TK-Studie
Cybermobbing treibt immer mehr Schüler zu Ärzten und Therapeuten
Schüler werden immer häufiger mit Cybermobbing konfrontiert, was sie unterschiedlich belastet. Eine große TK-Studie beleuchtet die Situation an deutschen Schulen.
Veröffentlicht:Berlin. Egal, ob Rassismus, Hate Speech, Cybermobbing, Cybercrime, Cyberstalking oder Grooming (sexuelle Gewalt im Internet): Lehrer an deutschen Schulen beobachten eine Zunahme dieser Phänomene gegenüber Schülern an ihren Schulen um bis zu neun Prozent im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit.
Das geht aus der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Cyberlife IV-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Techniker Krankenkasse (TK) hervor – sie ist die Folgestudie von 2013, 2017 und 2020.
Für die umfassende Analyse mit Fokus auf Cybermobbing im Umfeld von Kindern und Jugendlichen in den vergangenen zwei Pandemiejahren wurden bundesweit mehr als 4450 Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte befragt.
Vor allem Schüler, die mit ihrer Lebenssituation unzufrieden sind, hatten sich, wie es in der Studie heißt „überproportional häufiger“ Hilfe von Therapeuten, Psychologen oder Ärzten geholt – in toto waren dies 12 Prozent gegenüber zwei Prozent bei den sehr zufriedenen Schülern und vier Prozent bei den zufriedenen. Ergo sei eine hohe Lebenszufriedenheit ein Faktor der Resilienz gegen Cybermobbing.
Eltern und Freunde erste Ansprechpartner
Wurden Schüler Opfer von Cybermobbing & Co, so wandten sie sich in 47 Prozent der Fälle in erster Linie an ihre Eltern oder Freunde aus der Schule (37 Prozent). Etwa 13 Prozent wandten sich an externe Bezugspersonen wie Lehrer oder Schul- sowie Sozialpädagogen.
Die Autoren appellieren an Eltern wie auch Lehrer, Schüler für Cybermobbing zu sensibilisieren. „In Anbetracht der schwerwiegenden Auswirkungen von Cybermobbing ist es von höchster Dringlichkeit, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich in Fällen von Mobbing oder Cybermobbing Hilfe und Unterstützung zu suchen.“
Nach ihren Unterstützungswünschen durch die Schule gefragt, forderten 43 Prozent der Schüler mehr Aufklärung sowie Unterstützungsteans (40 Prozent), Anti-Mobbing-Trainings oder Schülerscouts (je 33 Prozent). Eine anonyme Online-Hilfe wird von 37 Prozent gewünscht.
Suizid-Gedanken sowie Flucht in Alkohol und Tabletten
Besonders erschreckend und alarmierend ist nach Ansicht der Autoren der Umstand, dass fast jeder vierte Betroffene (24 Prozent) Suizid-Gedanken äußerte und rund jeder Sechste (15 Prozent) aus Verzweiflung zu Alkohol oder Tabletten gegriffen habe. Der Leidensdruck sei dabei besonders hoch an den Haupt- und Werkrealschulen.
So äußerten dort 34 Prozent der betroffenen Schüler, aufgrund der Cybermobbingsituation daran gedacht zu haben, sich das Leben zu nehmen. Besonders Cybermobbingopfer an den Berufsschulen griffen mit 35 Prozent auch häufiger zu Alkohol oder Tabletten als die Betroffenen an anderen Schulformen.
TK-CHef Dr. Jens Baas verwies auf zahlreiche Präventionsangebote seiner Kasse in puncto Cybermobbing. Die beste Prävention sei aber die Aufklärung: „Stärken und sensibilisieren wir die Kinder und Jugendlichen, schärfen wir ihren Blick für Mobbing und fördern einen respektvollen und achtsamen Umgang miteinander – online wie offline. Dann hat Mobbing erst gar keine Chance.“