Minister erntet Gegenwind

Stimmen aus Baden-Württemberg: Impfpflicht in Schulen und in der Pflege

Die Zahlen steigen schnell, auch in den Heimen. Deshalb fordern wichtige Politiker aus Baden-Württemberg eine verpflichtende Corona-Impfung in sensiblen Berufen. Die Empörung lässt nicht auf sich warten.

Von Martin Oversohl Veröffentlicht:
Meldung aus Baden-Württemberg: Landesgesundheitsminister Lucha wirbt für eine Impfpflicht in Pflegeheimen sowie in Schulen. Die Reaktionen fallen skeptisch aus.

Meldung aus Baden-Württemberg: Landesgesundheitsminister Lucha wirbt für eine Impfpflicht in Pflegeheimen sowie in Schulen.

© Marijan Murat/dpa

Stuttgart. Angesichts der riskanten Lage in den Krankenhäusern und der schleppenden Corona-Impfrate fordert Baden-Württemberg eine Impfpflicht für Beschäftigte zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen.

„Wir haben immer gesagt – je nach Entwicklung der Pandemie muss man bei bestimmten Berufsgruppen darüber nachdenken“, sagte eine Sprecherin des Staatsministeriums am Donnerstag in Stuttgart. Trotz hoher Impfquote bei den Gesundheitsberufen gebe es zunehmend Fälle von Impfdurchbrüchen in Heimen.

„Und weil wir hier von einem hoch sensiblen Bereich und einer sehr vulnerablen Gruppe sprechen, müssen wir alles dafür tun, diese Menschen zu schützen“, so die Sprecherin. „Deshalb halten wir eine Impfpflicht in diesem Bereich für sinnvoll und verantwortbar.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Staatsministerium stärken damit Gesundheitsminister Manfred Lucha (beide Grüne) den Rücken.

Länder können über Impfpflicht nicht entscheiden

Denn zum Auftakt des Treffens der Gesundheitsminister in Lindau am Bodensee hatte Lucha eine entsprechende Impfpflicht gefordert. „Nachdem wir lange auf Appelle und die Einsicht der Menschen gesetzt haben, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine Impfpflicht für Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Erziehungs- und Bildungswesen zu fordern“, hatte er der Deutschen Presse-Agentur gesagt.

Allerdings liegt die Einführung einer solchen Pflicht nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Händen des Bundes. Die Länder können darüber nicht selbst entscheiden.

Es dürfe nicht dieselben Szenarien wie im vergangenen Jahr geben, forderte Lucha. Damals seien viele alte Menschen an einer Corona-Infektion gestorben, weil das Virus von außen in die Einrichtungen getragen worden sei. Es gebe zwar bereits eine Testpflicht für Beschäftigte. „Trotzdem werden Infektionen in die Heime getragen. Testen löst unser Problem nicht. Wir müssen jetzt eine Schippe drauf legen.“

GMK steckt Kurs für den Winter ab

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern stecken bei ihren Beratungen am Bodensee den Corona-Kurs für den Winter ab. Diskutiert werden soll bis Freitag unter anderem, wie mehr Menschen zu Auffrischungsimpfungen bewegt werden können. Auch eine Testpflicht in Pflegeheimen ist Thema.

Doch die Diakonie Württemberg hält noch nichts von einer vorgeschriebenen Impfung für Beschäftigte. „Wir bleiben dabei, dass wir neben der Aufklärung und Information eine Testpflicht bevorzugen“, sagte eine Sprecherin.

Florian Wahl, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, kritisierte das Vorgehen des Ministers: „Lucha sollte nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen“, sagte Wahl. Er schlägt unter anderem die Verpflichtung zu einem Beratungsgespräch durch den öffentlichen Gesundheitsdienst vor. „Das kann viel bewirken, denn viele der Impfunwilligen haben sich über die Impfung noch nie aus seriösen Quellen informiert.“

FDP für gepoolte PCR-Tests in Einrichtungen

Für die FDP-Fraktion forderte deren Gesundheitsexperte Jochen Haußmann gepoolte PCR-Tests, mit denen Personal in Einrichtungen mit vulnerablem Personal auf eine ansteckende Virenlast überprüft werden könnten. „Mit seinem unüberlegten Vorpreschen in Sachen Impfpflicht erweist Lucha der Pandemiebekämpfung einen Bärendienst“, so Hausmann. Er sprach sich stattdessen dafür aus, die Zahl der mobilen Impfteams aufzustocken.

Vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) erhält Lucha keine Rückendeckung. Der Verband habe den Lehrern stets empfohlen, sich impfen zu lassen, eine Pflicht dazu aber abgelehnt, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand auf Anfrage. Eine Impfpflicht sei mit Blick auf die außerordentlich hohe Impfbereitschaft der Lehrkräfte auch völlig unnötig.

Brand verwies auf das aktuelle Schulbarometer, nach dem bereits im September 95 Prozent der Lehrkräfte geimpft waren. „Wer weiterhin eine Impfpflicht für Lehrkräfte fordert, trägt Eulen nach Athen und setzt die falschen Prioritäten“, sagte Brand. (dpa)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

© Springer Medizin Verlag GmbH

Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tag der Privatmedizin

GOÄneu: Reuther und Reinhardt demonstrieren Geschlossenheit

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!