Minister erntet Gegenwind
Stimmen aus Baden-Württemberg: Impfpflicht in Schulen und in der Pflege
Die Zahlen steigen schnell, auch in den Heimen. Deshalb fordern wichtige Politiker aus Baden-Württemberg eine verpflichtende Corona-Impfung in sensiblen Berufen. Die Empörung lässt nicht auf sich warten.
Veröffentlicht:Stuttgart. Angesichts der riskanten Lage in den Krankenhäusern und der schleppenden Corona-Impfrate fordert Baden-Württemberg eine Impfpflicht für Beschäftigte zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen.
„Wir haben immer gesagt – je nach Entwicklung der Pandemie muss man bei bestimmten Berufsgruppen darüber nachdenken“, sagte eine Sprecherin des Staatsministeriums am Donnerstag in Stuttgart. Trotz hoher Impfquote bei den Gesundheitsberufen gebe es zunehmend Fälle von Impfdurchbrüchen in Heimen.
„Und weil wir hier von einem hoch sensiblen Bereich und einer sehr vulnerablen Gruppe sprechen, müssen wir alles dafür tun, diese Menschen zu schützen“, so die Sprecherin. „Deshalb halten wir eine Impfpflicht in diesem Bereich für sinnvoll und verantwortbar.“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Staatsministerium stärken damit Gesundheitsminister Manfred Lucha (beide Grüne) den Rücken.
Länder können über Impfpflicht nicht entscheiden
Denn zum Auftakt des Treffens der Gesundheitsminister in Lindau am Bodensee hatte Lucha eine entsprechende Impfpflicht gefordert. „Nachdem wir lange auf Appelle und die Einsicht der Menschen gesetzt haben, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine Impfpflicht für Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Erziehungs- und Bildungswesen zu fordern“, hatte er der Deutschen Presse-Agentur gesagt.
Allerdings liegt die Einführung einer solchen Pflicht nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Händen des Bundes. Die Länder können darüber nicht selbst entscheiden.
Es dürfe nicht dieselben Szenarien wie im vergangenen Jahr geben, forderte Lucha. Damals seien viele alte Menschen an einer Corona-Infektion gestorben, weil das Virus von außen in die Einrichtungen getragen worden sei. Es gebe zwar bereits eine Testpflicht für Beschäftigte. „Trotzdem werden Infektionen in die Heime getragen. Testen löst unser Problem nicht. Wir müssen jetzt eine Schippe drauf legen.“
GMK steckt Kurs für den Winter ab
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern stecken bei ihren Beratungen am Bodensee den Corona-Kurs für den Winter ab. Diskutiert werden soll bis Freitag unter anderem, wie mehr Menschen zu Auffrischungsimpfungen bewegt werden können. Auch eine Testpflicht in Pflegeheimen ist Thema.
Doch die Diakonie Württemberg hält noch nichts von einer vorgeschriebenen Impfung für Beschäftigte. „Wir bleiben dabei, dass wir neben der Aufklärung und Information eine Testpflicht bevorzugen“, sagte eine Sprecherin.
Florian Wahl, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, kritisierte das Vorgehen des Ministers: „Lucha sollte nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen“, sagte Wahl. Er schlägt unter anderem die Verpflichtung zu einem Beratungsgespräch durch den öffentlichen Gesundheitsdienst vor. „Das kann viel bewirken, denn viele der Impfunwilligen haben sich über die Impfung noch nie aus seriösen Quellen informiert.“
FDP für gepoolte PCR-Tests in Einrichtungen
Für die FDP-Fraktion forderte deren Gesundheitsexperte Jochen Haußmann gepoolte PCR-Tests, mit denen Personal in Einrichtungen mit vulnerablem Personal auf eine ansteckende Virenlast überprüft werden könnten. „Mit seinem unüberlegten Vorpreschen in Sachen Impfpflicht erweist Lucha der Pandemiebekämpfung einen Bärendienst“, so Hausmann. Er sprach sich stattdessen dafür aus, die Zahl der mobilen Impfteams aufzustocken.
Vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) erhält Lucha keine Rückendeckung. Der Verband habe den Lehrern stets empfohlen, sich impfen zu lassen, eine Pflicht dazu aber abgelehnt, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand auf Anfrage. Eine Impfpflicht sei mit Blick auf die außerordentlich hohe Impfbereitschaft der Lehrkräfte auch völlig unnötig.
Brand verwies auf das aktuelle Schulbarometer, nach dem bereits im September 95 Prozent der Lehrkräfte geimpft waren. „Wer weiterhin eine Impfpflicht für Lehrkräfte fordert, trägt Eulen nach Athen und setzt die falschen Prioritäten“, sagte Brand. (dpa)