Schlaganfallversorgung

Medizin und Kung-Fu: Symbiose zugunsten von Patienten

Ungewöhnlichen Rat holt sich Dr. Kai Wohlfahrt, Chefarzt der Neurologie am Unfallklinikum Bergmannstrost. Zusammen mit Kung-Fu-Großmeister Chu Tan Cuong erarbeitet er Therapiekonzepte etwa für Schlaganfall-Patienten.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Dr. Kai Wohlfahrt, Direktor der Klinik für Neurologie am Klinikum Bergmannstrost und Chu Tan Cuong planen gemeinsame Therapiekonzepte.

Dr. Kai Wohlfahrt, Direktor der Klinik für Neurologie am Klinikum Bergmannstrost und Chu Tan Cuong planen gemeinsame Therapiekonzepte.

© Petra Zieler

Halle. Ob und wie sich Medizin, Kampfsport und gezielte Atemtechnik ergänzen können, soll eine wissenschaftliche Studie belegen.

„Hochmoderne Medizin und traditionelle Methoden können eine Symbiose zum Vorteil für Patienten bilden“, zeigt sich Privatdozent Dr. Kai Wohlfarth, Neurologie-Chefarzt im Hallenser Unfallklinikum Bergmannstrost, überzeugt.

Hin und wieder bittet er Kung-Fu-Großmeister Chu Tan Cuong um Unterstützung bei der Therapie von Patienten nach Schlaganfällen oder schweren Schädel-Hirn-Traumen. Beide Männer hatten sich kennengelernt, als Chu Tans Stiefsohn nach einem schweren Autounfall im Bergmannstrost lag.

Eine Studie soll Belege liefern

Der Großmeister hatte den Chefarzt gebeten, mit Leon Meiling arbeiten zu dürfen. Da lag der 21-Jährige noch im Koma. „Leon hatte keine gute Prognose.“ Ob er jemals seine Alltagskompetenzen zurückerlangen würde, war völlig unsicher. Dass der junge Mann bereits nach einem guten halben Jahr wieder arbeiten konnte, schien an ein Wunder zu grenzen.

Mittlerweile profitieren auch Patienten von Reha- und Suchtkliniken in Sachsen-Anhalt und Sachsen vom speziellen Gesundheitskonzept des gebürtigen Vietnamesen, das unter anderem auf Atemtechnik und -training, Ernährung und gezielter Bewegung basiert.

„Was uns jetzt noch fehlt, sind wissenschaftliche Beweise. Eine Studie soll Klarheit bringen.“ Die wird in drei Schritten mit jeweils zwei Probandengruppen ablaufen, erklärt Wohlfarth. „Phase eins soll zeigen, inwieweit das Konzept der Stressprävention dienlich ist.“ Dazu wird Chu Tan mit einer Gruppe gesunder Menschen trainieren.

Die andere Gruppe lebt ganz normal weiter. „Wir gehen heute davon aus, dass sich Kernspintomografien und Laborwerte, die vor Beginn und nach Abschluss gemacht werden, in beiden Gruppen deutlich unterscheiden“, so Wohlfarth. Studienteilnehmer der zweiten Phase sind Risikopatienten. Die dritte Phase orientiert sich auf Patienten nach Schlaganfällen oder Schädel-Hirn-Traumen.

In den Phasen 2 und 3 soll getestet werden, inwieweit das Training mit Chu Tan den Gesundheitszustand der Patienten verbessern kann. Der Neurologie-Chefarzt und der Kung-Fu-Großmeister zeigen sich vom Erfolg überzeugt, von dem sie sich auch Vorteile bei Verhandlungen mit Kostenträgern erhoffen.

Hoffnung war das größte Gepäck

„Ich würde mir sehr wünschen, dass das Konzept von Chu Tan ganz vielen Menschen helfen kann wie meinem Jeremy“, sagt Manuela Bornhauser. Die Mutter dreier Kinder aus der Schweiz war im Internet auf den gebürtigen Vietnamesen aufmerksam geworden.

Nach telefonischem Kontakt ist sie Ende Januar mit ihrem achtjährigen Sohn nach Halle gereist, wo Chu Tan mit seiner Familie lebt. „Mein größtes Gepäck war die Hoffnung“, sagt Bornhauser. Ihr Sohn war als Fünfjähriger von einem Auto erfasst und elf Meter weit geschleudert worden: schwerstes Schädel-Hirn-Trauma, zehn Tage Koma.

Die Prognose der Ärzte lautete: ein Leben im Rollstuhl. Ein Schicksal, das die Familie nicht akzeptieren wollte. Mutter Manuela entwickelte sich zur Kämpferin, konsultierte Ärzte und Therapeuten, vernetzte sich mit Betroffenen.

Doch der Durchbruch kam erst in Halle. „Ich weiß, mein Sohn wird es jetzt schaffen. Als wir nach Deutschland kamen, konnte sich Jeremy lediglich im Rollstuhl fortbewegen. Vor der Rückfahrt ist er zum Auto gelaufen.“

53 Schritte nach zehn Tagen

Das 14-tägige Training mit dem Kung-Fu-Großmeister hat die Erwartungen von Bornhauser übertroffen. Im Vorfeld und nach Einsicht in Jeremys Patientenakten hatte Chu Tan eine gezielte Therapie für den Jungen erarbeitet und damit nicht nur dessen Mutter, sondern auch deren Versicherung überzeugt, die alle anfallenden Kosten übernahm.

Zwei Wochen lang trainierte der kleine Schweizer täglich. Muskelaufbau, Kraft- und Koordinationsübungen. Jeremy lernte zunächst, ohne Hilfe aufzustehen und machte nach etwa einer Woche vorsichtig erste Schritte. Es wurden täglich mehr: 53 waren es nach zehn Tagen.

Chefarzt Wohlfarth, der sich während dieser Zeit nach Feierabend von den Therapiefortschritten überzeugte, sieht sich bestätigt: Chu Tans Gesundheitskonzept geht auf. Nun soll es gelingen, mehr Menschen davon profitieren zu lassen.

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