Fünf klinische Muster
Welche Spuren COVID-19 auf der Haut hinterlässt
Wenn Labortests Mangelware sind, kann möglicherweise sogar schon ein Blick auf die Haut den Verdacht auf COVID-19 lenken, wie Dermatologen herausgefunden haben.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
Frage: Welche Hautveränderungen entstehen im Rahmen von COVID-19 und in welchem Zusammenhang mit der Erkrankung stehen sie?
Antwort: Bei den Hautveränderungen zeigten sich fünf verschiedene klinische Muster, die unter anderem in unterschiedlichem Zusammenhang mit Krankheitsstadium und Schweregrad der Infektion standen.
Bedeutung: Etwa bei unzureichenden Laborkapazitäten oder unklaren Symptomen kann es sich lohnen, auf Hautveränderungen zu achten, die möglicherweise auf eine COVID-19-Erkrankung hinweisen.
Madrid. Mittlerweile ist bekannt, dass COVID-19 mehrere Organsysteme betreffen kann — ersten Fallberichten zufolge offenbar auch die Haut. So wurden etwa in Italien bei jedem fünften COVID-19-Patienten Hautläsionen festgestellt.
Dr. Cristina Galván Casas vom Hospital Universitario de Móstoles in Madrid und Kollegen haben nun in einem Konsensusverfahren mit vier Dermatologen unerklärliche Hautveränderungen bei 375 Patienten aus ganz Spanien mit vermuteter oder bestätigter SARS-CoV-2-Infektion analysiert (BJD 2020; online 29. April). Die Auswertung der Fotos ergab fünf klinische Muster von Hauterkrankungen, die dann in Bezug zu den klinischen Daten der COVID-19-Erkrankung gesetzt wurden. Die Mortalitätsrate der Patienten lag insgesamt bei 1,9 Prozent.
Fünf klinische Muster
Akrale erythematöse Schwellungen mit einigen Vesikeln und Pusteln bei 19 Prozent der Patienten: Die asymmetrisch an Händen und Füßen auftretenden frostbeulenähnlichen Veränderungen (Pseudo-Chilblain) kamen vorwiegend bei jüngeren Patienten mit geringerer COVID-19-Symptomatik vor. Sie bildeten sich erst im späteren Verlauf der Erkrankung für durchschnittlich 12,7 Tage aus. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen waren die Hautveränderungen schmerzhaft oder verursachten Juckreiz.
Andere vesikuläre Eruptionen bei neun Prozent der Patienten: Kleine monomorphe Vesikel mit hämorrhagischem Inhalt, die sich vergrößern beziehungsweise ausbreiten, entstanden zum Teil am Rumpf, aber auch an den Extremitäten. Diese häufig juckenden Hauterscheinungen traten bei Patienten mittleren Alters auf und waren durchschnittlich 10,4 Tage erkennbar. Bei mehr als der Hälfte der Patienten mit meist mittelschwerem Verlauf erschienen sie zusammen mit COVID-19- Symptomen, bei 15 Prozent bereits im Vorfeld.
Urtikarielle Läsionen bei 19 Prozent der Patienten: Sie traten meist am Rumpf, in einigen Fällen auch palmar auf.
Makulopapuläre Eruptionen bei 47 Prozent der Patienten: In einigen Fällen befanden sich die Läsionen perifollikulär mit unterschiedlich starker Schuppung, teilweise ähnlich einer Pityriasis rosea. Zudem kam es zu punktförmigen oder großflächigeren Rötungen. Zum Teil entstanden infiltrierte Papeln an den Extremitäten, meist am Handrücken, die pseudovesikulär erschienen oder einem Erythema elevatum diutinum beziehungsweise einem Erythema multiforme ähnelten.
Bei den urtikariellen und makulopapulären Eruptionen zeigten sich etliche Gemeinsamkeiten: Die häufig juckenden Hautveränderungen waren weniger lang erkennbar (urtikarielle für 6,8 Tage, makulopapuläre für 8,6 Tage), traten meist zeitgleich mit den übrigen Symptomen auf und standen im Zusammenhang mit einem schwereren Verlauf der COVID-19-Erkrankung. Galván Casas und Kollegen zufolge könnten für diese Hautveränderungen allerdings auch Reaktionen auf die Medikamente verantwortlich gewesen sein. In dieser Gruppe lag die Mortalität bei zwei Prozent.
Livedo oder Nekrose bei sechs Prozent der Patienten: Es zeigten sich Läsionen verschiedener Schweregrade mit Ischämien an Rumpf und Akren, die an eine okklusive Gefäßkrankheit denken ließen. Diese Hautveränderungen traten meist bei älteren COVID-19-Patienten mit schweren Verläufen auf. Die Mortalität in dieser Gruppe lag bei zehn Prozent.
Bei einigen Patienten stellten die Untersucher weitere Manifestationen wie Enantheme oder livide Läsionen in Beugebereichen fest. Auch Herpes-zoster-Infektionen fanden sich bei den COVID-19-Patienten häufiger als üblich.
Insgesamt sei es unüblich, dass ein einzelnes Virus verschiedene klinische Muster von Hautveränderungen hervorruft, so Galván Casas und Kollegen. Patienten, bei denen mehrere dieser Muster gleichzeitig auftreten, seien bei COVID-19 sehr selten.
In unklaren Situationen und unter unzureichenden Testkapazitäten könnten kutane Manifestationen möglicherweise dazu beitragen, auf eine COVID-19-Erkrankung hinzuweisen, so die Forscher. Allerdings müsse die Anwendbarkeit der in dieser Studie identifizierten Muster für die Diagnosestellung im klinischen Alltag überprüft werden.