Was tun?
Zeitbombe Antibiotika-Resistenz
Der Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen ist ein großes Thema auf dem G7-Gipfel. Im Fokus steht dabei der Antibiotikaeinsatz in der Tiermast. Untersuchungen zeigen: Das Problembewusstsein ist groß - die Wissenslücken sind es aber auch.
Veröffentlicht:BERLIN. Im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen setzt die Berliner Uniklinik Charité in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut jetzt auf mehr Information.
Zwar ist das Problembewusstsein in der Bevölkerung hoch, doch gibt es auch große Wissenslücken. Das zeigt eine repräsentative Befragung durch TNS Emnid im Rahmen des Forschungsprojektes RAI - Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation.
Mehr als zwei Drittel der Befragten, fanden das Thema Antibiotikaresistenzen wichtig oder sehr wichtig (70 Prozent).
Doch wusste nur jeder Vierte, wer oder was gegen Antibiotika resistent werden kann. Zugleich gingen 58 Prozent der Befragten davon aus, dass ihr eigenes Verhalten keinen Einfluss auf die Resistenzbildung hat.
Das Fazit der Charité-Forscher: "Um die Resistenzproblematik in den Griff zu bekommen, müssen wir besser informieren als bisher", so die Charité-Chef-Hygienikerin Professor Petra Gastmeier.
Gezielte Info-Kampagne
Das Projekt RAI will sektorenübergreifend Informations- und Kommunikationsstrategien zum maßvollen Einsatz von Antibiotika entwickeln. "Eines der größten Versäumnisse in der Vergangenheit war, dass man die Initiativen immer nur auf eine bestimmte Gruppierung beschränkt hat", sagt Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.
RAI soll nun alle Beteiligten angesprochen. Informationstools, Botschaften und Kommunikationsstrategie sollen auf einzelne Zielgruppen zugeschnitten werden. Dazu zählen Hausärzte, Chirurgen und Intensivmediziner, Tierärzte und Landwirte, ambulante Patienten, Fernreisende.
Das Projekt beschränkt sich zunächst auf Berlin, Brandenburg und Thüringen. Derzeit läuft die Auswertung zum Informationsstand der Hausärzte.
Die Gesundheitsexpertin der Grünen Kordula Schulz-Asche hatte kürzlich eine Informationskampagne gefordert. "Wir brauchen eine Aufklärungsoffensive für den bewussten Umgang mit Antibiotika und über die Risiken multiresistenter Erreger", so Schulz-Asche.
Wie in Frankreich: "Mit einer flächendeckenden Medien-Kampagne konnte die Antibiotikaverordnung in der ambulanten Krankenversorgung um 26,5 Prozent reduziert werden. Das muss auch unser Ziel sein", so Schulz-Asche.
Zwar sind auch im Krankenhaus deutliche Verbesserungen möglich, wie eine Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion kürzlich zeigte. Sowohl stationär als auch ambulant sind demnach mindestens 30 Prozent der Verordnungen unnötig.
85 Prozent der Antibiotika in der Humanmedizin werden nach Angaben der Studienautorin und Charité-Hygienikerin Dr. Elisabeth Meyer von niedergelassenen Ärzten verordnet.
Verordnungen nicht immer indikationsgerecht
Zwar nehmen die Verschreibungen Meyer zufolge seit 2009 leicht ab, es würden aber mehr resistenzbefördernde Antibiotika wie Chinolone und Cephalosporine eingesetzt.
Die Hygienikerin stellt auch fest, dass im Nordosten und in Bayern insgesamt weniger Antibiotika verordnet werden als in westlichen Bundesländern. "Die Gründe dafür sind unklar, zeigen jedoch das Verbesserungspotenzial."
Dass die Verordnungen nicht immer indikationsgerecht sind, sieht Meyer auch dadurch belegt, dass sich der Verbrauch der Chinolone Norfloxacin und Ciprofloxacin innerhalb von sieben Jahren verdoppelt habe, nachdem sie zu einem reduzierten Preis als Generika angeboten wurden.
"Parallel dazu stieg die Resistenz gegen Ciprofloxacin bei E. coli an", so Meyer. Sie regte daher Mindestpreise für Antibiotika an.
Im internationalen Vergleich verordnen deutsche Ärzte aber relativ wenig Antibiotika. Bei der Verordnungsmenge liegt Deutschland im unteren Drittel der EU-Staaten.
Hochverbraucher Tiermast
Dagegen gehöre Deutschland EU-weit zu den Hochverbrauchern beim Einsatz von Antibiotika in der Tiermast, so Meyer. Nach ihren Angaben wurden 2013 in Deutschland 1452 Tonnen Antibiotika in der Tiermast eingesetzt, zwei Jahre zuvor noch 1706 Tonnen.
Zeitgleich beobachtet die Hygienikerin aber auch in der Tiermast einen problematischen Anstieg bei Chinolonen von acht auf zwölf Tonnen.
Neun von zehn Masthähnchen und Puten werden nach ihren Angaben antibiotisch behandelt, oft mit mehreren zeitgleich verabreichten Antibiotika. "Ein so hoher Verbrauch kann und sollte deutlich reduziert werden", fordert sie.
Meyers Prognose: "Wenn man die Entwicklung der Resistenzraten fortschreibt und wirksame Gegenmaßnahmen unterlässt, werden antibiotikaresistente Keime weltweit gesehen im Jahr 2050 zu den Haupttodesursachen gehören - mit Schwerpunkt in Asien und Afrika. In Europa dürfte sich die Zahl der Todesfälle durch antibiotikaresistente Keime von derzeit 23.000 auf knapp 400.000 im Jahr 2050 erhöhen."