Tierreservoir für Coronaviren

Wie begründet ist die Angst vor SARS-CoV-2 in Nerzen?

In Dänemark werden Millionen Nerze gekeult, weil SARS-CoV-2 nachweislich zwischen Tier und Mensch „pendeln“ kann. Wie hoch ist das Risiko, sich bei Nerzen und anderen Tieren anzustecken?

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Nerzfarm: In Umgebungen mit hoher Tierdichte ist bei Befall von einem großen SARS-CoV-2-Übertragungsrisiko auszugehen.

Nerzfarm: In Umgebungen mit hoher Tierdichte ist bei Befall von einem großen SARS-CoV-2-Übertragungsrisiko auszugehen.

© Rokas / stock.adobe.com

Neu-Isenburg. Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie wird über das Infektionsrisiko von Haus- und Nutztieren diskutiert. Dies zum einen wegen der Gefahr einer potenziellen Rückübertragung auf den Menschen und einer weiteren Verbreitung. Zum anderen hat ein sich ausbreitender Massenbefall wirtschaftliche Folgen. Jetzt werden in Dänemark sowie in anderen Ländern Europas und Nordamerikas Millionen Nerze getötet, weil sich beides bestätigt hat.

Auf den Farmen mit ihren teils tausenden und zehntausenden Nerzen kann sich das Virus rasch ausbreiten. Die Morbidität und Letalität der erkrankten Tiere ist verschieden und kann so gering sein, dass Ausbrüche auf den Farmen leicht übersehen werden können, berichten niederländische Wissenschaftler (Vet Pathol 2020; 57:653-657). Und: Es hat nachgewiesenermaßen Übertragungen von infizierten Tieren auf Menschen gegeben.

Nach Berichten der britischen BBC sollen sich allein in Dänemark bereits mehr als 200 Menschen bei Nerzen mit dem Coronavirus angesteckt haben. In Europa existieren solche Nerzfarmen auch in Spanien, Schweden, Italien und den Niederlanden. Von dort wird nach WHO-Angaben ebenfalls von Übertragungen des Coronavirus auf Menschen berichtet.

Verbreitung genetischer Corona-Varianten befürchtet

Die WHO Europa und Experten des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), äußerten nach einer gemeinsamen Sitzung mit Vertretern Dänemarks am 5. November 2020 die Befürchtung, dass bei diesen Übertragungen von Tieren auf Menschen genetische Varianten von SARS-CoV-2 in die Bevölkerung getragen werden könnten. Diese könnten dann womöglich die derzeitigen Bemühungen um präzise diagnostische Instrumente, um präventive Impfstoffe sowie um Medikamente zur Behandlung von COVID-19 ungünstig beeinflussen.

Wissenschaftliche Evidenz dafür gibt es bislang nicht. SARS-CoV-2 mutiert vergleichsweise langsam. Dennoch finden solche Mutationen permanent statt. Das massenhafte Keulen von Nutztieren ist insofern eine drastische, präventive und für die betroffenen Farmen potenziell ruinöse Maßnahme.

Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage, wie es mit der Übertragung auf andere Haus-, Nutz- und Wildtiere aussieht. „Wenn Milliarden Menschen rund um den Globus das Virus in sich tragen sowie vor dem Hintergrund der mutmaßlich tierischen Herkunft und der hohe Rekombinationsraten von SARS-Coronaviren erscheint die reverse Übertragung von SARS-CoV-2 vom Menschen auf Tiere unausweichlich“, meinen Emma Hobbs und Tristan Reid vom Australian Centre for Disease Preparedness (ACDP) in Victoria, Australien, in einem aktuellen Review (Transbound Emerg Dis 2020; online 22. Oktober).

Systematische Untersuchungen fehlen

Noch sind zwar nicht Milliarden Menschen infiziert, von einer globalen Durchseuchung wird jedoch ausgegangen. Was wird dann passieren? Hobbs und Reid haben sich die veterinärmedizinische Literatur dazu angeschaut und stellen zunächst fest, dass – wenig überraschend – das systematische Testen von Tieren bislang keine Priorität gehabt habe.

Wir wissen also nicht wirklich, was gerade in Tierpopulationen passiert. Gesichert sind SARS-CoV-2-Infektionen bei domestizierten Katzen, und zwar sowohl bei Hauskatzen als auch bei Löwen und Tigern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von Menschen angesteckt worden sind. Hunde scheinen dagegen weniger empfindlich zu sein.

Es gibt bislang keine Evidenz dafür, dass sich umgekehrt Menschen bei ihren Haustieren angesteckt hätten. Und es wird bislang als unwahrscheinlich angesehen, dass dies maßgeblich zur Virustransmission in der Bevölkerung beiträgt. Zumal fast alle infizierten Tiere nach bisherigen Beobachtungen spontan gesund geworden sind – solange man sie nicht gekeult, ausgesetzt oder, wie in China, von Hochhäusern geworfen hat.

Erhöhtes Risiko bei Massentierhaltung

In Umgebungen mit hoher Tierdichte, also in Ställen oder auf Farmen, müsse jedoch von einem substanziell erhöhten anthroponotischen und zoonotischen Transmissionsrisiko ausgegangen werden, meinen Hobbs und Reid. Das scheint sich nun bei Nerzen und Frettchen zu bestätigen.

Bei Geflügel und Schweinen ist die Suszeptibilität für das Virus offenbar gering. So sind experimentelle Infektionsversuche von Schweinen nicht gelungen. Gleichwohl glauben manche Wissenschaftler, dass Schweine intermediäre Wirte für SARS-CoV-2 sein könnten. Ebenso wenig ließen sich Hühner, Truthähne, Enten, Wachteln, Gänse oder Tauben experimentell infizieren.

Dennoch werden die Überwachungsbemühungen derzeit verstärkt. Die australischen Wissenschaftler weisen darauf hin, dass in China, Europa und Nordamerika 101 Millionen Tierfelle pro Jahr produziert werden, darunter allein 26 Millionen Nerzfelle aus China. Die hohe Dichte, mit der Nerze und andere kleine Säugetiere gehalten werden, bieten ein Reservoir für virale Replikation, Transmission und reverse Übertragung von SARS-CoV-2 auf den Menschen.

Warum diverse Tierarten mehr oder weniger empfindlich für SARS-CoV-2 sind, ist ebenso unbekannt wie die exakte zoonotische Transmissionsroute vom Tier zum Menschen. Damit bleiben vorerst physikalischer Schutz, Abstand und Hygiene die einzigen Mittel der Prävention.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 11.11.202017:33 Uhr

In D wurden den Pelztierfarmen schon in den 1990er Jahren durch Tierschutz-Aktivisten und deren Druck auf die Politik die Existenz entzogen. Nun scheinen die auch in DK und anderswo etwas verspätet das Gleiche erreicht zu haben. - - -
Jedenfalls können nicht "Seuchengründe" benannt werden, weil die Nerze -trotz enger Intensivhaltung- nicht massenhaft an irgendeiner Form von SarsCoVirus- infektion erkrankt oder and Covid verendet sind.
Das durch einzelne veterinäre und humanmedizinische Seuchen- Experten immer wieder heraufbeschworene "Überspringen" von animalischen Viruspartikeln auf Menschen, scheint mir ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass die sich antigenetisch und in ihrer hypothetischen Virulenz ziemlich fremd sind.
Bei meiner amtstierärztlichen Kontrolle der Schimpansenhaltung im Frankfurter Georg- Speier-Haus des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) in den 1980/90er Jahren bin ich unterrichtet worden, dass die künstliche Übertragung des HIVirus auf unseren (zoologisch) "nächsten" Verwandten nicht gelungen ist! Und dabei soll sich doch der Primat (Pan troglodydes) zellulargenetisch nur 3-prozentig vom humanen Genom unterscheiden.
Und dieser Unterschied dürfte stets auch für die Ansteckungsfährigkeit/ Infektiosität unter verschiedenen Spezies maßgeblich sein.
Auch sog. Infektionsversuche, die in der Virologie i.d. Regel nur einen methodologisch indirekten Erregernachweis nach der künstlichen Infektion liefern, sind manchmal in Frage zu stellen. So erscheint mir gerade der Virusnachweis, ohne pathogene Organmanisfestation, nicht in jedem Falle einer "Infektion" (als Grundlage für ein Erkranken) zu entstammen, sondern ggf. auch lediglich einer antigenetischen "Kontamination" ohne epidemische Relevanz; besonders nach oberflächlichen "Abstrichen", wenn gar keine Virämie nachweisbar ist.
So gelingt ja die PCR-Methode gemäß ihrer Namensgebung erst durch ein molekularbiologisches "Anreicherungs"- Verfahren, der Polymerase-Kettenreaktion wg. der geringen "Viruslast".
Dr. med. vet. Grünwoldt, Rostock

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