Blick in die Geschichte

Johann XXI.: Der einzige Arzt im Papstamt

Um 1220 in Lissabon als Sohn eines Arztes geboren, studierte Pedro Julião Philosophie und Medizin. Der Gelehrte, der später als einziger Arzt in der Kirchengeschichte Papst wurde, verfasste theologische und philosophische Werke – und den ersten mittelalterlichen Gesundheitsratgeber.

Denis Durand de BousingenVon Denis Durand de Bousingen Veröffentlicht:
Ein Abbild vom  jungen portugiesische Bischof  Pedro Julião.

Ein Abbild vom jungen portugiesischen Bischof Pedro Julião.

© The Picture Art Collection / Alamy / Alamy Stock Photos / mauritius images

Am 13. September 1276 wurde zum ersten und einzigen Mal in der Kirchengeschichte ein Arzt zum Papst gewählt. Mit ihren Stimmen hofften die Kardinäle, dass der gesunde und noch relativ junge portugiesische Bischof Pedro Julião viel länger als seine älteren und kranken Vorgänger regieren wurde. Obwohl sein Schicksal es anders entschied, bleibt Papst Johann XXI. einer der wichtigsten Gelehrten seiner Zeit.

Um 1220 in Lissabon als Sohn eines Arztes geboren, studierte Pedro Julião Philosophie und Medizin in Paris, wo er seinen Spitznamen „Petrus Hispanus“ erhielt. Zurück in seiner Heimat wurde er Diozesän des Lissaboner Doms und erreichte später als Bischof von Braga die höchste Stelle unter allen portugiesischen Prälaten. Gleichzeitig schrieb er zahlreiche theologische, philosophische und Logikbücher sowie seine zwei medizinischen Hauptwerke, ein ärztlicher Ratgeber und ein Handbuch der Augenheilkunde.

Volk konnte sich kaum medizinische Behandlung leisten

Über seine medizinische Tätigkeit ist wenig bekannt, auch wenn man weiß, dass er mehrere Jahre Medizin in Siena gelehrt hat. Seine Werke zeigen sein Interesse für die Gesundheit des Volkes, das sich damals kaum ärztliche Behandlung leisten konnte.

Pedro Juliãos Schrift „Thesaurus Pauperum“ (Schatz der Armen) beschreibt die wichtigsten Organe und Funktionen des Körpers und gibt praktische Behandlungshinweise

Pedro Juliãos Schrift „Thesaurus Pauperum“ (Schatz der Armen) beschreibt die wichtigsten Organe und Funktionen des Körpers und gibt praktische Behandlungshinweise. München, Bayerische Staatsbibliothek

© München, Bayerische Staatsbiblio

Das „Thesaurus Pauperum“ (Schatz der Armen) beschreibt die wichtigsten Organe und Funktionen des Körpers und gibt praktische Behandlungshinweise. Mehr als zwei Jahrhunderte vor Gutenberg waren handgeschriebene Bücher äußerst selten und unbezahlbar. Die Original-Manuskripte wurden dann von Mönchen kopiert und für die Kopie von weiteren Exemplaren verwendet. So wurde das „Thesaurus Pauperum“ in ganz Europa verbreitet, zunächst als Handschrift und nach der Erfindung Gutenbergs als gedrucktes Buch.

Rund 400 Jahre lang wurde es rezipiert, regelmäßig verbessert und erweitert. Das mit vielen pflanzlichen Rezepten versehene Thesaurus gilt als mittelalterlicher Vorreiter der Gesundheitsratgeber, die für Laien geschrieben wurden.

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Handbuch der Augenheilkunde

Petrus schrieb auch ein Handbuch der Augenheilkunde, das lange für den letzten Teil des „Thesaurus Pauperum“ gehalten wurde. 1899 stellte der Münchner Augenarzt Albrecht Maria Berger dann fest, dass das „Liber de Oculo“ tatsächlich ein eigenes Werk war. Er übersetzte und kommentierte die Fragmente des Manuskripts, die heute noch im Besitz der Bayerischen Nationalbibliothek sind.

Bergers Ansicht nach enthält das Werk mit Blick auf die Augenheilkunde wenig Neues und bleibt stark von den Prinzipien der klassischen griechischen Autoren geprägt.

Einige Kapitel wurden wahrscheinlich in Anlehnung an ältere arabische Bücher verfasst, da Petrus die Sprache perfekt beherrschte. Das Buch enthält ausführliche Pflanzenrezepte und Kapitel zum Umgang mit Augentropfen und empfiehlt geeignete Diäten bei bestimmten Augenkrankheiten.

Petrus klinische Beobachtungen

Petrus beschreibt das Auge als ein rundes Organ, das aus sieben Membranen und drei Flüssigkeiten besteht, und erklärt die Ursachen der meisten Augenkrankheiten auf Basis der hippokratischen Säftelehre. Das Sehorgan sei der Botschafter der Seele, die wie das Licht einer Lampe aus den Augen ausgeht. Sein Werk wird ergänzt durch philosophische, geometrische und kosmische Erwägungen über die Augen und das Sehvermögen. Die sieben Membranen des Auges seien beispielsweise darauf zurückzuführen, dass es – so der damalige Wissensstand – sieben Planeten im Universum gibt.

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Interessanter sind einige klinische Beobachtungen, die uns über Petrus’ Tätigkeit informieren. „Er hat zweifelsohne Medizin und Augenheilkunde selbstständig ausgeübt, wie es von einer Reihe Bemerkungen, in welchen er bezüglich einzelner Krankheiten, Verbandsmethoden, operativer Eingriffe aus seiner persönlichen Erfahrung sich beruft, zu ersehen ist “, hält der Münchener Augenarzt Albrecht Maria Berger fest.

Reform wirkt

1273 nimmt Petrus am Konzil von Lyon teil, wo er Papst Gregorius X. trifft. Kurz danach erhebt ihn Gregorius zum Bischof von Frescati, einer südlich von Rom gelegenen Stadt, und ernennt ihn zu seinem Leibarzt. Da Gregorius erst 1271 – nach dreijährigen Verhandlungen und erfolglosen Wahlversuchen – gewählt wurde, ließ er als Papst die Wahlverfahren vereinfachen, um ein solches Machtvakuum in der Zukunft zu vermeiden.

Die Reform wirkte: Knapp elf Tage nach dem Tod Gregorius wurde sein Nachfolger am 21. Januar 1276 gewählt. Doch Papst Innocentus V. war schon so alt und krank, dass er fünf Monate später starb. Noch schlechter erging es dessen Nachfolger Adrianus V., der nach seiner Wahl im Juli 1276 nur 31 Tage amtierte.

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In den Worten des Göttinger Philosophen Johann Tobias Köhler, der 1760 eine Biografie Johannes XXI schrieb: „Der Kardinal Johann Cajetan, ein schlauer Kopf, schlug sich im Mittel. Man musste einen Papst haben, von dem die Vermuthung war, dass er nicht so bald das Thron erledigen würde als seine Vorfahren. Hierzu schickte sich niemand besser als der Cardinal von Frescati, denn dieser, als ein Arzt, der die Stärke seiner Natur am besten kannte, prophezeite sich öfter zum Scherz ein langes Leben. Den Übrigen gefiel dieser Vorschlag und Petrus Juliani wurde gewählt.“

Johann residierte in Viterbo

Petrus ließ sich als Papst Johann XX. krönen, bis die Kirche kurz danach seine Bezeichnung von XX auf XXI veränderte, nachdem sie bei einer Neurechnung der Päpste entdeckte, dass ein Papst Johann im zehnten Jahrhundert vergessen worden war. So war Petrus nicht der 20., sondern der 21. – was sich später auch als falsch erwiesen hat. Dennoch heißt er seitdem offiziell Johann XXI., obwohl es eigentlich keinen Johann XX. gegeben hat.

Wie viele Päpste des 13. Jahrhunderts residierte Johann nicht in Rom, sondern im etwa 80 Kilometer nördlich gelegenen Viterbo. Von dort aus versuchte er unter anderem, einen neuen Kreuzzug unter Frankreichs Führung zu organisieren. Ähnlich wie Gregorius strebte er danach, die römisch-katholische Kirche mit der griechisch-orthodoxen Kirche wieder zu vereinigen, was aber nie gelang.

Erbschaftskrieg wurde verhindert

Durch Verhandlungen bemühte er sich auch, einen Erbschaftskrieg zwischen Frankreich und Kastilien zu verhindern sowie innenpolitische Streitigkeiten in Portugal und in England beizulegen.

Er las und schrieb weiterhin viele philosophische Werke und ließ sich dafür in seinem Palast ein neues Lesekabinett einrichten. Als er dort am 14. Mai 1277 arbeitete, stürzte der Dachboden des Neubaus ein und verletzte ihn so schwer, dass er sechs Tage später starb. So dauerte seine Amtszeit nicht viel länger als die seiner beiden Vorgänger. Sein Nachfolger Nikolaus III. hatte dann immerhin rund drei Jahre den Heiligen Stuhl inne.

In der Heimat wird er noch heute verehrt

In seiner Heimat als „Papa João“ bekannt, wird Pedro Julião dort als einziger portugiesischer Papst noch heute verehrt. Obwohl Petrus der einzige Arzt blieb, der das höchste Amt der Christenheit erreichte, waren im Mittelalter Ärzte als hohe kirchliche Würdenträger nicht außergewöhnlich.

Der berühmteste von ihnen war der um 1240 in Trier geborene Peter von Aichspalt, der ab 1297 als Bischof von Basel sowie 1306 bis zu seinem Tod 1320 als Erzbischof von Mainz amtierte. Aichspalt erlangte mit seinem Mainzer Sitz eine führende politische und religiöse Rolle im Heiligen Römischen Reich. Er wurde unter anderem Leibarzt Rudolfs von Habsburg und hat 1305 Papst Clemens V. erfolgreich behandelt.

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