Kunst gegen Hautkrebs
„Low Bros“ machen gegen Solarien mobil
Jedes Jahr erkranken rund 270.000 Menschen an Hautkrebs. Das Künstlerduo Low Bros zeigt mit „Spectrum. The most dangerous artwork“ die Gefahren von UV-Strahlung in Solarien.
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Um das Kunstwerk zu besichtigen, mussten Interessierte spezielle Schutzanzüge tragen, um der Strahlung nicht ausgesetzt zu sein.
© Madlen Schäfer
Berlin. Die Menschen streifen sich weiße Schutzanzüge über ihre Körper, setzen Sonnenbrillen auf, ziehen sich Gummihandschuhe an und bedecken ihren Kopf mit einem speziellen Schutzhelm.
Das ist kein Besuch eines Reaktors, Labors oder einer besonderen Produktionshalle, sondern einer Ausstellung. Die Vorkehrungen sind trotzdem notwendig, denn zu erleben gibt es „Spectrum“, das gefährlichste Kunstwerk der Welt.
Zur Vernissage in die Berliner Reinbeckhallen hatten die Deutsche Krebshilfe und die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) geladen, um die Gesundheitsrisiken, die ein Solariumbesuch hat, aufzuzeigen.
In einer dunklen Halle thront ein leuchtender Ball. Von diesem ausgehend strahlen helle Röhren in alle Richtungen, einige von ihnen treffen auf Fliesen, die zum Teil, so scheint es, durch die Strahlung zersprungen sind.
Auf dem Boden sind Warnschilde, bedrohlich steht dort geschrieben „Hier setzen Sie sich der 0,6-fachen Äquatorsonne aus“. Nach fünf Minuten klingelt die Eieruhr, länger sollen sich Gäste in dem gefährlichen Kunstwerk nicht aussetzen.
Kein Empfinden für die UV-Gefahr
Was sich wie ein kurzes Abenteuer anfühlt, ist aber Alltag in Deutschland. „Das ist tägliche Praxis. UV-Strahlung ist nicht sichtbar, deshalb gibt es bei vielen Menschen kein Empfinden für die Gefahren“, sagt Eckhard Breitbart von der ADP.
Ganz ohne Schutzanzug legen sich rund acht Prozent der Deutschen einmal die Woche auf die Sonnenbank. Dabei können bereits einige Minuten UV-Strahlung den Hautzellen schaden und langfristig zu Mutationen führen, die Hautkrebs auslösen können. Circa 4000 Menschen versterben jährlich allein in Deutschland an Hautkrebs.
Die Berliner Künstler Christoph und Florin Schmidt alias Low Bros haben das Werk aus UV-Röhren erschaffen. „Ein Sonnenstudio ist in unseren Augen eine Kultstätte, in dem sich ein wiederkehrendes Ritual vollzieht. In unserer Installation ‚Spectrum‘ heben wir den Aspekt der Sonnenanbetung heraus und legen den Fokus auf das Objekt der Anbetung: eine Sonne aus echten UV-Röhren, von der eine reale Bedrohung ausgeht“, sagen die beiden Brüder.
Junge Menschen aufklären
Wie real diese Bedrohung ist, das hat die Moderatorin Susanne Klehn erfahren. Sie selbst ging als Jugendliche regelmäßig ins Solarium, gebräunte Haut gehörte für sie zum guten Aussehen dazu. „Mit 27 Jahren erkrankte ich dann lebensgefährlich an schwarzem Hautkrebs“, sagt Klehn. Deshalb sei es ihr wichtig, vor allem junge Menschen über die Gefahren von Solarien aufzuklären.
Zwar gilt seit 2009 Nutzungsverbot von Solarien für Minderjährige. Aber: „Dieses Gesetz wird aktuell zu oft und zunehmend missachtet“, weiß Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.
Die gesundheitlichen Risiken durch UV-Strahlung werden häufig noch immer unterschätzt. Gebräunte Haut stehe vielmals für gesund und schön und eben nicht als gesundheitsschädlich.
„UV-Strahlung ist Ursache für Sonnenbrand, Sonnenallergien, Hautalterung auch in jungen Jahren und schlimmstenfalls für Hautkrebs“, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), deren Sohn selbst an Hautkrebs erkrankt war.
Inzwischen lauere die Verlockung eines künstlichen Sonnenbads aber nicht nur im herkömmlichen Solarium, auch in Hotels, Schwimmbädern oder Fitnessstudios können sich Kunden der gefährlichen UV-Strahlung aussetzen.
Wohl ein Grund, warum es trotz des Solariumnutzungsverbotes für unter 18-Jährige dennoch rund 140 000 Minderjährigen 2018 gelang, Zugang zu Solariengeräten zu erhalten. Es gäbe Kontrollen, sagt Rita Schwarzelühr-Sutter, aber die Ausführung liege bei den Ländern. Viel wichtiger sei aber die Aufklärung und Prävention.
Unkritischer Solariumbesuch
Das größte Problem sei, dass Nutzer einen Solariumbesuch nicht als kritisches Verhalten wahrnehmen, sagt Katharina Diehl, Leiterin der Beobachtungsstudie „National Cancer Aid Monitoring“ und rät auch Hausärzten: „Sprechen Sie Patienten an und klären Sie diese über die Risiken auf.“
Wer die Diagnose Hautkrebs bekommt, für den sei dies zunächst ein Schock, weiß Anne Wispler vom Hautkrebs-Netzwerk Deutschland. „Auch bei Jüngeren tritt Hautkrebs häufiger auf. Eine Vorsorgeuntersuchung ab 35 Jahren ist daher eigentlich zu spät“, sagt Wispler. In 20 deutschlandweiten Selbsthilfegruppen können Betroffene ihre Erkrankung gemeinsam mit anderen aufarbeiten.
Vielleicht hilft das gefährlichste Kunstwerk der Welt der Low Bros, dass noch mehr Menschen künftig einen Bogen um die Sonnenbank machen.