COVID-19-Splitter von Mai bis Juli

Wichtige Studienergebnisse zu Corona von Mai bis Juli

Neue Studienergebnisse zu COVID-19: Die „Ärzte Zeitung“ fasst täglich zusammen, was Forscher über das neuartige Coronavirus herausgefunden haben. Hier der Überblick für den Zeitraum von Mai bis Juli.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel und Marco MrusekMarco Mrusek und Denis NößlerDenis Nößler Veröffentlicht:
Illustration des neuen Coronavirus.

Illustration des neuen Coronavirus.

© RomoloTavani / Getty Images / iStock

Update vom 31. Juli

In einem neuen „Living Systematic Review“ empfehlen Autoren Glukokortikoide zur Therapie bei COVID-19. In den 23 für die Übersichtsarbeit ausgewerteten randomisiert-kontrollierten Studien fand die internationale Autorengruppe für diese Steroide die stärkste Evidenz („mäßige Sicherheit“). Die Gabe von Glukokortikoiden ist den Autoren zufolge die einzige Intervention mit Evidenz für eine Mortalitätssenkung gegenüber der Standardtherapie. Für Remdesivir fanden die Autoren eine „mittlere Sicherheit“ zur Verkürzung der Symptomdauer (-2,6 Tage gegenüber Standardtherapie). Für Hydroxychloroquin und Lopinavir/Ritonavir fanden die Autoren nur eine „niedrige Sicherheit“ (BMJ 2020; 370: m2980).

Schulschließungen könnten in den USA eine noch größere Ausbreitung der Corona-Pandemie verhindert haben. Das jedenfalls wollen Ärzte aus Ohio ermittelt haben anhand einer Modellanalyse der Fallzahlenentwicklung von Anfang März bis Anfang Mai im Bezug zu den Interventionen von 50 US-Bundesstaaten anhand einer Zeitreihe. Danach sollen die Schulschließungen mit einem signifikanten „Rückgang“ bei der Inzidenz von -62 Prozent pro Woche und bei der Mortalität mit -58 Prozent je Woche assoziiert sein. Der Effekt der Schulschließungen soll den Forschern zufolge am deutlichsten in den Bundesstaaten mit einer geringen kumulativen Inzidenz und frühen Maßnahmen ausgefallen sein: -72 Prozent je Woche versus -49 Prozent je Woche in Staaten mit hoher kumulativer Inzidenz. Allerdings waren die Fallzahlen im Beobachtungszeitraum nach offiziellen Angaben in den USA deutlich angestiegen. Das wird auch in der Arbeit deutlich, wo für alle nach Quartilen der kumulativen Inzidenz beobachteten Staaten die Zahl der Neuerkrankungen je 100.000 Einwohner in der Zeit nach den Schulschließungen deutlich höher war als in der Zeit davor. Den „Rückgang“ bei der Inzidenz beziehen die Autoren deshalb auf die wöchentliche Veränderungsrate. Dennoch bleibt auch in dieser Studienarbeit völlig offen, wie hoch der Effekt der Schulschließungen wirklich ist. Denn die Autoren räumen selbst ein, dass „viele Staaten zeitgleich mit oder kurz nach der Schließung von Schulen zusätzliche nicht-pharmazeutische Interventionen eingeführt haben, sodass es unmöglich ist, potenzielle Auswirkungen der Schulschließung vollständig zu isolieren“. Auch den Einfluss von Interventionen wie etwa verbesserter Händehygiene konnten die Wissenschaftler nicht kalkulieren (JAMA 2020; online 29. Juli).

Eine höhere Prävalenz und Mortalität von COVID-19 lässt sich nicht allein durch enge familiäre Kontakte mit mehreren Generationen erklären. Für Länder wie Italien mit einem höheren Vorkommen von Mehrgenerationenhaushalten war das in früheren Studien als Grund vermutet worden. Stattdessen sind diese Umstände eher auf schwächere Gesundheitssysteme vor Ort zurückzuführen, schreiben Wissenschaftler aus Wien (PNAS 2020; online 22. Juli).

Bei COVID-19-Patienten mit akuten neurologischen Symptomen sollte auch an große Gefäßverschlüsse gedacht werden. Für sie ist das Risiko 2,4-mal so hoch, haben US-amerikanische Forscher herausgefunden. Sie haben Daten von 329 Patienten ausgewertet, bei denen ein Schlaganfall vermutet wurde. 31,7 Prozent der COVID-19-Patienten hatte einen Schlaganfall mit großem Gefäßverschluss, bei den nichtinfizierten Patienten waren es 15,3 Prozent (Am J Roentgenol 2020; online 5. Juni).

Update vom 30. Juli

Reaktive T-Helferzellen bei über jedem dritten Gesunden haben Forscher der Berliner Charité und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG) gefunden. Sie haben Proben peripheren Bluts von 68 gesunden Probanden untersucht, die den Autoren zufolge nachweislich noch nie mit SARS-CoV-2 infiziert waren. Bei 24 der Probanden (35 Prozent) wiesen die CD4+-T-Zellen eine Reaktion auf das Spike-Protein des SARS-2-Coronavirus auf. Wie die Forscher herausfanden, reagierten die Helferzellen der gesunden Probanden vor allem auf den C-Terminus des Spike-Proteins, während bei COVID-19-Patienten die T-Zellen auf das gesamte Oberflächenprotein reagierten. Der C-Terminus von SARS-CoV-2 scheint identisch zu den endemischen humanen Coronaviren 229E und OC43 zu sein, weswegen die Forscher eine Kreuzreaktivität vermuten. Ob sich daraus auch eine Kreuzprotektivität ergibt, konnte die Forschergruppe aber nicht ermitteln (Nature 2020; online 29. Juli).

Eine einzelne Dosis der Adenovirus-basierten Vakzine Ad26.COV2.S hat Rhesusmakaken in einer kleinen Studie teilweise oder ganz vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützen können. 52 erwachsene Tiere erhielten je eine Dosis mit dem Impfstoff. Die Forscher verwendeten sieben verschiedene Varianten der Vakzine, in denen die Adenoviren das Erbgut mal für das ganze Spike-Protein enthielten, mal für Teile davon und mal mit verschiedenen Mutationen. Bei den 32 der mit Verum geimpften Affen zeigte sich nach zwei bis vier Wochen eine Immunantwort. Am stärksten fiel sie bei den Tieren aus, bei denen die Adenoviren das gesamte Spike-Protein mit drei zusätzlichen Mutationen kodierte (S.PP). Diese so geimpften Tiere waren in der sechsten Woche danach gegen eine SARS-CoV-2-Infektion geschützt. Die Forscher konnten bei ihnen nach der Inokulation mit den Viren keine replizierten Viren in der bronchoalveolären Lavage nachweisen (Nature 2020; online 30. Juli).

Schon Teile der Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins könnten als Impfstoff eine hinreichende Antikörperantwort auslösen, wie eine chinesische Forschergruppe zeigt. Sie haben Mäuse, Kaninchen und Makaken mit RBD-Teilen geimpft und konnten nach einer Einzeldosis bereits nach sieben bis 14 Tagen funktionale Antikörper messen. Makakenaffen schützte die Impfung außerdem vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 (Nature 2020; online 29. Juli).

In einer Untersuchung von 1293 Frauen in Kliniken in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania fanden Forscher bei 80 von ihnen IgG- und/oder IgM-Antikörper gegen das Virus. Alle Frauen waren schwanger und kurz vor der Entbindung. Die serologische Prävalenz (6,2 Prozent gesamt) war jedoch je nach Ethnie unterschiedlich hoch: 9,7 Prozent bei Menschen schwarzafrikanischer Abstammung und 10,4 Prozent bei Hispanic- und Latino-Amerikanern versus 2,0 beziehungsweise 0,9 Prozent bei weißen beziehungsweise Frauen asiatischer Abstammung. Bei immerhin 64 Prozent der werdenden Mütter mit Serokonversion (47 von 72 Frauen) konnten die Forscher zudem per Nasopharyngealabstrich einen positiven PCR-Nachweis auf SARS-CoV-2 führen (Science Immunology 2020; 5(49): eabd5709).

Kopfschmerzen als Symptom einer SARS-CoV-2-Infektion sind „bemerkenswert heterogen“. So wurden die unterschiedlichen Schmerzen in einer Befragung spanischer Forscher beschrieben. Am häufigsten waren die Schmerzen hemi- oder holokraniell (46 beziehungsweise 42 Prozent), etwas seltener okzipital lokalisiert (18 Prozent). Der Schmerzcharakter wurde meistens (zu 80 Prozent) als drückend beschrieben. Pulsierende Schmerzen waren insgesamt selten (sieben Prozent), bei einer Migräneanamnese etwas häufiger (20 Prozent). Körperliche Aktivität beziehungsweise Kopfbewegungen führten bei etwa der Hälfte der Patienten zu einer Verstärkung der Schmerzen. Bei einem beträchtlichen Teil der Erkrankten waren die Kopfschmerzen außerdem mit Phono- oder Photophobie verbunden (41 beziehungsweise 29 Prozent). Unter Übelkeit litten weniger als 20 Prozent (Headache 2020; online 15. Juli). (bs)

Auch bei SARS-CoV-2-infizierten Frauen erhöht sich das Thrombose-Risiko, wenn sie schwanger sind, Östrogen-haltige Verhütungsmittel oder eine Hormonersatztherapie nutzen. Das hat eine Studie erneut bestätigt. Bei Komplikationen kann es nötig werden, dass diese Frauen entweder eine Therapie mit Antikoagulanzien erhalten oder die Medikation absetzen. Hintergrund ist, dass Östrogen während der Schwangerschaft bekanntlich die Bildung von Blutgerinnseln fördert, eine bekannte Komplikation bei COVID-19 (Endocrinology 2020; online 29. Juli).

Regionale Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Neuinfektionen sind deutlich effektiver und mit geringeren Einschränkungen verbunden als national verordnete Maßnahmen, solange die Zahl der überregionalen Infektionen gering ist. Das hat eine Simulation eines Forscherteams vom Max-Planck-Institut in Göttingen ergeben, die auf dem Preprint-Server MedRxiv zugänglich ist. Dafür sollten die Schwellenwerte jedoch gesenkt werden, ab denen lokale Einschränkungen angeordnet werden. Die Autoren schlagen einen Schwellenwert von zehn Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen vor, aktuell liegt dieser Wert bei 50 Neuinfektionen (MedRxiv 2020; online 24. Juli).

Ein virales Enzym, das für die Replikation und Ausbreitung von SARS-CoV-2 wichtig ist, haben Forscher aus Frankfurt identifiziert. Das Virus lässt das Enzym mit Namen papain-like protease (PLpro) von der Wirtszelle synthetisieren und unterdrückt damit die unspezifische Immunantwort des Körpers. Hemmt man das Enzym pharmakologisch, blockiert das die Virusvermehrung, außerdem wird die Immunantwort nicht mehr unterdrückt (Nature 2020; online 29. Juli).

Update vom 29. Juli

Auch milde COVID-19-Verläufe beeinträchtigen wohl dauerhaft das Herz. Das ist das Ergebnis einer Studie von Frankfurter Kardiologen. Bei 78 Prozent ihrer Patienten, die eine SARS-CoV-2-Infektion überstanden hatten, stellten sie im späteren Verlauf Auffälligkeiten im MRT fest, obwohl die Infektion meist mild verlief. Insgesamt 100 Patienten haben sie im Schnitt 71 Tage nach der Diagnose untersucht. 60 Prozent der Patienten wiesen zu diesem Zeitpunkt noch Anzeichen für eine myokardiale Inflammation auf. Klinisch ins Auge fällt, dass 36 Prozent der Patienten auch nach der überstandenen Akutinfektion über anhaltende Kurzatmigkeit und allgemeine Erschöpfung berichteten. Einige Patienten klagten über atypischen Brustschmerz (17) oder Palpitationen (20 Patienten) (JAMA Cardiol 2020; online 27. Juli). (vsc)

Mehr als ein Drittel (73) aller Nationen weltweit laufen Gefahr, nicht genug antiretrovirale Medikamente gegen HIV zur Verfügung stellen zu können, 24 davon haben bereits „kritisch geringe Bestände“. Der Grund dafür sind Störungen im Produktionsablauf oder ähnliches aufgrund der COVID-19-Pandemie. Das geht aus einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO hervor. Insgesamt 8,3 Millionen Menschen erhielten in diesen 24 gefährdeten Ländern aktuell eine antiretrovirale Therapie. „Diese Erkenntnisse sind tief besorgniserregend“, wird WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus in einer Mitteilung zur Studie zitiert (JAMA Network 2020, online 21. Juli).

SARS-CoV-2 lässt sich in vielen Fällen im Herzgewebe von COVID-19-Toten nachweisen, ohne dass myokarditisartige Entzündungsprozesse vorliegen. Das berichten Hamburger Kardiologen. Dafür wurden 39 Verstorbene mit diagnostizierter SARS-CoV-2-Infektion im April 2020 autopsiert, bei 24 fiel ein Test des Herzgewebes auf SARS-CoV-2 positiv aus. Diese Patienten hatten auch eine erhöhte Zytokin-Genexpression, das untermauere, dass Zytokin-induzierte Organschäden zum Krankheitsprozess beitragen (JAMA Cardiol 2020; online 27. Juli). (sj)

Der primäre Studienendpunkt der COVACTA-Phase-III-Studie zur Wirksamkeit von Tocilizumab bei hospitalisierten Patienten mit schwerer COVID-19-assoziierter Pneumonie wurde nicht erreicht. Verglichen mit Placebo unterschied sich der klinische Status der Verum-Patienten statistisch nicht signifikant, teilt der Hersteller Roche mit. Es gab keinen Unterschied in der Sterblichkeit oder statistisch signifikanten Unterschied bei den beatmungsfreien Tagen der beiden Gruppen. Die Zeit bis zur Krankenhausentlassung oder einem Status „bereit zur Entlassung“ war zwar kürzer in der Tocilizumab-Gruppe, der Unterschied kann jedoch nicht als statistisch signifikant betrachtet werden, da der primäre Endpunkt „verbesserter klinischer Status“ nicht erreicht wurde.

Update vom 28. Juli

Senioren in Deutschland sind trotz der Corona-Maßnahmen mehrheitlich psychisch stabil. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Studie der Universität Leipzig mit 1005 Senioren im Alter von 65 bis 94 Jahren. Die selbst angegebenen Bewertungen zu Depressivität, Ängstlichkeit, Somatisierung und Einsamkeit unterschieden sich nicht von den Resultaten, die man für die deutsche Allgemeinbevölkerung aus der Zeit vor der Pandemie kennt. Die Studienergebnisse sind beim Journal Epidemiology and Psychiatric Sciences eingereicht und bereits über den Preprint-Server PsyArXiv zugänglich (online 15. Juli 2020).

Einen rascheren Test auf SARS-CoV-2 haben Wissenschaftler aus Heidelberg entwickelt. Statt wie üblich auf Real-Time-Quantitative-PCR (RT-qPCR) stützt sich der Test auf die Reverse-Transcription-Loop-Mediated-Isothermal-Amplification (RT-LAMP). Der Vorteil: Statt mehrere Stunden die virale RNA in Zyklen mit unterschiedlichen Temperaturen vervielfältigen zu müssen, dauern die nötigen RT-LAMP-Zyklen nur 30 Minuten bei gleichbleibender Temperatur. Die Sensitivität des Tests geben die Forscher mit 97,5 Prozent an, die Spezifität 99,7 Prozent. Das Nadelöhr im Labor, etwa die Aufbereitung der Proben, RNA-Isolierung, wird damit allerdings nicht beseitigt. Die Virologen haben daher versucht, die Notwendigkeit der zeitaufwändigen Probenaufbereitung und RNA-Isolation für Labore in einer zweiten Testversion zu umgehen. Dabei sank die Sensitivität aber auf 86 Prozent bei 99,5 Prozent Spezifität. Bei der derzeitigen SARS-CoV-2-Prävalenz in Deutschland von 0,27 Prozent entspräche das einem positiv-prädiktiven Wert (PPV) von 31,4 Prozent (Sci Transl Med 2020; online 27. Juli).

Update vom 27. Juli

Wie SARS-CoV-2 olfaktorische Zellen befällt und beeinflusst, haben Harvard-Forscher untersucht. Das Virus befällt Epithelzellen, die bestimmte Moleküle für den Zelleintritt exprimieren. Dabei sind zwei Gene von Bedeutung, das bereits bekannte ACE2 und TMPRSS2. ACE2 wird vor allem in Unterstützungs-Zellen, nicht in Neuronen exprimiert. Der Befall von Nicht-Neuronen führe in der Folge zu Anosmie und verwandten Beeinflussungen der Geruchswahrnehmung, schreiben die Wissenschaftler um David Brann (Sci Adv 2020; online 24. Juli).

Nicht-infizierte Verwandte von SARS-CoV-2-Patienten können eine Immunantwort ohne Serokonversion entwickeln, also ohne einen positiven Antikörpernachweis auf eine stattgehabte Infektion zu haben. Das haben französische Forscher herausgefunden und ihre Ergebnisse auf dem Preprint-Server „Medrxiv“ veröffentlicht. Untersucht wurden sieben Familien mit neun Indexpatienten und acht Kontaktpersonen sowie zehn gesunden Kontrollpersonen. Die Patienten erholten sich von milden COVID-19-Verläufen. Sechs der acht Kontaktpersonen entwickelten COVID-19-Symptome innerhalb von sieben Tagen, waren aber SARS-CoV-2-seronegativ. Diese kleine Fallserie könnte die Diskussion um die Immunogenität beflügeln. Zuletzt hatten wiederholt Berichte über rasch sinkende Antikörpertiter Zweifel aufkommen lassen, wie wirksam Impfungen sein könnten (22. Juni 2020).

Ein Extrakt einer essbaren Alge hat in Zellstudien eine bessere antivirale Wirkung gegen SARS-CoV-2 gehabt als Remdesivir. Eine Heparin-Variation, die keine antikoagulatorischen Eigenschaften mehr hatte, hatte eine gleich gute Wirkung, haben Forscher aus New York entdeckt. Den Effekt der beiden Polysaccharide erklären die Wissenschaftler damit, dass das Spike-Protein des Virus diese mit dem ACE2-Rezeptor auf der Oberfläche menschlicher Zellen verwechselt. Das Virus ist so an die Polysaccharide statt an eine Zelle gebunden und degradiert später einfach auf natürliche Weise (Cell Discov 2020; online 24. Juli).

SARS-CoV-2 verbirgt sich mit einem Tarnprotein vor dem menschlichen Immunsystem. Über das Nicht-Struktur-Protein nsp16, mit dem das Virus seine RNA-„Kappe“ modifiziert, weist das Virus seine eindringende RNA als zelleigen und nicht als fremd aus. Wird das Protein gehemmt, erkennt das Immunsystem den Eindringling und kann es attackieren, haben Wissenschaftler aus Texas herausgefunden (Nat Commun 2020; online 24. Juli).

Hospitalisierte COVID-19-Patienten haben nicht häufiger einen Schlaganfall, obwohl sie meistens Risikofaktoren wie Hypertonie und Diabetes haben. Das haben Forscher aus Pennsylvania entdeckt. Die Wissenschaftler haben Daten von 844 COVID-19-Patienten ausgewertet, 2,4 Prozent der Patienten hatten einen Schlaganfall. „Das Risiko für COVID-19-Patienten, einen Schlaganfall zu bekommen, ist gering und liegt an den Risikofaktoren, nicht am Virus“, wird Professor Brett Cucchiara von der Universität Pennsylvania in einer Mitteilung zur Studie zitiert (Stroke 2020; online 20. Juli).

Update vom 24. Juli

Der Corona-Ausbruch bei Tönnies geht wohl auf ein Superspreader-Ereignis zurück mit Übertragungen über weite Distanzen in klimatisierten Arbeitsbereichen. Die im größten Fleischverarbeitungskomplex Deutschlands herrschenden Arbeitsbedingungen (niedrige Temperatur, geringe Frischluftzufuhr, konstante Luftumwälzung durch eine Klimaanlage und körperlich anstrengende Arbeit) haben dabei offenbar die Aerosol-Übertragung von SARS-CoV-2 in einem Umkreis von über acht Metern um die Indexperson herum ermöglicht, berichtet das Forscherteam vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und vom Heinrich-Pette-Institut. Die Wohnsituation der Arbeiter spielte bei dem Ausbruchsgeschehen demnach keine wesentliche Rolle. Für die Wissenschaftler stellt sich nun die Frage, unter welchen Bedingungen auch in anderen Situationen Übertragungsereignisse über größere Entfernungen möglich sind (PrePrint-Server SSRN; online 23. Juli).

Alltagsmasken sollten mindestens aus zwei Schichten Stoff bestehen, um Tröpfchen und Aerosole effektiv einzufangen. Zu diesem Ergebnis kommen australische Wissenschaftler von der University of New South Wales in Sydney. Sie hatten drei unterschiedliche Maskentypen miteinander verglichen: einschichtige Alltagsmasken, zweischichtige Alltagsmasken und dreischichtige Op-Masken. Am effektivsten waren, wenig überraschend, die dreischichtigen Op-Masken. Allerdings zeigten sich zwischen den ein- und zweischichtigen Alltagsmasken signifikante Unterschiede, so Dr. Raina MacIntyre und Kollegen. Zwar reduzierte bereits eine einschichtige Maske den Tröpfchen- und Aerosol-Ausstoß beim Sprechen, Husten oder Niesen, der Effekt war bei zweischichtigen Masken aber deutlich stärker, wie die Wissenschaftler per High-Speed-Kamera feststellten. Die Alltagsmasken in den Versuchen bestanden aus Baumwolle, andere Materialien könnten Aerosole und Tröpfchen möglicherweise besser zurückhalten, schränken die Forscher ihre Ergebnisse ein (Thorax 2020; online 23. Juli).

Wenn Mütter mit Neugeborenen Hygienestandards einhalten, ist eine perinatale Übertragung von SARS-CoV-2 auf das Kind sehr unwahrscheinlich. Das zeigt eine kleine US-Studie mit 116 SARS-CoV-2-positiven Müttern. Die Mütter brachten insgesamt 120 Kinder auf die Welt, keines der Kinder war bei der Geburt Virus-positiv. In den meisten Fällen (83 Prozent) war die Mutter mit ihrem oder ihren Kindern im selben Raum untergebracht. Den Müttern war das Stillen ihres Kindes erlaubt, wenn sie eine Maske anlegten und Hand- und Brusthygiene einhielten. 96 Prozent der Kinder konnten nach sieben Tagen erneut auf SARS-CoV-2 getestet werden, einige Mütter waren für eine Testung nicht mehr erreichbar. Bei keinem der Kinder wurde das Virus nachgewiesen. Nach 14 Tagen konnten noch 88 Prozent der Kinder getestet werden, auch nach diesem Zeitraum wurde bei keinem SARS-CoV-2 entdeckt. „Wenn die Hygienestandards eingehalten werden, ist ein perinatale Übertragung des Virus äußerst unwahrscheinlich, selbst wenn Mutter und Kind im selben Raum untergebracht sind“, lautet das Fazit der Pädiater (Lancet 2020; online 23. Juli).

Zumindest Klinikmitarbeiter könnten sich zu Hause per Selbstabstrich auf SARS-CoV-2 testen, denn die Übereinstimmung mit professionellen, in der Klinik durchgeführten Abstrichen scheint gut. Forscher der Universität Washington kommen in einer Studie mit 185 Personen zu einer Sensitivität und Spezifität der Selbstabstriche von 80,0 und 97,9 Prozent. Die statistische Maßeinheit Cohens Kappa betrug 0,81, was auf eine definitionsgemäß „beachtliche“ Übereinstimmung hinweist, so die Forscher. Allerdings waren 85 Prozent der Teilnehmer Klinikmitarbeiter, ob der Durchschnittsbürger ebenso gut einen Selbstabstrich durchführen kann, ist fraglich. Dennoch lässt sich aus einem weiteren Studienergebnis ein generelles Fazit für den Selbstabstrich zu Hause ziehen: Denn bei sieben Patienten erbrachte der Selbstabstrich ein falsch negatives Ergebnis. Die entsprechenden Proben waren im Mittel sechs Tage nach den ersten Symptomen entnommen worden, die Richtig-positiven Selbstabstriche dagegen schon nach vier Tagen. Die Selbsttestung solle daher vorzugsweise zu Beginn einer Corona-verdächtigen Symptomatik durchgeführt werden, wenn die höchste Viruslast zu erwarten sei, betonen die Studienautoren (JAMA Netw Open 2020; online 22. Juli). (mf)

Update vom 23. Juli

Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität Heidelberg, nachdem sie Daten zu allen gemeldeten COVID-19-Fällen aus China, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Südkorea, Spanien, der Schweiz und den USA analysiert haben – insgesamt mehr als 1,2 Millionen Fälle. Die Mortalitätsrate variierte in den verschiedenen Ländern enorm: In Italien lag sie mit 9,2 Prozent am höchsten, in Deutschland mit 0,7 Prozent am niedrigsten. „Die Altersverteilung der COVID-19-Fälle erklärt 66 Prozent der Unterschiede zwischen den Ländern“, schreiben die Forscher um Dr. Nikkil Sudharsanan. Altersbereinigt haben sie für COVID-19 eine Mortalitätsrate von 1,9 Prozent berechnet. Die Unterschiede könnten durch ein „selektives Testen“ erklärt werden, so die Forscher, mit dem vor allem ältere Personen fokussiert würden. Um internationale Vergleiche etwa in Studien anzustellen, müsse daher die altersadjustierte Fallsterblichkeit herangezogen werden (Ann Intern Med 2020; online 22. Juli).

Chloroquin verhindert nicht den Eintritt von SARS-CoV-2 in humane Lungenzellen und kann auch die Weiterverbreitung des Virus nicht hemmen, berichten Forscher aus Göttingen. Zuvor hatten unter anderem Tierversuche hoffen lassen, Chloroquin könnte ein Kandidat zur Therapie bei COVID-19 sein, denn das Malariamedikament konnte die Infektion von Affen-Nierenzellen mit SARS-CoV-2 hemmen. Das Fazit von Dr. Markus Hoffmann vom Deutschen Primatenzentrum und Kollegen lautet nun aber: „Chloroquin sollte nicht für die Behandlung von COVID-19 eingesetzt werden.“ Außerdem weisen die Forscher darauf hin, dass bei künftigen Testungen von potenziellen COVID-19-Medikamenten von Anfang an darauf geachtet werden sollte, relevante Zelllinien für die Untersuchungen einzusetzen (Nature 2020; online 22. Juli).

Antikörpertiter von COVID-19-Patienten mit milden Symptomen halbierten sich in einer kleinen Studie mit 34 Patienten im Median 73 Tage nach der Genesung. Innerhalb eines Jahres könnten damit Antikörper gegen SARS-CoV-2 und ihre Schutzwirkung vollständig verschwunden sein. Die Studienautoren von der University of California, Los Angeles, warnen daher vor Immunitätspässen (NEJM 2020; online 21. Juli).

Das Pasteurisieren von Muttermilch inaktiviert SARS-CoV-2 zuverlässig, legt eine kanadische Studie nahe. Gespendete Muttermilch aus Milchbanken könne so bearbeitet gefahrlos für Frühgeborene eingesetzt werden. „Falls eine Frau mit COVID-19 Muttermilch spendet, und diese durch Übertragung über die Brustdrüse, Atemtröpfchen, Haut oder Milchpumpen mit SARS-CoV-2 infiziert ist, kann die Milch durch Pasteurisierung mithilfe des Holder-Verfahrens für den Verzehr sicher gemacht werden“, berichten Dr. Sharon Unger und ihre Kollegen von der Universität Toronto (CMAJ 2020; online 9. Juli). (js)

Update vom 22. Juli

Deutlich mehr Fälle von diabetischer Ketoazidose bei Kindern und Jugendlichen wurden in Deutschland in den ersten zwei Monaten der Corona-Pandemie festgestellt, berichten Ärzte von der Universität Gießen. Die akute lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung geht bekanntlich oft mit einer verspäteten Diagnose von Typ-1-Diabetes einher. Für ihre Studie analysierte das Team um Dr. Clemens Kamrath die Daten des deutschen Registers der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation, in dem die Krankheitsverläufe von etwa 90 Prozent aller pädiatrischen Patienten mit Typ-1-Diabetes hierzulande erfasst sind. Zwischen dem 13. März 2020 und dem 13. Mai litten 44,7 Prozent der jungen Diabetespatienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits unter einer diabetischen Ketoazidose. 2019 waren es im selben Zeitraum lediglich 24,5 Prozent gewesen, 2018 im selben Zeitraum 24,1 Prozent. Das höchste Risiko für die Stoffwechselentgleisung hatten dabei Kinder unter sechs Jahren. Auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit schweren diabetischen Ketoazidosen nahm zu: 2020 wurde bei 19,4 Prozent der in diesem Zeitraum erfassten Patienten eine schwere diabetische Ketoazidose festgestellt, 2019 waren es nur 13,9 Prozent, und im Jahr 2018 waren es 12,3 Prozent der Patienten (JAMA 2020; online 20. Juli).

Update vom 21. Juli

Zwei weitere COVID-19-Impfstoffkandidaten haben in Phase-I/II-Studien positive Ergebnisse erzielt. Die Daten zu den beiden Studien wurden zeitgleich im Fachjournal „Lancet“ publiziert. Die von der Universität Oxford entwickelte Vakzine „ChAdOx1 nCoV-19“ wurde an 543 Probanden im Alter zwischen 18 und 55 Jahren verimpft und habe eine starke Immunreaktion hervorgerufen, berichten die Forscher um Pedro Folegatti. Allerdings waren unerwünschte milde bis moderate Wirkungen wie Kopfschmerz, Myalgie, Fieber und Rötungen recht häufig: 67 Prozent der Impflinge gaben derartige Symptome an. Schwere Nebenwirkungen traten aber nicht auf, der Kandidat zeige daher ein „akzeptables“ Sicherheitsprofil, so die Forscher. Der zweite Impfstoffkandidat, eine auf einem nicht-replizierenden adenoviralen Vektor basierende Vakzine, wird von dem chinesischen Unternehmen CanSino entwickelt. Der Kandidat wurde an 508 Probanden über 18 Jahren verimpft und habe eine signifikante Immunantwort hervorgerufen, berichtet das Team um Feng-Cai Zhu. Schwere unerwünschte Wirkungen sind den Ergebnissen zufolge auch hier nicht aufgetreten (Lancet 2020; online 20. Juli und Lancet 2020; ebenfalls online 20. Juli).

Sowohl chirurgische Masken als auch FFP2-Masken können die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit gesunder Probanden senken, wie Wissenschaftler des Universitätsklinikums Leipzig herausgefunden haben. Die Untersuchungen, an denen allerdings nur zwölf Probanden teilgenommen hatten, ergaben, dass Atemvolumen sowie Atemgeschwindigkeit durch das Tragen einer Maske beeinträchtigt wurden. Zudem war die Kraft der Probanden am Fahrrad-Ergometer deutlich reduziert, und es zeigte sich eine schnellere Verringerung des Blut-pH-Wertes bei Anstrengung. Dennoch sehen die Kardiologen ihre Studienergebnisse keineswegs als ein Infragestellen der Maskenpflicht, sondern als „Gesamtbetrachtung der Corona-Schutzmaßnahmen“ (Clin Res Cardiol 2020; online 6. Juli).

Mehr Krebstote infolge der Corona-Pandemie erwarten Epidemiologen im Vereinigten Königreich. Sie gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren die Fünf-Jahres-Mortalitätsrate bei Patienten mit Brustkrebs um bis zu 9,6 Prozent steigen könnte. Bei Darmkrebs wäre demnach sogar eine Zunahme um 16,6 Prozent möglich. Auch die Fünf-Jahres-Mortalitätsrate in Großbritannien beim Ösophagus- und Lungenkarzinom berechneten die Forscher: Hier kommen sie auf eine mögliche Zunahme von bis zu 6,0 beziehungsweise 5,3 Prozent (Lancet Oncology 2020; online 20. Juli).

Fast 25 Prozent betrug die 30-Tages-Mortalitätsrate nach stationärer Aufnahme bei COVID-19-Patienten im Iran. Für die Studie hatten sich die Forscher um Dr. Mohammad Jalili von der Universität Teheran die Daten aller Patienten angeschaut, die wegen COVID-19 zwischen dem 20. Februar und dem 20. April in den 1034 Kliniken des Landes untersucht worden waren. Von 23.367 SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten lagen in diesem Zeitraum Daten zu Entlassung oder zum Tod vor. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 30 Tagen nach stationärer Aufnahme in der Klinik zu sterben, lag bei 24,6 Prozent. Die Forscher betonen allerdings, dass es sich um Daten aus einem einzigen Land handle, die Mortalitätsrate in anderen Ländern könne sich deutlich unterscheiden. Dies hänge unter anderem davon ab, welche Kriterien für eine Hospitalisierung gelten (Ann Intern Med 2020; online 20. Juli).

Update vom 20. Juli

SARS-CoV-2 schaltet mittels des viralen „Nonstructural Protein 1 (Nsp1)“ die Ribosomen der Zielzelle aus. Dadurch legt das Virus die Proteinproduktion und einen wichtigen Teil der angeborenen Immunantwort lahm. Mit hochauflösender Cryo-Elektronenmikroskopie analysierten Wissenschaftler der LMU München und der Universität Ulm genau, wie sich das Viren-Protein in eine spezielle Tasche des Ribosoms setzt, sich dort verklammert und so die Synthese von Proteinen verhindert. Dadurch wird auch eine für die angeborene Immunantwort zentrale Signalkaskade ausgeschaltet – für das Team könnte daher ein Molekül, das die Bindung von Nsp1 an das Ribosom verhindert, ein Ansatzpunkt für eine Therapie bei COVID-19 sein (Science 2020; online 17. Juli).

Nach Angaben von Forschern um Professor Yan-Jang Huang von der Kansas State University in Manhattan wurde in ihrer Studie erstmals belegt, dass SARS-CoV-2 in drei weit verbreiteten Mückenarten (Aedes aegypti, Aedes albopictus und Culex quinquefasciatus) nicht replizieren und damit auch nicht über Mücken auf den Menschen übertragen werden kann. Dies sei selbst dann nicht möglich gewesen, wenn das Virus direkt in den Thorax der Mücken injiziert wurde – also unter besonders extremen Bedingungen, schreiben die Wissenschaftler (Sci Rep 2020; online 17. Juli).

Update vom 17. Juli

Die schnelle Nachverfolgung von Kontaktpersonen könnte ein essenzieller Faktor zur Pandemiebekämpfung sein. In einer mathematischen Modellrechnung kommen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass schon eine Zeitverzögerung von drei Tagen zwischen Symptombeginn und Testung eine Eindämmung der Pandemie unmöglich macht. Bereits bei einer Zeitverzögerung von einem Tag müssten mindestens 80 Prozent aller Kontaktpersonen erfasst werden, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Bei einer Verzögerung von drei Tagen reiche dann selbst die effektivste Teststrategie nicht mehr aus, um ausreichend viele Kontaktpersonen ausfindig zu machen. Sie betonen, dass Nachverfolgungsapps wie die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts die schnelle Nachverfolgung deutlich verbessern können (Lancet Public Health; online 16. Juli).

Update vom 16. Juli

Vor einem „alarmierenden“ Corona-bedingten Rückgang der Impfraten bei Kindern warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeinsam mit dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF. Viele Länder berichteten von unterbrochenen Impfkampagnen, unter anderem weil es nicht ausreichend Schutzausrüstung gebe, aber auch wegen der teilweise herrschenden Ausgangsbeschränkungen oder der Angst vor Ansteckung bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Die indirekten Auswirkungen der Pandemie könnten damit größer sein als die direkt auf COVID-19 zurückzuführenden Todesfälle. Mindestens 30 Impfkampagnen gegen Masern sind Angaben der WHO zufolge weltweit bereits gestoppt worden oder stehen kurz vor ihrer Beendigung. Dies könne mehrere größere Masern-Ausbrüche zur Folge haben und die Impferfolge der vergangenen Jahre zunichtemachen, warnt die Organisation (Mitteilung der WHO; online 15. Juli).

Eine Maskenpflicht für Personal und Patienten hat in US-Kliniken die Rate der SARS-CoV-2-Positiven unter den Klinikmitarbeitern halbiert. Zu Beginn der Pandemie war in zwölf Krankenhäusern in Massachusetts die Positivenrate innerhalb von etwa drei Wochen exponentiell von 0 auf 21 Prozent gestiegen. Mit Einführung der ersten Maßnahme – der Maskenpflicht für Klinikpersonal – begann die SARS-CoV-2-Positivenrate bereits abzunehmen, und mit Einführung der zweiten Maßnahme – der Maskenpflicht für Patienten – nahm die Rate noch einmal deutlich ab und lag dann Ende April bei 11 Prozent. Die Studie unterstreiche die Relevanz einer Maskenpflicht im Gesundheitsbereich für die Infektionseindämmung, resümiert das Team um Dr. Xiaowen Wang vom Brigham and Women’s Hospital in Boston (JAMA 2020; online 14. Juli).

Könnte Heparin zur Therapie bei COVID-19 eingesetzt werden? Das zumindest vermuten Wissenschaftler des Rensselaer Polytechnic Institute in New York. Ihren Erkenntnissen nach bindet Heparin an das Spike-Protein auf der Oberfläche von SARS-CoV-2 und könnte so eine Bindung des Virus an seine Zielzellen verhindern. Möglicherweise könne Heparin als frühe Interventionsmaßnahme SARS-CoV-2-Infizierten mit noch milden Symptomen beispielsweise als Nasenspray verabreicht werden und so das Fortschreiten der Erkrankung verhindern, berichtet Studienautor Professor Robert J. Linhardt in einer Mitteilung seiner Universität (Antiviral Res 2020; online 10. Juli).

Update vom 15. Juli

Die Wirksamkeit und Sicherheit des mRNA-Impfstoffkandidaten „mRNA-1273“ des US-Unternehmens Moderna bestätigen erste Phase-I-Daten. Die Daten wurden aktuell publiziert, zuvor hatte der Hersteller bereits berichtet. Der experimentelle Impfstoff wurde in der Phase-I-Studie an 45 Probanden im Alter zwischen 18 und 55 Jahren verimpft. Die Probanden erhielten je zwei Dosen der mRNA im Abstand von 28 Tagen, und zwar entweder in der Dosis 25 μg, 100 μg oder 250 μg (n=15 in jeder Gruppe). Nach der ersten Impfung zeigte sich bei den Probanden, die die 250 μg-Dosis erhalten hatten, die höchste Immunantwort. Nach der zweiten Impfung konnten die Wissenschaftler um Dr. Lisa Jackson in allen drei Gruppen eine Immunantwort detektieren, die derjenigen von COVID-19-Patienten mit hoher Immunantwort glich – für diesen Vergleich hatte sich das Team unter anderem die Konzentration spezifischer SARS-CoV-2-Antikörper im Plasma von Rekonvaleszenten angeschaut. Mehr als die Hälfte der Probanden berichtete von milden unerwünschten Wirkungen wie Kopfschmerzen, Fatigue, Schmerzen an der Einstichstelle und Myalgien. Systemische unerwünschte Wirkungen seien erst nach der zweiten Impfung aufgetreten, und dann vermehrt in der Gruppe, die die höchste Dosis erhalten hatten, so die Forscher. Hier berichteten drei Probanden (21 Prozent) von mehr als einer unerwünschten Wirkung. Dies weist daher darauf hin, dass eine Dosis von 250 μg für den letztendlichen Impfstoff zu hoch angesetzt ist. Ernsthafte unerwünschte Wirkungen seien aber nicht aufgetreten, so die Wissenschaftler, Sicherheit und Effektivität der Vakzine damit bestätigt. Moderna zufolge soll der Impfstoffkandidat nun bereits im Juli in Phase III an mehr als 30.000 Probanden getestet werden, dann allerdings nur in den Dosen 25 μg und 100 μg (NEJM 2020; online 14. Juli).

Eine Übertragung von SARS-CoV-2 über Aerosole halten Forscher eher für die Ausnahme als die Regel. Sie begründen dies unter anderem mit der Tatsache, dass beispielsweise das Masern-Virus, das ja tatsächlich auch über Aerosole übertragen wird, eine viel höhere Reproduktionszahl hat: SARS-CoV-2 hat nach bisherigen Erkenntnissen eine Reproduktionszahl von 2 bis 3 (das bedeutet, ein Indexpatient infiziert im Mittel 2 bis 3 weitere Personen), das Masern-Virus hat eine Reproduktionszahl von etwa 18. Es gebe erwiesenermaßen Situationen, in denen SARS-CoV-2 über Aerosole übertragen worden sei, etwa bei Chorproben oder in Restaurants. Dort hätten allerdings Personen in geschlossenen Räumen über einen längeren Zeitraum eng zusammengesessen. Der Infektionsweg über Aerosole sei daher vermutlich nicht der hauptsächliche Transmissionsweg von SARS-CoV-2 (JAMA, online 13. Juli).

Über einen Fall einer In-utero-Transmission berichten französische Gynäkologen. Eine 23-jährige Frau im dritten Trimenon sei mit Fieber und starkem Husten im März in das Klinikum der Universität Paris-Saclay eingeliefert worden. Ein Test auf SARS-CoV-2 war positiv, und im Verlauf des Klinikaufenthalts entwickelte die Frau schwere COVID-19-Symptome, sodass ein Kaiserschnitt nötig wurde. Auch das Neugeborene wurde positiv auf SARS-CoV-2 getestet und zeigte Symptome einer Enzephalitis. In der Plazenta konnte das Team um Dr. Alexandre Vivanti SARS-CoV-2 in hoher Konzentration nachweisen. Auch ein Test des Fruchtwassers war positiv. Dies sei ein klarer Beleg für eine transplazentare Übertragung. Mutter und Kind konnten mittlerweile aus der Klinik entlassen werden, dem drei Monate alten Kind gehe es gut (Nat Comm 2020; online 14. Juli).

Eine Schutzwirkung der Tuberkulose-Vakzine (BCG-Impfung) gegen COVID-19 wird immer wieder diskutiert. Im Mai hatte eine Studie aus Israel keinen Zusammenhang ergeben, nun haben Forscher epidemiologische Daten aus mehreren Ländern analysiert, unter anderem auch aus Deutschland. Sie kommen zu dem Schluss, dass es zwar eine Assoziation zwischen der Durchimpfungsrate mit BCG innerhalb einer Bevölkerung und der Zahl von schweren COVID-19-Verläufen gebe, und in einigen Ländern sogar eine starke Assoziation. Auf eine Kausalität zu schließen sei aber wegen der Variabilität der untersuchten Daten, unter anderem aufgrund unterschiedlicher sozioökonomischer und demografischer Gegebenheiten, nicht möglich. Ob die BCG-Impfung also tatsächlich vor COVID-19 schützt, ist weiterhin unklar (PNAS 2020; online 9. Juli).

Update vom 14. Juli

Tocilizumab reduziert das Mortalitätsrisiko bei beatmeten COVID-19-Patienten, so das Ergebnis einer kleinen Studie der Universität Michigan mit 154 Patienten. In der Untersuchung erhielt die eine Hälfte der Patienten Tocilizumab, und zwar in einer einmaligen Dosis von 8 mg/kg KG und zumeist innerhalb der ersten 24 Stunden nach Beginn der mechanischen Beatmung. Die andere Hälfte der Studienteilnehmer erhielt den IL-6-Rezeptor-Hemmer nicht. Die Gabe von Tocilizumab war mit einer relativ um 45 Prozent geringeren Mortalitätsrate in den 28 Tagen nach Beginn der Beatmung assoziiert, schreiben die Wissenschaftler um Dr. Emily Somers. Allerdings waren die mit Tocilizumab behandelten Patienten etwas jünger (55 vs. 60 Jahre), hatten seltener chronische Lungenerkrankungen (10 vs. 28 Prozent) und geringere D-Dimer-Spiegel (2,4 vs. 6,5 mg/dL). Daher ist nicht ganz auszuschließen, dass die Ärzte das Mittel – bewusst oder unbewusst – für Patienten reserviert haben, denen sie eine bessere Überlebenschance einräumten. Unter Tocilizumab-Behandlung ist den Studienergebnissen zufolge zudem das Risiko für Superinfektionen höher (54 vs. 26 Prozent). Dies habe aber keine statistisch signifikanten Auswirkungen auf das Mortalitätsrisiko gehabt, so die Wissenschaftler. Grund für die positive Wirkung von Tocilizumab könnte sein, dass der Il-6-Rezeptor-Hemmer dem Zytokin-Sturm, der ja bei vielen schwerkranken COVID-19-Patienten beobachtet wird, entgegenwirkt (Clin Inf Dis 2020; online 11. Juli).

Eine deutliche Zunahme von HIV, TB und Malaria-Todesfällen befürchten Forscher aufgrund der Corona-Pandemie in den kommenden fünf Jahren. So könnte die Zahl der HIV-Fälle in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen um 10 Prozent zunehmen, die Zahl der Tuberkulose-Fälle um 20 Prozent und die Zahl der Malaria-Fälle sogar um 36 Prozent. Grund sei die extreme Überlastung der dortigen fragilen Gesundheitssysteme aufgrund der Corona-Pandemie. Noch bestehe die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und die Folgen abzumildern, betonen Dr. Alexandra Hogan, Imperial College London und ihre Kollegen. Es sei unter anderem wichtig, weiterhin für eine ausreichende Versorgung von HIV-Patienten mit antiretroviralen Medikamenten zu sorgen und Kampagnen gegen Malaria aufrechtzuerhalten (Lancet Global Health 2020; online 13. Juli).

Drei aktualisierte Reviews für den Umgang mit COVID-19 hat die Cochrane Collaboration publiziert, und zwar zu den Themen:

Plasmatherapie mit Rekonvaleszenten-Plasma bei COVID-19. Trotz zahlreicher neu in den Review aufgenommener Studien lasse die Evidenz aus den bis dato abgeschlossenen Studien noch keine Beurteilung von Wirksamkeit und Risiken der Plasmatherapie bei COVID-19 zu, so das Fazit (Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 7. Art. No.: CD013600).

Klinische Zeichen und Symptome zur Erkennung von COVID-19. Die Ergebnisse dieses Reviews deuten darauf hin, dass es kein einzelnes Symptom oder klinisches Zeichen (beispielsweise Husten, Halsschmerzen, Fieber) gibt, um eine genaue Diagnose von COVID-19 zu stellen (Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 7. Art. No.: CD013665).

Psychologische Interventionen zur Förderung der Resilienz von Fachkräften im Gesundheitswesen. Mehr als vage Hinweise auf leicht positive Effekte der Interventionen konnten aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Endpunkt-Maße und Interventionen nicht gezogen werden (Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 7. Art. No.: CD012527).

Update vom 13. Juli

In einer italienischen Studie mit 200 Patienten hatten auch fünf bis sechs Wochen nach Beginn eine COVID-19-Erkrankung über ein Drittel noch anhaltende Riech- und Schmeckdefizite. Jeder Zehnte mit solchen Beeinträchtigungen spürte dabei überhaupt keine Verbesserung, berichten die Ärzte der Universität Padua. Olfaktorische und gustatorische Veränderungen wurden in der Studie generell recht häufig berichtet: Sie traten bei rund zwei Drittel der symptomatischen SARS-CoV-2-Infizierten auf (Otolaryngol Head Neck Surg 2020; online 2. Juli) (mut).

Grund könnte sein, dass die Konzentration des Medikaments in der Lunge von Corona-Patienten nicht ausreicht, um das Virus zu bekämpfen, vermuten Wissenschaftler der Universität Basel. Sie hatten festgestellt, dass bei COVID-19-Patienten, die in ihrer Klinik stationär behandelt werden mussten, die inflammatorische Immunantwort wohl dazu führt, dass die Konzentration von Lopinavir im Plasma abnimmt: Je höher die CRP-Konzentration im Blut war, desto geringer lag der Lopinavir-Spiegel. Das Team berechnete anschließend, wie hoch die Konzentration des Medikaments in der Lunge gewesen sein muss – also am Ort der Infektion mit SARS-CoV-2. Den Wissenschaftlern zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Lopinavir hier eine ausreichende Konzentration erreicht, um die Virusvermehrung in der Lunge zu hemmen (AAC 2020; online 8. Juli).

Welche Schäden SARS-CoV-2 außerhalb der Lunge auslösen kann, haben US-Kardiologen aus New York zusammengefasst. Ihre Auflistung verdeutlicht, wie vielfältig die klinischen Symptome einer COVID-19-Erkrankung sein können – und wie viele Organe das neue Coronavirus befallen kann:

  • Neurologische Manifestationen: Kopfschmerzen, Schwindel, Enzephalitis, Myalgien, Geruchs- und Geschmacksverlust, Guillain-Barré-Syndrom;
  • Renale Symptome: Proteinurie, Hämaturie, akute Nierenbeeinträchtigungen;
  • Hepatologische Symptome: Erhöhte Aminotransferase- und Bilirubin-Spiegel;
  • Gastroenterologische Manifestationen: Diarrhö; Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit, Unterleibsschmerzen;
  • Thromboembolien: Tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien, Katheter-assoziierte Embolien;
  • Kardiale Symptome: Myokarditis; Arrhythmien, kardiogener Schock, Ischämien, akutes Cor pulmonale;
  • Endokrinologische Symptome: Hyperglykämien, diabetische Ketoazidose;
  • Dermatologische Manifestationen: Petechien, Livedo reticularis, erythematöser Ausschlag, Urtikaria, Frostbeulen-ähnliche Symptome (Nat Med 2020; online 10. Juli).

Update vom 10. Juli

Kinder tragen SARS-CoV-2 offenbar nur selten in Familien, berichten Forscher von der Uniklinik in Genf. Sie haben Infektionscluster bei Eltern, Geschwistern, Großeltern und anderen Haushaltskontakten (insgesamt 111 Personen) von 39 COVID-19-Kranken im Alter unter 16 Jahren in Genf untersucht. Die Kinder waren zwischen dem 10. März und 10. April erkrankt. In dieser Zeit gab es 4310 Corona-Patienten in Genf, darunter nur 40 aus der pädiatrischen Altersgruppe (0,9 Prozent). Bis auf ein Kind nahmen alle von ihnen an der Studie teil. Von 39 waren 32 ambulant und sieben stationär behandelt worden, kein Kind kam auf die Intensivstation. Nur drei Kinder (8 Prozent) waren vor allen anderen Haushaltskontakten (household contacts, HHC) erkrankt und galten daher als Indexpatienten. Wahrscheinliche Infektionsquelle waren in vier von fünf Haushalten erwachsene HHCs mit COVID-19 (bestätigt oder Verdacht). Die meisten Kinder hatten sich also offenbar in den Familien angesteckt, so die Forscher (Pediatrics 2020; online 10. Juli).

Update vom 9. Juli

Eine Umfrage unter 57 Mitarbeitern der Primärversorgung in Kalifornien hat ergeben, dass der Anteil derjenigen, die Videosprechstunden durchführten, innerhalb von nur drei Wochen im Februar und März 2020 deutlich gestiegen ist: Wurden vor der Pandemie weniger als 10 Prozent der Patienten in der Primärversorgung per Videosprechstunde versorgt, waren es während der Pandemie mehr als 75 Prozent. Sorgen bereitete dem medizinischen Personal unter anderem, falsche Diagnosen zu stellen, da der Patient nicht „in Gänze“ betrachtet werden könne. Unsicherheit gab es auch, ob die Patienten in der Videosprechstunde auch tatsächlich alle Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Hier könne möglicherweise ein Training, wie Fragen gestellt werden sollten, helfen, schreiben die Autoren um Dr. Malathi Srinivasan von der Stanford University School of Medicine (Ann Intern Med 2020; online 8. Juli).

Update vom 8. Juli

Bisher brauchen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 zwei Stunden bis zum Resultat, berichten Zellbiologen um Professor Christian Kaltschmidt von der Universität Bielefeld. Sie haben mit Partnern ein Verfahren entwickelt, das die Zeit auf ein Zehntel verkürzen kann. Kernelement ist der Thermocycler „NEXTGENPCR“ des niederländischen Unternehmens Molecular Biology Systems B.V., berichtet die Uni in einer Mitteilung. Das Gerät deckt mehrere Temperaturzonen ab; die Reaktionen laufen daher besonders effektiv und vollautomatisch ab. Der Thermocycler wurde auf Standards für SARS-CoV-2-Tests angepasst und in einer Studie getestet. Vorläufige Ergebnisse finden sich auf einem Preprint-Server. Mehrere Proben lassen sich parallel analysieren – bis zu 570 Auswertungen pro Stunde seien möglich. Solche Tests könnten vor allem eingesetzt werden, wo schnelle Ergebnisse gefragt sind, so Kaltschmidt in der Mitteilung: Etwa wenn Kreuzfahrtschiffe ihren Betrieb wieder aufnehmen, könnte jede Person getestet werden, bevor sie an Bord geht. (medRxiv 2020; online 26. Juni).

Forscher des Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) haben 28 Antikörper gefunden, die SARS-CoV-2 effektiv neutralisieren können. Die spezifischen B-Zellen wurden aus dem Blut von zwölf COVID-19-Genesenen isoliert und anschließend auf antivirale Wirksamkeit geprüft. Sie könnten sowohl präventiv als auch zur Therapie eingesetzt werden, berichtet das DZIF in einer Mitteilung. Auch ist eine Postexpositionsprophylaxe damit vorstellbar, wenn Menschen mit dem Virus in Kontakt gekommen, aber noch nicht erkrankt sind. „Gerade um lokalisierte Ausbrüche zu stoppen und schwere Verläufe zu verhindern, zum Beispiel bei Risikopersonen, ist diese Form des Einsatzes von besonderer Bedeutung“, wird DZIF-Projektleiter Professor Florian Klein aus Köln in der Mitteilung zitiert. Die Antikörper werden zusammen mit Boehringer Ingelheim weiter entwickelt und sollen möglichst noch dieses Jahr in klinischen Studien untersucht werden. (Cell 2020; online 7. Juli)

Update vom 7. Juli

Durchwachsene Bilanz des schwedischen Wegs bei der Eindämmung der Corona-Pandemie ziehen Forscher aus Virginia und Uppsala. Anders als in vielen Ländern war in Schweden besonders auf freiwillige Maßnahmen gesetzt worden. Es gab wenig soziale und ökonomische Restriktionen, allerdings wurden bestimmte Schulen geschlossen und Menschen mit Symptomen sowie über 70-Jährige zu Selbstisolation aufgerufen. Damit sei das Land weniger betroffen gewesen als Spanien oder UK, die spät aber hart im Verlauf des Ausbruchs reagiert hatten, berichten die Autoren. Allerdings war die COVID-19-Sterberate in Schweden deutlich höher, als in den Nachbarländern mit ihren härteren Restriktionen: So starben in Schweden 35 pro 100.000 Einwohner mit SARS-CoV-2 bis zum 15. Mai, in Dänemark waren es 9,3, in Finnland 5,2 und in Norwegen 4,7. Auch ergab die Analyse nach Altersgruppen, dass ältere COVID-19-Kranke in Schweden eher gestorben sind, als auf einer Intensivstation behandelt zu werden (Clin Infect Dis 2020; online 1. Juli).

Keine Herdenimmunität in Spanien trotz vieler Erkrankungen: Obwohl das Land in Europa mit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen war, ist Spanien weit entfernt von einer Herdenimmunität. Dafür sind nach Ansicht von Infektiologen 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit Antikörpern nach durchgemachter Infektion nötig. In einer landesweiten Studie mit Tests von über 60.000 Einwohnern hatten aber im Schnitt nur 5 Prozent Antikörper entwickelt, berichten Forscher vom „National Centre for Epidemiology“ in Madrid. Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab es nicht, allerdings waren im Schnitt nur 3,1 Prozent der Kinder im Alter bis zehn seropositiv. Es gab große Unterschiede zwischen den Regionen: So hatten insgesamt über 10 Prozent aus dem Großraum Madrid Antikörper entwickelt, an der Küste waren es unter 3 Prozent. Die Ergebnisse sprechen für weitere Anti-Infektionsmaßnahmen in der Bevölkerung, betonen die Epidemiologen. Viele Erkrankte seien nicht mit PCR getestet worden, mindestens jeder dritte Seropositive habe keine Symptome gehabt (Lancet 2020, online 6. Juli).

Regulatorische T-Zellen (Tregs) migrieren in der Regel in entzündetes Gewebe, dämpfen die Inflammation und beschleunigen die Gewebe-Reparatur. Lungenversagen (ARDS) bei COVID-19 geht dabei häufig mit exzessiver systemischer Inflammation (Zytokin-Sturm) und verzögerter Reparatur von Lungengewebe einher. Das Erkrankungsstadium ist zum Teil durch reduzierte oder defekte Tregs gekennzeichnet. Forscher vom „Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center at Johns Hopkins“ in Baltimore haben jetzt zwei COVID-19-Patienten offenbar erfolgreich mit Tregs behandelt. Beide, ein 69- und ein 47-Jähriger, waren wegen ARDS auf die Intensivstation gekommen und über Wochen mechanisch beatmet oder mit ECMO behandelt worden. Sie hatten unter anderem mehrere Infusionen mit kryokonservierten allogenen Tregs aus Nabelschnurblut erhalten. Inflammationsmarker waren danach zurückgegangen. „Bei beiden Patienten haben wahrscheinliche mehrere Interventionen zur Genesung beigetragen. Die zeitliche Assoziation zwischen den Treg-Infusionen und der Erholung kann aber nicht ignoriert werden“, so die Studienautoren (Ann Intern Med 2020; online 6. Juli).

Update vom 6. Juli

Trotz Corona-Lockerungen fühlen sich fast 40 Prozent der Menschen auch weiterhin gestresster als vor der Pandemie. Das hat die Umfrage „Swiss Corona Stress Study“ der Universität Basel ergeben, an der über 10.000 Schweizer Bürger teilgenommen hatten. Im Lockdown fühlten sich 50 Prozent der Teilnehmer gestresster als zuvor, der Anteil hat mit den Lockerungen also leicht abgenommen. Als Haupttreiber stellten sich die Belastung durch Veränderungen bei der Arbeit oder Ausbildung heraus sowie die Belastung durch das eingeschränkte Sozialleben. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der Anteil von Personen mit schweren depressiven Symptomen nahm auch nach den Lockerungen weiter zu: Vor der Pandemie gaben 3,4 Prozent der Befragten schwere depressive Symptome an, während des Lockdowns stieg dieser Anteil auf 9,1 Prozent, und nach den Lockerungen berichteten sogar 11,7 Prozent von schweren depressiven Symptomen. Knapp 20 Prozent der Betroffenen hatten dabei vor der Krise keine wesentlichen depressiven Symptome, berichten die Forscher um Professor Dominique de Quervain von der Uni in Basel. Also besonders widerstandsfähig diesbezüglich erwiesen sich Menschen mittleren und fortgeschrittenen Alters (ab 55 Jahren) und Männer (OSFPreprints, online 1. Juli).

Update vom 3. Juli

Das erfolgreiche Management von Corona-Risiken an Universitäten in Taiwan haben Ärzte um Professor Shao-Yi Cheng von der National Taiwan University vorgestellt. Wegen des regen Reiseverkehrs zwischen Taiwan und China hatte es bereits im Januar erste Kontrollmaßnahmen gegeben, die immer weiter verfeinert wurden. Bis zum 18. Juni waren in dem Land nach Angaben der Ärzte insgesamt nur 446 bestätigte Erkrankungen und sieben Todesfälle registriert worden, in den 67 Tagen bis zu dem Stichtag sogar überhaupt kein Fall mehr. Die Hochschulen des Landes wurden nie geschlossen. Ein besonderes Risiko war der rege akademische Austausch zwischen China und Taiwan: Fast jeder Vierte der 1,2 Millionen Auslandsstudenten an den Colleges und Universitäten des Landes kommt aus der Volksrepublik. Das Bildungsministerium von Taiwan hatte daher bereits am 26. Februar eine Präventions-Leitlinie für Hochschulen herausgegeben, die vor allem auch auf Maßnahmen in den Wohnheimen mit bis zu vier Studenten pro Zimmer abzielten. Damit ließ sich die Infektionsrate bis Mitte Juni auf nur sieben Corona-Fälle an sechs Hochschulen begrenzen (Ann Intern Med 2020; online 2. Juni).

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Update vom 2. Juli

COVID-19-Patienten mit mildem oder asymptomatischen Verlauf, bei denen keine Antikörper nachzuweisen sind, könnten durch eine T-Zell-Antwort dennoch vor einer zweiten Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt sein. Forscher vermuten daher, dass mehr Menschen gegen SARS-CoV-2 immun sein könnten, als es Antikörper-Tests derzeit vermuten lassen. Die Daten wurden bisher nicht publiziert und sind auf dem Pre-Print Server bioRxiv veröffentlicht. An der Studie nahmen über 200 Probanden teil, unter ihnen Menschen mit und ohne Exposition mit einem COVID-19-Erkrankten, sowie Patienten, die akut an COVID-19 erkrankt waren oder die Infektion bereits überstanden hatten. Eine T-Zell-Antwort mit SARS-CoV-2-spezifischen CD4+- und CD8+-T-Zellen stellten die Wissenschaftler sowohl bei Antikörper-positiven als auch bei Antikörper-negativen Studienteilnehmern mit milden oder asymptomatischen Verlauf fest (bioRxiv, online 29. Juni).

Eine Behandlung mit Colchicin hat in der randomisierten Studie GRECCO-19 die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten einen schweren COVID-19-Verlauf entwickeln, signifikant verringert. Angesichts der absoluten Zahlen ist allerdings Zurückhaltung angebracht. Letztlich waren es nämlich nur sieben Patienten in der Kontrollgruppe und ein Patient im Therapiearm, deren Zustand sich im Studienverlauf derart verschlechterte, dass sie mit Sauerstoff versorgt oder künstlich beatmet werden mussten oder an der Infektion verstarben (JAMA Netw Open; 2020;3(6):e2013136). (vsc)

Update vom 1. Juli

Ermutigende klinische Daten zum Impfstoffkandidaten BNT162b1 haben Pfizer und BioNTech vorgestellt. Nach ersten vorläufigen Ergebnissen aus einer Phase-1/2-Studie mit 45 Probanden in den USA ist die mRNA-Vakzine immunogen. Je 12 Probanden waren dabei binnen drei Wochen zweimal je 10 oder 30 μg Impfstoff injiziert worden. Die Titer der induzierten Antikörper hätten dabei gleichauf oder oberhalb von Werten in Rekonvaleszenz-Seren gelegen, teilten die Unternehmen mit. Unerwünschte Wirkungen seien milde bis moderate lokale und systemische Reaktionen gewesen. BNT162b1 kodiert für ein optimiertes Antigen der Rezeptor-Bindungs-Domäne von SARS-CoV-2 (einem Teil des Spike-Proteins). Er ist der am weitesten fortgeschrittene von vier klinischen Impfstoffkandidaten der Unternehmen (MedRxiv 2020; online 1. Juli).

Die Kombination Lopinavir/Ritonavir zeigt wohl keine Wirkung, teilt die Universität Oxford mit. Entsprechende Daten der RECOVERY-Studie, die unter dem Dach der WHO durchgeführt wird, sind derzeit aber noch nicht publiziert. In der Studie wurden 1596 COVID-19-Patienten mit der HIV-Arznei Lopinavir/Ritonavir behandelt, 3376 erhielten die Standardtherapie. 4 Prozent der Patienten mussten beatmet werden, 70 Prozent benötigten eine Sauerstoffgabe über eine Maske, 26 Prozent benötigten keine der beiden Therapien. Im Bezug auf den primären Endpunkt der Studie (Mortalität innerhalb von 28 Tagen nach Therapiebeginn) ergab sich mit Lopinavir/Ritonavir kein positiver Effekt, berichtet die Universität. Zudem konnte die Kombination das Fortschreiten von COVID-19 nicht verhindern. Auch zu Hydroxychloroquin, das ebenfalls von der WHO als Therapieoption bei COVID-19 geprüft wird, gebe es bisher keine positiven Daten zur Wirkdsamkeit, erinnert die Universität. „Weder Hydroxychloroquin noch Lopinavir/Ritonavir scheinen die Überlebensrate bei COVID-19 zu verbessern“, wird Studienleiter Professor Peter Horby von der Universität Oxford zitiert. Allerdings wird in Großbritannien der „COPCOV Trial“ zur Prävention mit Chloroquin und Hydroxychloroquin weitergeführt. 40.000 Probanden in medizinischen Berufen nehmen teil, wie nationale Medien berichtet (Universität Oxford, online 29. Juni, BBC-Meldung vom 30. Juni).

Update vom 30. Juni

Für Chirurgen besteht bei einer Bauch-Op wohl kein erhöhtes Infektionsrisiko. Mit diesem Thema haben sich französische Wissenschaftler in einer kleinen Fallserie mit sieben COVID-19-Patienten beschäftigt. Bei keinem der COVID-19-Patienten, bei dem die Ärzte vor und nach dem Abdominaleingriff Peritonealflüssigkeit entnommen hatten, war in der PCR SARS-CoV-2 nachzuweisen. Das Virus schien demnach weder über die Darmwand noch etwa auf systemischem Weg über die Lunge in die Bauchhöhle gelangt zu sein. Den Ärzten zufolge scheint damit die Ansteckungsgefahr für Chirurgen bei bauchchirurgischen Eingriffen geringer als befürchtet. Das gelte möglicherweise auch für die Gefahr einer Infektion über intraabdominell gebildete Aerosole. Vor allem Laparoskopien werden diesbezüglich als riskant erachtet, da das Aufblasen des Bauchraums mit Kohlendioxid theoretisch die Bildung virushaltiger Aerosole begünstigt (Surgery 2020; online 5. Juni). (eo)

Wirkt sich Vitamin-D-Mangel bei COVID-19 ungünstig auf den Verlauf aus? Das berichtet zumindest ein Ernährungsmediziner der Universität Hohenheim, der 30 Studien ausgewertet und ein Vitamin-D-Defizit als möglichen Indikator für den Schweregrad und die Mortalität bei COVID-19 identifiziert haben will. Wichtig zu erwähnen ist aber auch: Die Studie wurde von der Society of Nutrition and Food Science (SNFS) finanziell unterstützt und ist im NFS Journal, der wissenschaftlichen Zeitschrift der Fachgesellschaft, erschienen. Die SNFS hat zudem die Publikationskosten übernommen. Als Fazit zieht Studienautor Professor Hans-Konrad Biesalski auch nicht die Tatsache, dass Vitamin D als Medikament infrage kommt. Auch auf gut Glück Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, empfiehlt er nicht. „Im Zweifelsfall ist das zu wenig, um einen wirklich schlechten Vitamin-D-Status kurzfristig zu verbessern“, berichtet er in einer Mitteilung der Universität Hohenheim. Biesalski rät aber dazu, gerade bei älteren COVID-19-Patienten und solchen mit Vorerkrankungen den Vitamin-D-Spiegel im Auge zu behalten und ein mögliches Defizit zu behandeln (NFS Journal 2020; 20:10-21).

Update vom 29. Juni

Bei HIV-Patienten hängt das Risiko für eine schwere COVID-19 auch von der Art der antiretroviralen Therapie (ART) ab, berichten Forscher vom spanischen Gesundheitsministerium. Sie haben bei den 77.590 HIV-positiven Menschen mit antiviraler Therapie (ART) in Spanien die Raten von PCR-bestätigter COVID-19 und schwerem Verlauf analysiert. Von Anfang Februar bis Mitte April waren unter den HIV-Infizierten insgesamt 236 an COVID-19 erkrankt; 151 von ihnen wurden stationär behandelt und 15 davon auf der Intensivstation; 20 sind gestorben. Dies entspricht einer Rate von 17,8 Fällen von COVID-19 mit stationärer Therapie pro 10.000 HIV-Patienten (bereinigt von Störfaktoren). Bezogen jeweils auf 10.000 HIV-Patienten waren es bei ART mit:

  • Tenofovir Alafenamid (TAF) plus Emtricitabin (FTC) 20,3 Fälle,
  • bei Tenofovir Disoproxil Fumarat (TDF) plus FTC 10,5 Fälle,
  • bei Abacavir (ABC) plus Lamivudin (3TC) 23,4 Fälle,
  • und bei anderen Regimen 20 Fälle.

Kein Patient mit TDF/FTC kam auf die Intensivstation oder ist gestorben (Ann Int Med 2020; online 26. Juni).

Update vom 26. Juni

Die Sensitivität von Antikörpertests nach einer COVID-19 hängt vom Zeitpunkt des Tests ab, hat eine Analyse von Cochrane-Forschern bestätigt. Danach sind in der ersten Woche nach Beginn der Symptome die Titer noch zu niedrig für ein Ergebnis, 8 bis 14 Tage danach werden 70 Prozent der Betroffenen korrekt identifiziert und nach 15 bis 35 Tagen liegt die Trefferquote über 90 Prozent. Für längere Zeiträume gebe es noch zu wenig Studiendaten, so die Forscher. Nur 1 bis 2 Prozent der Tests sind nach der Analyse falsch positiv. Die Cochrane-Autoren geben ein Beispiel: Wenn 200 von 1000 Personen tatsächlich COVID-19 hatten, würden 193 Personen positiv getestet, aber 10 (5 Prozent) wären falsch positiv, und 807 Personen negativ getestet, aber 17 (2 Prozent) wären falsch negativ. Je häufiger COVID-19 in einer Population vorkommt, desto mehr falsch-negative und weniger falsch-positive Ergebnisse sind zu erwarten (Cochrane Database Sys Rev 2020; 6: CD013652).

Bei Kindern und Jugendlichen verläuft COVID-19 in der Regel mild und Komplikationen und Todesfälle sind sehr selten. Das bestätigt die Analyse des Krankheitsverlaufs von 582 betroffenen 3- bis 18-Jährigen aus 25 europäischen Ländern. Alle Patienten waren im April positiv getestet und ärztlich behandelt worden, 62 Prozent davon stationär und 8 Prozent auf der Intensivstation. Es gab vier Todesfälle, zwei Betroffene hatten Grunderkrankungen und alle waren älter als 10 Jahre. Bei den Symptomen dominierte Fieber (65 Prozent), gefolgt von oberen Atemwegsinfektionen (54 Prozent) und Pneumonie (25 Prozent) sowie gastrointestinale Symptom (22 Prozent). Etwa jedes sechste Kind (16 Prozent) hatte überhaupt keine Symptome und war als Kontaktperson getestet worden (Lancet Child Adolesc Health 2020; online 25. Juni).

Update vom 25. Juni

In einer großen Studie im Tiroler Skiort Ischgl haben Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck eine SARS-CoV-2-Antikörper-Prävalenz von 42,4 Prozent ermittelt. Für die Untersuchung vom 21. bis 27. April konnten die Virologen und Epidemiologen 1473 Probanden rekrutieren. Das sind den Angaben der Uni von Donnerstag zufolge 79 Prozent der Bevölkerung Ischgls. Die Seroprävalenz liege damit etwa sechs Mal höher als die Prävalenz durch PCR-Nachweise. Bei Kindern liege die Rate sogar zehn Mal höher. Ischgl galt zu Beginn der Pandemie als einer der großen Hotspots in Europa und wird mit zahlreichen frühen Clustern in Deutschland in Verbindung gebracht.

Die Autoren der britischen RECOVERY-Studie haben jetzt zentrale Ergebnisse ihrer Untersuchung von Dexamethason bei COVID-19 publiziert. In dem noch unbegutachteten Preprint bestätigen sie in weiten Teilen ihre Ergebnisse, die sie vergangene Woche per Pressemitteilung veröffentlicht hatten. Danach war die 28-Tages-Mortalität im Dexamethason-Arm für alle Patienten signifikant niedriger als unter Standardtherapie (21,6 vs. 24,6 Prozent). Die absolute Risikoreduktion beträgt damit drei Prozent, die relative Reduktion 17 Prozent (altersadjustiertes Verhältnis 0,83; 95% CI 0,74–0,92; p<0,001). Am deutlichsten war die relative Risikoreduktion bei mechanisch beatmeten Patienten (RR 0,65). Bei Patienten mit nicht-invasiver Sauerstoffgabe lag das Verhältnis des Sterberisikos bei 0,80 zugunsten von Dexamethason. Die Unterschiede waren signifikant (medRxiv 2020.06.22.20137273).

Obwohl die Bevölkerungen in Ländern der Südhalbkugel jünger sind als in Ländern Europas, grassiert die Corona-Pandemie dort teils schlimmer. Demografen aus Rostock wollen dafür die höhere Rate von Vorerkrankungen vor allem bei jungen Erwachsenen als möglichen Grund ausgemacht haben. So ist etwa die Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen, von Nierenleiden sowie COPD selbst bei Jüngeren in Brasilien deutlich höher als etwa in Italien. Brasilien zählt bis dato rund 1,9 Millionen SARS-CoV-2-Infektionen (PNAS 2020; 117 (25): 13881–13883).

Die Arbeit texanischer Autoren (PNAS 2020; online 11. Juni) basiere auf „leicht falsifizierbaren Behauptungen und methodischer Konstruktionsfehler“, kritisieren Wissenschaftler an die Herausgeber der „Proceedings of the National Acamady of Sciences“ (PNAS). In der Arbeit hatten die Forscher behauptet, Gesichtsschutz sei wirksamer als physische Distanzierung. Für ihre Berechnungen, so die Kritik, sollen sie aber viele andere Effekte nicht berücksichtigt haben.

Update vom 23. Juni

In einer Kohorte mit 632 ambulant versorgten COVID-19-Patienten trat die virologische Remission (zweifach negativer PCR-Test) im Mittel erst nach 20,1 Tagen (± 7,7 Tage) ein. Alle Patienten in dieser Kohorte in Südkorea waren entweder asymptomatisch oder hatten nur milde Verläufe. Sie wurden in sogenannten „Community Treatment Centers“ (CTC) isoliert. Diese Zentren wurden zu Beginn der Pandemie errichtet, um die Krankenhäuser zu entlasten und für klinisch schwere Fälle freizuhalten. Beinahe jeder fünfte Patient musste vier Wochen lang in Isolation bleiben. Die Periode bis zum negativen PCR-Nachweis war den Autoren zufolge bei symptomatischen Patienten länger als bei asymptomatischen. Bei solchen mit nur milder Symptomatik war SARS-CoV-2 im Mittel 11,7 Tage (± 8,2 Tage) nach Symptombeginn nicht mehr nachweisbar. Nur drei Prozent der Patienten mussten während ihrer Isolation in ein Krankenhaus eingewiesen werden (Emerg Infect Dis 2020; online 22. Juni).

Die Virionen des SARS-Coronavirus-2 könnten mehr als einen halben Tag in Aerosol intakt und somit infektiös bleiben. Darauf deutet ein sehr kleines Experiment von US-Forschern, die die Aerosoleffizienz des neuen Coronavirus mit der von SARS und MERS verglichen haben. In ihren Versuchen war der sogenannte „Spray Factor“ gemessen als Plaque-bildende Einheiten je Liter (PFU/L) für SARS-CoV-2 höher als bei den anderen beiden Coronaviren. In einem Versuch soll das Virus auch noch 16 Stunden gewesen sein, soll jedenfalls der Anteil der Virusgenomkopien über diese Zeit nicht deutlich abgenommen haben (Emerg Infect Dis 2020; online 22. Juni).

Der N-Terminus des Spike-Proteins aus dem Coronavirus SARS-CoV-2 könnte womöglich ein therapeutischer Angriffspunkt gegen COVID-19 sein. Mit dem Protein bindet das Virus an den ACE2-Rezeptor der Wirtszelle. Forscher aus China haben nun aus Rekonvaleszentensera monoklonale Antikörper isoliert, von denen drei neutralisierend gegen SARS-CoV-2 wirken. Bei einem – 4A8 – zeigte sich ein hohes neutralisierendes Potenzial. 4A8 bindet den Autoren zufolge allerdings nicht an das gesamte Spikeprotein (die rezeptorbindende Domäne des), sondern nur an dessen N-terminale Region (Science 2020; eabc6952).

Update vom 19. Juni

Bei älteren Kindern lassen sich häufiger Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nachweisen als bei jüngeren – das ist das Zwischenfazit einer Studie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Bei 36 von 2436 getesteten Kindern seien Antikörper im Blut gefunden worden, sagte die Pädiaterin und Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE, Professor Ania C. Muntau, am Freitag zu der vorläufigen Auswertung der Studie C19.CHILD. Bei Kindern in der Altersgruppe von 0 bis 9 Jahren ergab sich den Angaben zufolge bei einem Prozent ein positiver Antikörper-Nachweis, in der Altersgruppe der Zehn- bis 18-Jährigen waren es zwei Prozent. Der Unterschied sei statistisch signifikant.

Ein internationales Forscherteam hat Antikörper gegen das SARS-Virus aus dem Jahr 2003 identifiziert, die SARS-CoV-2 neutralisieren können sollen. Der Patient war 2003 mit dem damaligen SARS-CoV infiziert. Aus seinem Serum haben sie Antikörper von B-Gedächtniszellen isoliert. Einer – S309 – soll den Angaben zufolge an das Spikeprotein von SARS-CoV-2 binden und so eine potente neutralisierende Wirkung haben. Den Autoren zufolge könnten Antikörpercocktails mit S309 die neutralisierende Wirkung verbessern (Nature 2020; online 18. Juni).

In einer kleinen Fallserie am Lurie Children’s Hospital in Chicago zeigten 18 Neugeborene im Alter von bis zu 90 Tagen trotz positiven RT-RCR-Tests auf SARS-CoV-2 keine respiratorischen Symptome. Die Hälfte der Kinder (neun) wurde stationär zu Beobachtung aufgenommen, keines brauchte intensivmedizinische Betreuung oder eine Beatmung. Die meisten hatten Fieber (acht) und gastrointestinale Symptome (sechs). Nur vier Kinder hatten Husten oder eine Tachypnoe. Die Autoren bezeichneten die Patienten als „gesund“. Die Ct-Werte (cycle threshold) bei der PCR-Diagnostik waren bei den meisten Kindern relativ niedrig (3–6,58), was den Autoren zufolge für hohe Viruslasten spricht (J Ped 2020; online 17. Juni).

Update vom 18. Juni

SARS-CoV-2-Infizierte mit inapparentem Verlauf könnten eine schwächere Immunantwort auf die Virusinfektion haben. Darauf deuten Ergebnisse einer kleinen Fallserie von 37 Personen in Wanzhou in China. Bei ihnen wurden die Viren deutlich länger nachweisbar als bei symptomatischen Patienten (19 vs. 14 Tage). Auch waren bei ihnen während der akuten Infektionsphase die IgG-Spiegel deutlich niedriger (medianes Signal/Cut-off-Verhältnis 3,4 vs. 20,5). In der frühen Rekonvaleszenzphase wurden 40 Prozent der inapparent Infizierten seronegativ, während es unter den Patienten mit klinischen Symptomen nur 12,9 Prozent waren. Auch sanken die Spiegel neutralisierender Antikörper bei mehr asymptomatisch als bei symptomatisch Infizierten binnen acht Wochen ab (81,1 vs. 62,2 Prozent) (Nat Med 2020; online 18. Juni).

Der Alter als unabhängiger Risikofaktor bei SARS-CoV-2-Infektionen könnte sich auch auf die Gefahr einer Ansteckung im Haushalt auswirken. In einem statistischen Transmissionsmodell aus der frühen Pandemiephase Anfang des Jahres im chinesischen Guangzhou haben Modellierer ein erhöhtes Risiko für Infektionen bei Menschen ab 60 ermittelt. Die sekundäre Attackrate in Familienhaushalten errechneten die Epidemiologen dort mit im Mittel 17,1 Prozent. In einer siebenköpfigen Familie würde ein Infizierter somit rechnerisch eine weitere Person infizieren. Das Risiko steigt jedoch mit dem Alter: Für Unter-20-Jährigen lag die Rate bei 5,2 Prozent, für 20- bis 59-Jährige bei 14,8 Prozent und für Personen ab 60 bei 18,4 Prozent (The Lancet 2020; online 17. Juni).

Die Behandlung mit dem Tyrosinkinasehemmer Ruxolitinib hat unmittelbar den Zustand einer 65-Jährigen mit akutem Lungenversagen (ARDS) durch COVID-19 deutlich gebessert, berichten Mediziner vom Uniklinkum Marburg. Weil das Mittel Enzyme im Körper hemmt, die an einer überschießenden Entzündungsreaktionen beteiligt sind, haben die Ärzte es versuchsweise gegen den für schwere COVID-19 typischen Zytokinsturm eingesetzt. In Folge stabilisierten sich das klinische Bild sowie die Atmung und die Herzfunktion der Patientin. Ab dem zehnten Tag konnte sie schrittweise vom Beatmungsgerät entwöhnt werden. Nach Erfolgen bei weiteren Patienten soll Ruxolitinib jetzt gegen Lungenversagen bei COVID-19 in einer klinischen Studie geprüft werden (Leukemia 2020; online 17. Juni).

Eine internationale Forschergruppe hat die kompletten Genome von etwa 1600 COVID-19 Patienten mit Lungenversagen aus Spanien und Italien sowie von 2300 Kontrollpersonen unter die Lupe genommen. Gesucht wurden Assoziationen bestimmter Gene mit dem schweren Erkrankungsverlauf. 8,5 Millionen Genvarianten wurden dazu analysiert. Ein schwerer Verlauf trat dabei besonders häufig im Zusammenhang mit einem bestimmten Gen-Cluster auf (3p21.31). Daraus ermittelten die Forscher ein höheres Risiko für Träger der Blutgruppe A und ein geringeres für Träger der Gruppe 0.Bereits frühere Studien (siehe unten) hatten einen solchen Zusammenhang von schwerem Erkrankungsverlauf mit Genen aus dem ABO-Blutgruppensystem ergeben. Solche Assoziationen könnten vielleicht in Risiko-Scores Verwendung finden (NEJM 2020; online 17. Juni).

Die Weltgesundheitsorganisation hat den Studienarm mit Hydroxychloroquin in der SOLIDARITY-Studie gestoppt. Es würden keine neuen Probanden aufgenommen, bei bereits aufgenommenen Patienten könne die HCQ-Gabe in Absprache mit den Studienärzten gestoppt werden. Hintergrund ist den Angaben von Donnerstagabend zufolge neue Evidenz unter anderem aus dieser Studie aber auch aus RECOVERY und einem Cochrane-Review. Danach gebe es gegenüber der Standardtherapie bislang keine Hinweise auf einen Überlebensvorteil. In weiteren SOLIDARITY-Armen werden außerdem Remdesivir, Lopinavir/Ritonavir und Interferon-β1a untersucht. Derweil hat das „American College of Physicians“ Ärzte aufgefordert, Chloroquin oder HCQ weder zur Prophylaxe noch zur Therapie einzusetzen. Die Gabe könne höchstens im Rahmen klinischer Studien erwogen werden. Die Autoren hatten sechs neue Beobachtungsstudien ausgewertet, in denen HCQ und Chloroquin alleine oder Kombination bei COVID-19 untersucht wurden. Danach gebe es bislang keine Anhaltspunkte für einen Nutzen des Malariamedikaments bei COVID-19, jedoch bekannte potenziell schädliche Wirkungen (Ann Int Med 2020; online 17. Juni).

Update vom 17. Juni

In einem mathematischen Modell der britischen „CMMID COVID-19“-Arbeitsgruppe reduzierten Massentest der Bevölkerung die Reproduktionsrate weniger als eine Kombination aus Selbstisolierung und Kontaktnachverfolgung (Tracing). Würden wöchentlich fünf Prozent der Bevölkerung (in Großbritannien wären das 3,3 Millionen Menschen) getestet, würde nach diesem Modell die effektive Reproduktionsrate Reff nur um zwei Prozent sinken (von 2,6 auf 2,5). Durch die Kombination von Selbstisolierung Infizierter mit Quarantäne des gesamten Haushalts und einer manuellen Nachverfolgung aller Kontaktpersonen ließe sich Reff hingegen um 64 Prozent auf 0,94 senken. Die Verwendung einer Tracing-App, wie sie seit Dienstag auch in Deutschland verwendet wird, war in dem Modell hingegen weniger effektiv als die manuelle Nachverfolgung etwa durch Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern. Würden 53 Prozent aller Briten eine solche App verwenden, würde dies in Kombination mit den anderen Maßnahmen Reff „nur“ um 47 Prozent auf 1,4 senken, die Inzidenz mithin weiter zunehmen. In Großbritannien ist eine solche App bislang nicht verfügbar. Die Forscher gaben an, dass ihr Modell zwar plausible aber optimistische Annahmen enthalte (The Lancet 2020; online 16. Juni).

In einer kleinen Studie aus Vietnam konnte SARS-CoV-2 mittels Next Generation Sequencing (NGS) detektiert werden. Bei acht erwachsenen Patienten mit PCR-bestätigter SARS-CoV-2-Infektion, darunter zwei asymptomatische Patienten, fanden die Forscher SARS-CoV-2-Gensequenzen. Die Abdeckung des detektierten Genoms schwankte jedoch erheblich zwischen drei und 87 Prozent. Die Forscher vermuten, Metagenomics könnte in Zukunft bei Pandemien ein wichtiges diagnostisches Werkzeug werden. Denn in ihrem Versuch konnten sie gleichzeitig auch auf andere Pathogene untersuchen: Nur bei einem der acht Patienten fanden die Forscher Erbgut von Rhinoviren. (J Inf 2020; online 17. Juni).

Die Einführung der Maskenpflicht in den 15 US-Bundesstaaten und dem District of Columbia (DC) soll den Anstieg der COVID-19-Fallzahlen um bis zu zwei Prozentpunkte gesenkt haben. Das wollen Gesundheitsökonomen aus Iowa in einem Modell ermittelt haben. Die Bundesstaaten hatten entsprechende Auflagen zwischen dem 8. April und 15. Mai erlassen. Der Berechnung zufolge könnte dadurch der Anstieg der Fallzahlen schrittweise reduziert worden sein – von -0,9 Prozentpunkten in den ersten fünf Tagen auf -2 Prozentpunkte ab dem 21. Tag nach Einführung der Maskenpflicht (Health Affairs 2020; online 16. Juni).

Update vom 16. Juni

In der britischen RECOVERY-Studie konnte die Steroidgabe (6 mg/d i.v. oder p.o.) laut Angaben der Studienleiter vom Dienstag das Sterberisiko senken. Bei beatmeten COVID-19-Patienten lag es unter dem Steroid ein Drittel niedriger als unter der Standardtherapie (RR 0,65; 95% CI 0,48–0,88). Bei Patienten mit O2-Gabe war das Risiko unter Dexamethason um ein Fünftel reduziert (RR 0,88; 95% CI 0,67–0,96). Bei Patienten ohne Atemunterstützung war das Risiko hingegen nominell, aber nicht signifikant erhöht (RR 1,22; 95% CI 0,86–1,75). In der RECOVERY-Studie mit mittlerweile über 11.500 Patienten aus 175 NHS-Kliniken in Großbritannien waren 2104 randomisiert in den Dexamethason-Arm aufgenommen worden. Die Steroidgabe war mit zehn Tagen angesetzt. Im Vergleichsarm mit der Standardtherapie wurden randomisiert 4321 Patienten aufgenommen. Unter Standardtherapie war die 28-Tages-Sterblichkeit bei beatmeten Patienten mit 41 Prozent am höchsten. Unter O2-Gabe betrug sie 25 Prozent, bei Patienten ohne Atemunterstützung 13 Prozent. Nach dieser ersten Auswertung geben die Autoren die Number Needed to Treat (NNT), um unter Dexamethason einen Todesfall zu verhindern, mit 8 (für die beatmeten Patienten) und mit 25 für alle COVID-19-Patienten mit Sauerstoffgabe an.

In einem altersbasierten Transmissionsmodell von Forschern der britischen „CMMID COVID-19“-Arbeitsgruppe sind Personen unter 20 nur halb so empfänglich für eine SARS-CoV-2-Infektion wie solche ab 20. Klinische Symptome entwickelte nach einer Infektion bei den Zehn- bis 19-Jährigen nur jeder Fünfte (21 Prozent), während es bei den Über-70-Jährigen 69 Prozent waren. Basierend auf ihrem Modell mit Daten aus sechs Ländern war die Zahl stationärer COVID-19-Fälle bezogen auf die Einwohnergröße höher in Städten mit älterer Bevölkerung (Nat Med 2020; online 16. Juni).

22 Prozent der Weltbevölkerung bzw. 1,7 Milliarden Menschen könnte mindestens eine Erkrankung haben, die ihr Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöht. Das wollen Forscher der britischen „CMMID COVID-19“-Arbeitsgruppe errechnet haben. 4,5 Prozent der Weltbevölkerung würden dieser Berechnung zufolge infolge einer Infektion mutmaßlich hospitalisiert werden müssen. Für Europäer sehen die Forscher deutlich höhere Risiken als für Menschen in Afrika (The Lancet 2020; online 15. Juni).

Rurale Regionen außerhalb der großen Ballungszentren könnten in den USA am stärksten von einer Ausbreitung der Pandemie betroffen sein. Das zeigt ein SEIR-Modell (Suszeptible, Exponierte, Infektiöse, Recovered) von Forschern von der Princeton University in New Jersey. Für ihre Simulation haben die Forscher eine Prävalenz von 20 Prozent angenommen. Derzeit liegt sie nach den bestätigten Fallzahlen bei 6,4 Promille. In Studien schätzen Forscher wegen der asymptomatischen und undetektierten Fälle jedoch, dass die Prävalenz um den Faktor vier bis acht höher liegen könnte zwischen (Nat Med 2020; online 16. Juni).

Das Antidepressivum Fluoxetin hat in einem Laborversuch Würzburger Forscher die Replikation von SARS-CoV-2 reduziert. In Verozellen, die mit Virusisolaten von COVID-19-Patienten infiziert worden waren, hemmte die Gabe einer therapeutischen Dosis des SSRI (0,8 μg) die Replikation signifikant. Die mittlere effektive Dosis (EC50) gaben die Forscher mit 2,5 ng/ml an. Da in dem Versuch Paroxetin oder Escitalopram keine Wirkung zeigten, vermuten die Forscher einen direkten Effekt auf das Virus. Im Immunofluoreszenztest mit Patientenantiserum fanden die Wissenschaftler nach eigenen Angaben einen Effekt auf die Genregulation (bioRxiv 2020.06.14.150490).

Update vom 15. Juni

Auf dem in Japan festliegenden Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ hatten von den 712 Corona-Infizierten (positiver PCR-Test) 410 keine Symptome, die Meisten von ihnen blieben symptomlos. Die Analyse bei 90 Betroffenen an der „Fujita Health University“ in Aichi (Japan) ergab: Bis zur zweimal mit PCR bestätigten Virusfreiheit dauerte es bei 48 Prozent acht Tage und bei 90 Prozent 15 Tage. Je älter die Betroffenen waren, desto länger blieben sie Virusträger: Ab dem Alter von 36 Jahren verlängerte sich die Dauer bis zum Alter von 68 Jahren im Schnitt um 4,4 Tage (NEJM 2020, online 12. Juni).

Viele Corona-Patienten haben neurologische Symptome wie Kopfweh, Bewusstseinsstörungen und Anosmie. Die Hirn-Autopsie von 18 Gestorbenen am „Brigham and Women’s Hospital“ in Boston (USA) ergab akute hypoxische Hirnschäden im Cerebrum und Cerebellum mit Neuronenverlust im cerebralen Cortex, Hippocampus und im Stratum purkinjense. Thrombi oder Vaskulitis wurden nicht gefunden. Foci perivaskulärer Lymphozyten fanden sich bei zwei Gestorbenen und leptomeningeale Inflammation bei einem. Die Riechkolben waren pathologisch unauffällig. Geringe Mengen von Virus-RNA im Hirn wurden bei fünf Gestorbenen belegt (NEJM 2020; online 12. Juni).

Die Menge des verkauften Toilettenpapiers hat sich zu Beginn der Coronakrise zum Teil versiebenfacht, berichten Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Menschen mit starken Bedrohungsängsten sowie einem hohen Maß an Emotionalität und Gewissenhaftigkeit haben dabei eher Klopapier gehamstert als Menschen mit anderen Persönlichkeitsstrukturen, so die Forscher. Sie haben dazu Mitte März 1029 Erwachsene aus 35 Ländern einen Persönlichkeitstest machen lassen (Brief HEXACO Inventory). Weitere Ergebnisse: Ältere Menschen horteten mehr Toilettenpapier als jüngere Menschen und Amerikaner mehr als Europäer (PLOS ONE 2020, online 12. Juni).

Serologische Tests auf SARS-CoV-2-Antikörper könnten einer neuen Übersicht zufolge eine deutlich geringere Sensitivität haben als bei manchen Tests angegeben. Eine europäische Autorengruppe hat in einem Zufallseffektmodell eine Sensitivität für IgM von 82 Prozent und für IgG von 85 Prozent ermittelt. Die Spezifität war schätzen die Autoren auf 98 (IgM) und 99 Prozent (IgG). Bei einer Kohorte mit einer SARS-CoV-Prävalenz unter 6 Prozent läge der PPV somit nur bei 88 Prozent oder darunter (Euro Surveill. 2020;25(23):pii=2000980).

Update vom 12. Juni

Alleine der Schutz des Gesichts in der Öffentlichkeit soll schon maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie beigetragen haben. Das wollen US-Forscher jedenfalls mit Blick auf die Ausbrüche in Wuhan, Italien und New York City ermittelt haben. In ihrer Trendanalyse anhand der Verläufe in diesen „Epizentren“ und dem Beginn diverser Interventionen sollen allein durch den Gesichtsschutz Tausende Neuinfektionen verhindert worden sein. Die Autoren sprechen von über 78.000 weniger Neuinfektionen zwischen Anfang April und Anfang Mai in Italien. In New York City sollen so über 66.000 Infektionen verhindert worden sein. Andere Maßnahmen, etwas die physische Distanzierung (social distancing) soll in den USA für sich genommen nur „insuffizient“ gewesen sein (PNAS 2020; online 11. Juni).

In einer Querschnittsstudie an vier Krankenhäusern in Wuhan schützte eine umfassende Ausrüstung Krankenhauspersonal vor SARS-CoV-2-Infektionen. Für die Mitarbeiter in Intensiv- und Normalstationen standen Masken, Schutzanzüge, Isolierkittel, Handschuhe, Augenschutz und Kopfbedeckung zur Verfügung. Die 430 Studienteilnehmer hatten Kontakt zu COVID-19-Patienten und waren aerosol-produzierenden Prozeduren ausgesetzt. Nach ihrem Einsatz hatte keiner einen positiven Nachweis auf SARS-CoV-2-Antikörper (IgM oder IgG) (BMJ 2020; 369: m2195).

Nur 34 Prozent aller Autoren wissenschaftlicher Arbeiten zu COVID-19 sind einer Analyse europäischer Forscher*innen zufolge Frauen. 29 Prozent aller Erstautoren waren weiblich. Bei den Letztautoren war der Anteil mit 26 Prozent noch niedriger (BMJ Glob Health. 2020;5(7):e002922).

Update vom 10. Juni

Bei weniger als einem Prozent von 914 Blutspendern in Hamburg haben Transfusionsmediziner SARS-CoV-2-Antikörper gefunden. Für die Untersuchung wurden Blutspenden aus April, Mai und Juni untersucht, wie das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) am Dienstag mitteilte.

Update vom 9. Juni

In einer Fallserie von 58 in Krankenhäusern in England behandelten Kindern mit COVID-19 fanden Forscher Unterschiede zu anderen pädiatrischen inflammatorischen Syndromen. Verglichen mit der Klassifikation früherer Kawasaki-Fälle waren die Kinder mit im Mittel neun Jahren älter. Auch fielen stärker erhöhte Entzündungsmarker auf, wie etwa CRP. Auffällig war der geringe Anteil positiver PCR-Tests: Nur 26 Prozent der Kinder hatten einen positiven Virusnachweis, was für späte Erkrankungsstadien sprechen könnte. Bei 87 Prozent lagen hingegen SARS-CoV-2-IgG-Nachweise vor; bei 78 Prozent wurde eine Infektion anamnestisch ermittelt (JAMA 2020; online 8. Juni).

In einer kontrollierten Studie mit zwölf Tieren zeigten nur die Tiere in der Placebo-Gruppe klinische Symptome von COVID-19. Die Tiere unter Remdesivir hatten im CT auch weniger Infiltrate und die Virustiter in der bronchoalveolären Lavage waren niedriger. Die Tiere wurden binnen zwölf Stunden nach Inokulation mit SARS-CoV-2 behandelt (Nature 2020; online 9. Juni). Derweil hat Gilead die bedingte Zulassung für Remdesivir in der EU beantragt.

Das schätzen zumindest Forscher aus Großbritannien, die die Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen auf die Pandemie modelliert haben. Untersucht haben sie elf Länder in Europa, darunter Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien. Sie schätzen die Wirkungen der Maßnahmen als „groß“ ein, um die effektive Reproduktionszahl Rt auf unter 1 gesenkt zu haben (Nature 2020; online 8. Juni).

Ökonomen und Statistiker haben in einem ökonometrischen Modell errechnet, dass die Kombination verschiedener Lockdown-Maßnahmen Millionen zusätzlicher Coronafälle verhindert haben könnte. Für ihr Rechenmodell haben sie Daten und Maßnahmen in China, Südkorea, Italien, Iran, Frankreich und den USA betrachtet. Nach ihren Kalkulationen sollen durch das „Paket“ aller Maßnahmen in den sechs Ländern 62 Millionen zusätzliche bestätigte Fälle verhindert worden sein und 531 Millionen insgesamt mit dem Coronavirus Infizierte (Nature 2020; online 8. Juni).

Das wollen deutsche Ökonomen in einer vergleichenden Fallstudie herausgefunden haben. Darin haben sie Jena, wo sehr früh eine Maskenpflicht eingeführt wurde, mit anderen Regionen verglichen. Ihrer Berechnung zufolge könnten Masken binnen zehn Tagen zu zwischen 2,3 und 13 Prozent weniger Neuinfektionen geführt haben, als wenn keine Maskenpflicht eingeführt wäre (IZA DP No. 13319).

Der Coronaausbruch im Norden Kaliforniens könnte auf mehrere Einschleppungen zurückgehen. Forscher fanden bei der Analyse der Proben von 36 Patienten SARS-CoV-2-Stämme aus Europa, New York, China und dem US-Bundesstaat Washington (Science 2020; online 8. Juni).

Updates von Ende Mai und Anfang Juni

40 bis 45 Prozent aller SARS-CoV-2-Infektionen könnten asymptomatisch verlaufen. Zu diesem Ergebnis kommen Autoren eines unsystematischen, narrativen Reviews. Dafür haben sie die Daten verschiedener Kohorten in der Coronavirus-Pandemie untersucht. (Ann Int Med 2020; online 3. Juni).

Das teilten die Forscher der britischen Studie mit. Bei bislang 1542 Patienten war die 28-Tages-Mortalität bislang mit 1,11 nominell aber nicht signifikant höher. Neue Patienten würden nicht aufgenommen.

In einer Genanalyse von über 800 europäischen Coronapatienten fanden Forscher ein um 1,45-fach erhöhtes Risiko für eine Ateminsuffizienz bei Trägern der Blutgruppe A. Bei der Blutgruppe 0 war die Odds Ratio bei 0,65 (medRxiv 2020.05.31.20114991).

Forscher aus Harvard wollen ermittelt haben, dass das Coronavirus schon im Herbst 2019 in Wuhan aufgetreten sein könnte. Das leiten sie aus Auswertungen von Suchmaschinenabfragen und Satellitenbildern von Krankenhausparkplätzen ab.

In einer New Yorker Fallserie mit 1000 COVID-19-Patienten entwickelten 78 Prozent der Patienten auf der Intensivstation ein akutes Nierenversagen. 35,2 Prozent mussten an der Dialyse behandelt werden (BMJ 2020; 369: m1996).

In einer Untersuchung mittels Methoden der reversen Genetik fanden Wissenschaftler die höchste Infektiosität bei nasalen Epithelzellen. An diesen Zellen war der für das Coronavirus wichtige ACE2-Rezeptor am stärksten exprimiert. Der Gradient der Infektiosität war absteigend von proximalen zu distalen Epithelzellen. Dies könnte bestätigen, dass Infektionen mit SARS-CoV-2 ihren Ursprung mehr in den oberen als in den unteren Atemwegen nehmen. Zudem könnte die Nasenschleimhaut eine wichtigere Eintrittspforte spielen als die des Rachens. (Cell 2020; online 26. Mai).

In einer Kohortenanalyse mit Daten von Engländern aus der britischen „UK Biobank“-Studie war physische Inaktivität mit einem relativen Risiko von 1,32 für eine COVID-19-Erkrankung assoziiert. Adipositas ging mit einem relativen Risiko von 2,05 und Rauchen mit einem relativen Risiko von 1,42 einher. Bei Alkoholkonsum war das relative Risiko von 1,12 nicht signifikant erhöht (CI: 0,93–1,35). Die Lebensstilfaktoren werden in der „UK Biobank“-Studie mittels Fragebögen erhoben (Brain Behav Immun 2020; May 23. S0889-1591(20)30996-X).

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