Modellprojekt in Bayern

Mit dem Naloxon-Notfallkit zum Lebensretter

Die Anwendung von Naloxon-Nasenspray bei Opioid-Überdosierungen haben seit 2018 rund 550 Bayern in einer Schulung gelernt. Oft stammen sie selbst aus dem Drogenmilieu. Seither konnten wohl zahlreiche Leben gerettet werden.

Von Michaela Schneider Veröffentlicht:
Notfall-Set des Medikaments Naloxon – hier das Set, das bereits 2018 im Rahmen von Schulungen des Drogenvereins Mannheim verwendet wurde.

Notfall-Set des Medikaments Naloxon – hier das Set, das bereits 2018 im Rahmen von Schulungen des Drogenvereins Mannheim verwendet wurde.

© Uwe Anspach/picture alliance

München. In 93 Fällen haben geschulte Laien im Zuge des im Oktober 2018 gestarteten bayerischen Modellprojekts „BayTHN – Take-Home-Naloxon“ (THN) möglicherweise Leben retten können. Rund 550 Personen wurden seither trainiert, wie sie im Notfall ein Naloxon-Nasenspray anwenden bei Menschen, die akut einen durch eine Überdosis von Heroin oder anderen Opioiden verursachten Atemstillstand erleiden. Zuvor wurde Naloxon nur von Ärzten verabreicht.

Die Universitäten Regensburg und Bamberg kooperierten im Zuge des Projekts mit Suchthilfeeinrichtungen in München, Augsburg, Ingolstadt, Regensburg und Nürnberg. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) präsentierte am Donnerstag mit Daniela Ludwig, Drogenbeauftragter der Bundesregierung, sowie Projektleiterin Heike Wodarz-von Essen die Ergebnisse.

Übergabe eines Notfallkits alleine reicht nicht

Ludwig spricht von einem „vollen Erfolg“. In einem nächsten Schritt solle das Projekt bundesweit ausgerollt werden mit einem möglichst flächendeckenden Schulungsangebot. Das Modellprojekt in Bayern habe gezeigt: Nur ein Notfallkit „in die Hand zu drücken“ reiche nicht.

Holetschek sagte, bei fachgerechtem Einsatz von Naxolon könne ein Betroffener vor dem Drogentod bewahrt werden. Ziel ist es, die lebensbedrohliche Phase der Überdosierung bis zum Eintreffen eines Notarztes zu überbrücken. 248 Menschen sind im Vorjahr in Bayern am Drogenkonsum gestorben.

Evaluieren sollte das Team um Projektleiterin Wodarz-von Essen, wie THN medizinisch sicher, effektiv und rechtssicher als fester Bestandteil der Drogenhilfe weiterentwickelt werden kann. Bekannt ist: Die meisten Drogentoten gehen auf Opioid-Überdosierungen zurück und diese, auch nicht tödliche, kommen häufig vor. Allein in München spricht Wodarz-von Essen von zwei bis drei Überdosierungen am Tag. Oft sind dabei Dritte vor Ort, die mit Naloxon hätten helfen können.

Die potenziellen Anwender sind oft selbst opioidabhängig

Die Schwierigkeit: Die zu schulenden Laien sind oft selbst opioidabhängig, entsprechend braucht es laut Wodarz-von Essen eine Naloxon-Schulung mit spezieller Didaktik. Befähigt werden sollten die Teilnehmer, im Fall einer Überdosierungssituation den Notruf zu wählen, Erste-Hilfe-Maßnahmen zu beginnen und das Naloxon-Nasenspray anzuwenden.

Geplant war, 450 Teilnehmer über Suchthilfeeinrichtungen zu erreichen, am Ende wurden es 550. Gerechnet hatte Wodarz-von-Essen mit 50 protokollierten THN-Einsätzen, tatsächlich verdoppelte sich die Zahl auf 102. Dadurch habe es einen „signifikanten Wissenszuwachs“ gegeben.

Die Projektleiterin registrierte nach eigenen Angaben bei den Teilnehmern einen sehr sorgsamen Umgang mit dem Notfall-Kit – 91 Prozent der Befragten besitzen es noch. Auch kam es offenbar zu keiner Steigerung des Drogenkonsums. 74 Prozent der Teilnehmer gaben an, sie fühlten sich durch das Naloxon-Kit sicherer.

Schulung und Ausgabe des Notfallkits in einem Schritt

Als entscheidend mit Blick auf den Erfolg von Schulungen hat sich deren Länge herausgestellt – 40 bis 90 Minuten erwiesen sich als optimal. Herausgestellt hat sich nach Angaben der Projektleiterin auch, dass der „One-Stop-Ansatz“ vorteilhaft ist: Schulung und Ausgabe des THN-Notfallkits erfolgen an einem Termin.

Eine weitere Erfahrung aus dem Projekt: Die Naloxon-Vergabe bedeutet vor allem Beziehungsarbeit, weil bei den Betroffenen große Vorbehalte bestehen. Waren diese abgebaut, erlebten die Einrichtungen einen Ansturm auf Gruppenschulungen.

Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Jahrelange Verhandlungen

Weitgehender Freispruch für Angeklagte in Masken-Prozess

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Winterblues oder Depression?

© Roman_Kozhevnikov | iStock (Symbolbild mit Modell)

Dunkle Jahreszeit

Winterblues oder Depression?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depressionen im Alter – macht Einsamkeit depressiv?

© simpson33 | iStock | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodell)

Einsamkeitsbarometers 2024

Depressionen im Alter – macht Einsamkeit depressiv?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Wissen rund um Depression jetzt auch auf medbee

© Bayer Vital GmbH

Die Springer Medizin App

Wissen rund um Depression jetzt auch auf medbee

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Neue Daten untermauern günstiges Sicherheitsprofil von Ofatumumab

© Frantisek / Generated with AI / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose (RMS)

Neue Daten untermauern günstiges Sicherheitsprofil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
DGN: seltene neurologische Erkrankungen im Fokus

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

DGN: seltene neurologische Erkrankungen im Fokus

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München

Atypischer Ansatz zur Therapie der Depression

Tianeptin – breite Wirksamkeit durch multimodales Wirkprinzip

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Hormosan Pharma GmbH, Frankfurt a.M.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was unterscheidet gute von schlechten Lobbyisten, Martin Degenhardt?

Lesetipps
Gebratene Speckstreifen

© Galina Didebashvili / imageBROKER / picture alliance

Weg mit dem Speck

Verarbeitetes rotes Fleisch erhöht offenbar Demenzrisiko

Sollten Ärzte „igeln“? In der Frage scheiden sich die Geister – auch in der Chefredaktion der Ärzte Zeitung.

© rozaivn58 / stock.adobe.com

Individuelle Gesundheitsleistungen

Sinnvolle Leistungen oder fragwürdiges Gebaren? Ein Pro & Contra zu IGeL