Befristete Zulassungen
Psychotherapie unter Flüchtlingen
Etwa die Hälfte der ankommenden Flüchtlinge ist psychisch krank, der Behandlungsbedarf enorm. Befristete Zulassungen sollen helfen - auch aus dem Kreis der Asylbewerber könnten Psychotherapeuten rekrutiert werden.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Das Asyl-Beschleunigungsgesetz sieht vor, weitere Psychotherapeuten - zumindest vorübergehend - in die kassenpsychotherapeutische Versorgung einzubeziehen und damit eine Lücke in der Versorgung der Flüchtlinge zu schließen.
So sieht die Verordnung zum Gesetz vor, "Ärzte mit einer für die Behandlung erforderlichen abgeschlossenen Weiterbildung sowie psychosoziale Einrichtungen mit einer fachlich-medizinischen ständigen ärztlichen Leitung" auf Antrag zur ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Asylbewerbern zu ermächtigen.
In der Regel ist eine Befristung von zwei Jahren vorgesehen; Therapeuten könnten unter den Flüchtlingen rekrutiert werden.
Die Zulassungsausschüsse sollen dabei "über die bestehenden Ermächtigungsmöglichkeiten hinaus verpflichtet werden", geeignete Ärzte und Psychotherapeuten in die Versorgung einzubinden.
Behandlungsbedarf kann aktuell nicht abgedeckt werden
Laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ist diese Ermächtigung ein "erster wichtiger Schritt". Rund die Hälfte der Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, ist psychisch krank, zeigten jüngst veröffentlichte Zahlen der BPtK.
Der Behandlungsbedarf kann aktuell nicht gedeckt werden. Die mangelnde Finanzierung von Dolmetschern und damit die sprachliche Barriere seien - neben zu langen Wartezeiten - zwei der dringendsten Probleme.
"Unsere Erfahrungen zeigen, dass nur wenige Flüchtlinge Englisch oder gar Deutsch können, und wenn, dann reicht das nur in den seltensten Fällen für eine therapeutische Behandlung", sagte Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK, der "Ärzte Zeitung".
Da es sich um approbierte Psychotherapeuten handele, bestehe bei der nun angestrebten Lösung kein Risiko. "Es handelt sich um ausgebildete Psychotherapeuten mit einer Qualifikation zur Behandlung von Menschen mit PTBS oder Depressionen", so Munz.
Der Gesetzentwurf zum sogenannten Beschleunigungsgesetz sieht vor, dass Ärzte auch ohne die notwendigen Papiere unter bestimmten Bedingungen praktizieren dürften, was in der Ärzteschaft auf Kritik gestoßen war.
Bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber in diesem Jahr?
Ein besonderes Augenmerk der BPtK liegt auf den Flüchtlingszentren. "Sie sollen Institutsermächtigungen bekommen", fordert Munz.
Da die Wichtigkeit einer schnellen psychotherapeutischen Versorgung vor allem hier zum Tragen komme, fordert die BPtK zudem den Ausbau. "Aktuell sind die Zentren leider nur sporadisch vorhanden, das ist zu wenig."
Wie dringend das Schließen der Versorgungslücke ist, zeigt auch die aktuelle Einschätzung von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Sie erwartet, dass den in Deutschland eingetroffenen Flüchtlingen zahlreiche Angehörige folgen werden.
"Wir rechnen damit, dass sehr viele Frauen und Kinder nachkommen", sagte sie am Dienstag. Zu Wochenbeginn hatten Spekulationen über bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber in diesem Jahr für Wirbel gesorgt.
Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz soll bereits zum 1. November in Kraft treten. Es sieht unter anderem die vereinfachte Abrechnung über die Gesundheitskarte, nicht jedoch einen Ausbau der Leistungen in der medizinischen Versorgung vor.
Den Psychotherapeuten ist das nicht genug: "Wir fordern, dass die aktuellen Einschränkungen im Zugang zu Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aufgehoben werden. Flüchtlinge sollten auch in den ersten 15 Monaten uneingeschränkten Zugang zu allen GKV-Leistungen erhalten", sagt Munz.
Aktuell ist dies erst nach 15 Monaten der Fall. "Das ist jedoch zu spät."
PTBS und Depressionen verbreitet
Laut Munz müsse die Gefahr der Chronifizierung möglichst gering gehalten werden.
PTBS und Depressionen gefährdeten die Fähigkeit zur Integration - und stellen möglicherweise auch eine Quelle für mögliche Folgekosten dar, etwa wenn die Erwerbstätigkeit aufgrund der psychischen Probleme nicht oder nur stark verzögert aufgenommen werden könnte.
Laut der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung sind unter den in Deutschland angekommenen Flüchtlingen bisher rund 50.000 studierwillige Flüchtlinge, auf die sich Universitäten und Hochschulpolitiker dieses Jahr einstellen sollten.