch bestimmte Persönlichkeitsmuster wie Feindseligkeit.
Diese Faktoren sind mit maßgeblich für den weiteren Verlauf etwa einer koronaren Herzkrankheit (KHK), einer Herzinsuffizienz oder von Herzrhythmusstörungen. Dafür gibt es Hinweise aus verschiedenen Studien.
Risiken richtig einschätzen
Aufgrund der Relevanz psychosozialer Faktoren sollte systematisch darauf gescreent werden, fordern die Professoren Christian Albus, Köln, Karl-Heinz Ladwig, München, und Christoph Herrmann-Lingen, Göttingen, in der "Deutschen Medizinischen Wochenschrift" (DMW 2014; 139: 596-601). Nur dann könne das Risiko angemessen eingeschätzt und gegebenenfalls bei der Behandlung berücksichtigt werden.
Für die ärztliche Anamnese empfehlen die Experten folgende Fragen, um entsprechende Risikofaktoren abzuklären:
Niedriger sozioökonomischer Status: Sind Sie Arbeiter oder Handwerker? Ist der Haupt- oder Volksschulabschluss Ihr höchster Bildungsabschluss?
Soziale Isolation: Leben Sie allein? Vermissen Sie eine oder mehrere Personen, denen Sie vertrauen und auf deren Hilfe Sie zählen können?
Berufliche und familiäre Belastung: Fühlen Sie sich bei Ihrer Arbeit häufig sehr stark gefordert? Vermissen Sie es, auf die Gestaltung Ihrer Arbeitsaufgaben Einfluss nehmen zu können? Erhalten Sie deutlich zu wenig Bezahlung oder Anerkennung für Ihren Arbeitseinsatz?
Machen Sie sich Sorgen um Ihren Arbeitsplatz oder Ihr berufliches Fortkommen? Haben Sie ernsthafte Probleme mit Ihrem Lebenspartner oder Ihrer Familie? Feindseligkeit und Neigung zu Ärger: Regen Sie sich häufig über Kleinigkeiten auf? Ist es für Sie schwierig, jemandem, der Sie ärgert, dies auch zu zeigen?
Nach einer offenen Frage nach dem seelischen Befinden können nach Angaben von Albus, Ladwig und Herrmann-Lingen bei unspezifischem Verdacht auf psychische Symptome oder Störungen folgende orientierende Fragen gestellt werden:
Depressivität: Haben Sie im vergangenen Monat oft unter Gefühlen von Niedergeschlagenheit, Depressionen oder Hoffnungslosigkeit gelitten? Haben Sie im vergangenen Monat oft unter geringem Interesse oder Freudlosigkeit gelitten?
Angst: Fühlen Sie sich häufig ängstlich, nervös oder angespannt? Fällt es Ihnen häufig schwer, Sorgen zu stoppen oder zu kontrollieren?
Posttraumatische Belastungsstörung: Leiden Sie unter plötzlichen, belastenden Erinnerungen in Bezug auf Ihre Erkrankung oder ein anderes schwerwiegendes Ereignis?
Therapieoptionen klären
Werden Fragen aus einem oder mehreren dieser Bereiche bejaht, weise das auf das Vorliegen psychosozialer (Risiko-)Faktoren hin, erklären Albus und seine Koautoren. Dies solle dazu veranlassen, die therapeutischen Optionen zu klären. Bei auffälliger Depressivität, Angst oder beim Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung empfehlen sie, die Diagnose durch eine fachärztliche oder psychotherapeutische Untersuchung stützen zu lassen.
Für die Behandlung bei Vorliegen psychosozialer Einflussfaktoren empfehlen die Psychotherapeuten fünf Optionen:
- Psychosomatische Grundversorgung: Hausärzte, Internisten und Kardiologen sprechen derartige Faktoren an, um damit die Krankheitsbewältigung zu unterstützen, sie nutzen dabei die Elemente der patientenzentrierten Kommunikation.
- Multimodale psychosoziale Interventionen, wenn die psychosomatische Grundversorgung nicht verfügbar oder unzureichend ist: Dazu gehören die ambulante und stationäre Rehabilitation mit Einzel- und/oder Gruppengesprächen.
- Entspannungsverfahren, Stressmanagement-Training
- Psychotherapeutische Behandlung bei psychischer Komorbidität
- Medikamentöse Behandlung bei psychischer Komorbidität, besonders bei mindestens mittelgradig ausgeprägter depressiver Symptomatik. Bei der Präparateauswahl müssen sorgfältig Warnhinweise, Kontraindikationen und mögliche medikamentöse Interaktionen beachtet werden. Trizyklische Antidepressiva sollen deswegen bei Herzpatienten nur im Ausnahmefall und mit besonderer Vorsicht verordnet werden.
Albus, Ladwig und Herrmann-Lingen betonen in ihrem Beitrag, dass vielfach unklar ist, inwiefern psychotherapeutische Maßnahmen sowie eine Psychopharmakotherapie die Prognose von Patienten mit Herzerkrankungen beeinflussen können. Im Vordergrund stehe daher in erster Linie das Ziel einer verbesserten Lebensqualität.