Bayern
Ärger um Corona-Aufnahmestopp in Pflegeheimen
Seit Samstag ist es Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen für Behinderte in Bayern wegen des Risikos einer Infektion der Bewohner mit dem Coronavirus verboten, neue Patienten aufzunehmen. Dafür gab es nicht von allen Seiten Beifall.
Veröffentlicht:München. Die am Freitag vom Gesundheitsministerium erlassene und Samstag umgesetzte Allgemeinverfügung soll die Bewohner vor Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. „Für ältere und pflegebedürftige Menschen besteht eine besonders hohe Gefahr, an COVID-19 mit schwerem Verlauf zu erkranken“, begründete die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml ihren Schnellschuss.
Dem würde die Präsidentin des Sozialverbands VdK in Bayern, Verena Bentele, wohl kaum widersprechen. Was sie kritisiert ist vor allen Dingen die Radikalität dieser Maßnahme. „Der harte Aufnahmestopp für Behinderten- und Pflegeeinrichtungen in Bayern bringt Pflegebedürftige und ihre Familien in extreme Bedrängnis“, stellt sie fest. Sie hält es für ein „entmutigendes Zeichen“ für die gesamte Gesellschaft, wenn „hilfsbedürftige Menschen in potenziell gesundheitsgefährdende Situationen getrieben werden“, weil ihnen die fachliche Unterstützung verwehrt bleibe.
Keine Regel ohne Ausnahmen
„Angehörige werden mit ihren Problemen mal wieder alleine gelassen“, so ihr Eindruck. Schon jetzt seien beim VdK „einige Hilferufe“ von Betroffenen eingegangen. Ihre Forderung: „Diejenigen, die wegen der abrupten Ausdünnung der ambulanten Versorgung und der Versorgung durch ausländische Pflegekräfte die Pflege daheim nicht mehr fachlich gewährleisten können, brauchen jetzt genauso eine Lösung wie diejenigen, deren Angehörige aus der Klinik in die Pflegebedürftigkeit entlassen werden.“
„Die Staatsregierung darf die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht allein lassen“, sagt auch die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, Ruth Waldmann (SPD). Sie fordert die Staatsregierung auf, jetzt nach dem Aufnahmestopp dafür zu sorgen, dass in allen Regionen Bayerns „eine menschenwürdige Lösung“ für diese Personengruppen angeboten werde. Zudem schlägt sie vor, die Koordinierung von Pflege und Betreuung auf Ebene der Regierungsbezirke zu organisieren. „Wenn Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung ab sofort nicht mehr aufgenommen werden, muss die Staatsregierung auch sofort eine Lösung präsentieren. Die Häuser und Träger selbst können ja die Verantwortung nicht mehr übernehmen“, so Waldmann.
Möglicherweise auch mit Blick auf die kritischen Reaktionen, die umgehend nach Bekanntwerden der Allgemeinverfügung, erfolgten, hat das Bayerische Gesundheitsministerium am Sonntag in einer Stellungnahme eine Rechtfertigung und Erklärung des umstrittenen Erlasses veröffentlicht. „Angesichts der zunehmenden Infektionsgeschehen in Pflegeeinrichtungen, der besonderen Gefährdung der dort lebenden Personen und der oft schweren Krankheitsverläufe bedarf es des besonderen Schutzes“, wird darin noch einmal die Bedeutung der Maßnahme betont.
Es gelte, Infektionsketten zu unterbrechen und von Anfang an zu unterbinden. Die entsprechende Allgemeinverfügung des bayerischen Gesundheits- und Pflegeministeriums stelle diesen Schutz in den Vordergrund, ermögliche aber „ein dem Einzelfall angepasstes Vorgehen.“
Kapazitäten für Kurzzeitpflege vorhanden
Auch verweist das Gesundheitsministerium auf alternative Unterbringungsmöglichkeiten. „Die Reha-Einrichtungen in Bayern sind aufgefordert worden, alle medizinisch nicht erforderlichen Behandlungen abzusagen“, erklärt ein Ministeriumssprecher. Deshalb seien Kapazitäten für die Kurzzeitpflege vorhanden, um Übergänge zu gestalten. Nach Informationen des Gesundheitsministeriums existieren im Freistaat 61 Einrichtungen der geriatrischen Rehabilitation mit rund 2900 Plätzen. „Es gibt also trotz des Aufnahmestopps für Pflegeeinrichtungen durchaus eine Möglichkeit, Unterstützung zu bekommen“, so der Sprecher.
Zudem verwies er darauf, dass der Aufnahmestopp für Pflegeeinrichtungen auch Ausnahmen vorsehe. Diese gelten zum Beispiel für Pflegeeinrichtungen, die gewährleisten könnten, dass neue Bewohner für einen Zeitraum von 14 Tagen in Quarantäne untergebracht werden könnten. Weitere Ausnahmen könnten in „besonders gelagerten Einzelfällen“ mit Zustimmung des zuständigen Gesundheitsamts durch die jeweilige Pflegeeinrichtung zugelassen werden.