Studentisches Projekt
Mit StuBe gegen Corona
70 Ehrenamtliche haben sich in Marburg zu einer schnellen Hilfe für Menschen zusammengefunden, die unter der Corona-Krise leiden. Sie wollen möglichst niederschwellig helfen: per Online-Sprechstunde.
Veröffentlicht:Marburg. „Ich weiß gar nicht, ob mein Problem schlimm genug ist“, sagt die Studienanfängerin, die sich schon seit Wochen müde und niedergeschlagen fühlt. Die Uni hat sie fast noch nie von innen gesehen. Mit dem Lernstoff hängt sie hinterher. Ihren Nebenjob hat sie verloren. Der Uni-Sport fehlt ihr. Und in der Wohngemeinschaft läuft es gerade auch nicht so gut. Dabei findet sie: „Eigentlich habe ich gar keinen Grund zur Klage. Anderen geht es viel schlechter.“ Ein typischer Fall aus der „Studentischen Beratung Marburg“, kurz „StuBe“. Dahinter stehen mehr als 70 Psychologiestudierende aus der Universitätsstadt, die zuhören, unterstützen und konkrete Strategien anbieten wollen.
Die Idee stammt von Louisa Venhoff (22) und Emilia Reichwein (24). Die beiden Studentinnen wollen psychisch belasteten Menschen in der Coronakrise mit ihrem Wissen helfen. „Wir wollen so niedrigschwellig wie möglich und so früh wie möglich intervenieren“, sagt Venhoff. Schließlich müssen Ratsuchende derzeit monatelang auf einen Therapieplatz warten. Und während der Pandemie ist die Zahl der Anfragen bei den Psychotherapeuten noch einmal in die Höhe geschnellt. Deshalb seien die bislang angesprochenen Ambulanzen und Praxen auch froh über das Angebot, berichtet Venhoff.
Kein Ersatz für Therapie
Zudem achten die angehenden Psychologinnen darauf, dass bei den Ratsuchenden keine psychische Diagnose vorliegt. Um dies sicherzustellen, gibt es einen Fragebogen und ein standardisiertes telefonisches Vorgespräch: „Wir können keinen Ersatz für eine Therapie bieten“, so Venhoff. In diesen Fällen – es betrifft etwa jeden Siebten – suchen die Studierenden gemeinsam mit den Betroffenen nach Therapieplätzen und alternativen Einrichtungen.
Meist können die studentischen Berater aber durchaus helfen. Sie bieten nach dem Vorgespräch drei einstündige, kostenlose Beratungstermine an – per Video-Online-Gespräch. Alle Berater sind mindestens im siebten Semester, haben mindestens drei Monate Praxiserfahrung und werden speziell geschult. Begleitet wird das Projekt durch eine Studie der Marburger Philipps-Universität unter Leitung von Dr. Marcel Wilhelm. Der Psychotherapeut bietet den Studierenden auch Supervisionen an.
„Vielen hat es geholfen, einfach reden zu können“, berichtet Beraterin Teresa Flarup. Viele fühlten sich einsam. Darüber hinaus können die angehenden Psychologen aus ihrem Studium heraus Hilfestellungen geben. Typisch seien etwa Ratsuchende, denen angesichts geschlossener Universitäten die Tagesstruktur verloren gegangen sei. Hier könnten sie Strategien für selbst reguliertes Lernen weitergeben. Anderen helfen Achtsamkeits- und Atemübungen. Dazu gibt es weiterführende Links und Ansprechpartner.
Alle Beteiligten arbeiten ehrenamtlich. Und die kostenlose Unterstützung startet schnell. Wer den Fragebogen im Internet ausgefüllt hat, für den folgt schon in der darauffolgenden Woche das erste Gespräch. Dann werden drei Termine verabredet.
Uni-Studie zur Begleitung
Dass keiner der Berater über 30 Jahre alt ist, war bislang noch kein Problem, berichtet die 23-jährige Masterstudentin Antonia Wilhelm. Aber die meisten Ratsuchenden sind auch selbst jung. Und auch die Älteren freuten sich darüber, mit konkreten Strategien besser durch den Alltag zu kommen. Zudem bieten die Studierenden auch Beratungen auf Englisch, Ukrainisch, Russisch, Spanisch und Türkisch.
„StuBe“ hat sein Ende April gestartetes Projekt inzwischen ausgeweitet: Es richtet sich nicht nur bundesweit an Menschen, die unter der Corona-Pandemie leiden, sondern an jeden, der sich psychisch belastet fühlt. Wie erfolgreich die Studierenden damit sind, soll eine Untersuchung des Uni-Instituts für Psychologie zeigen. Dazu gibt es vor und Monate nach der Beratung Fragebögen.
Weitere Informationen: www.stube-marburg.de