Beobachtung in den USA
COVID-19 schlägt oft auf Magen und Darm
Von den COVID-19-Patienten, die in ein Krankenhaus aufgenommen werden, geben nach Erfahrungen aus den USA fast zwei Drittel auch gastrointestinale Beschwerden an.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
- Frage: Wie häufig sind gastrointestinale Symptome bei COVID-19?
- Antwort: Gut 60 Prozent der stationär behandelten Patienten stellen sich mit Magen-Darm-Beschwerden vor, vor allem mit Inappetenz, Diarrhö und Übelkeit.
- Bedeutung: Gastrointestinale Symptome können möglicherweise zu einer frühen Diagnose beitragen; prognostisch scheinen sie keine Bedeutung zu haben.
- Einschränkung: Retrospektive Studie mit 300 Patienten.
Boston. Zwar stehen respiratorische Symptome bei den meisten an COVID-19 erkrankten Patienten im Vordergrund, das Virus breitet sich aber nicht nur in den Atemwegen aus, sondern kann auch andere Organe in Mitleidenschaft ziehen. Häufig handelt es sich dabei um den Magen-Darm-Trakt.
Einer Studie des Brigham and Women’s Hospital in Boston zufolge präsentieren sich über 60 Prozent der hospitalisierten Patienten (auch) mit gastrointestinalen Beschwerden (Gastroenterol 2020; online 22. April).
Für die Studie wurden retrospektiv die Daten aller COVID-19-Patienten ausgewertet, die bis Anfang April in einem von neun Krankenhäusern in Massachusetts behandelt worden waren. Von den 318 Patienten, die fast alle übergewichtig bis adipös und meistens chronisch krank waren, gaben 61 Prozent bei der Vorstellung auch mindestens ein gastrointestinales Symptom an.
Anosmie/Ageusie häufiger mit Gastro-Beschwerden
Inappetenz und Diarrhö wurden von jeweils einem Drittel aller Patienten und damit am häufigsten genannt. Über Übelkeit klagte jeder Vierte. Bei 20 Prozent aller Patienten dominierten die Magen-Darm-Symptome sogar das Beschwerdebild. Bei jedem siebten Patienten waren sie die erste Manifestation der Erkrankung.
Die Patienten mit Magen-Darm-Symptomatik berichteten deutlich häufiger als andere über einen Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns (17 Prozent versus 7 Prozent). Auch von Fatigue, Myalgien und Halsschmerzen waren sie öfter betroffen.
Bei Laborwerten und Entzündungsmarkern machte sich die An- oder Abwesenheit solcher Beschwerden dagegen nicht bemerkbar. Im Gegensatz zu einer Publikation aus China hatten die betroffenen Patienten auch keine ungünstigere Prognose: Klinische Verschlechterung, Beatmungspflicht und Tod traten nicht häufiger auf als bei Patienten ohne gastrointestinale Symptome.
Teil der COVID-19-Diagnostik?
Voraussetzung für die Infektion von Zellen mit SARS-CoV-2 ist die Anwesenheit von membranständigem Angiotensin-Converting-Enzyme 2 (ACE2). Dieses Protein dient als Rezeptor, an den das Virus zunächst andockt. ACE2 wurde unter anderem in der Membran von Epithel- und Drüsenzellen des Ösophagus und in Enterozyten in Dünndarm und Kolon nachgewiesen.
Die Autoren der US-Studie um Dr. Walker Redd fordern nun mehr Untersuchungen dazu, ob Tests auf gastrointestinale Symptome die COVID-19-Diagnostik bessern können.