Gesetzesvorschlag

Ärzte sollen Suizidwunsch prüfen

Vier Mediziner und Juristen haben einen Gesetzesvorschlag veröffentlicht, um den assistierten Suizid zu regeln. Die Wissenschaftler plädieren dafür, nur Ärzten die Beihilfe zum Suizid zu erlauben. Vorbild ist für sie das Modell Oregon.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Ärzte sollen nach dem Willen der Autoren nicht zur Suizidassistenz verpflichtet werden können.

Ärzte sollen nach dem Willen der Autoren nicht zur Suizidassistenz verpflichtet werden können.

© nmann77 / stock.adobe.com

Berlin. Vier Mediziner und Juristen haben einen aus ihrer Sicht verfassungskonformen Gesetzesvorschlag veröffentlicht, um den assistierten Suizid zu regeln.

Die Professoren Gian Domenico Borasio und Ralf Jox (beide Universität Lausanne) sowie Jochen Taupitz (Heidelberg/Mannheim) und Urban Wiesing (Tübingen) schreiben darin Ärzten eine maßgebliche Rolle zu.

Mindestens zehn Tage Bedenkzeit

Sie müssten Freiwilligkeit und Beständigkeit des Suizidwunsches prüfen und den Sterbewilligen „umfassend und lebensorientiert“ aufklären. Mindestens zehn Tage nach dem Aufklärungsgespräch muss sich ein zweiter Arzt davon überzeugen, dass der Sterbewunsch „realitätsbezogen und am eigenen Selbstbild des Betroffenen orientiert“ ist. Werbung für Suizidassistenz soll mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.

Angehörige oder nahestehende Personen würden sich dem Vorschlag zu Folge – wie bisher – nicht strafbar machen, wenn sie Hilfe zur Selbsttötung leisten. Alle anderen nicht-ärztlichen Sterbehelfern sollen dagegen bis zu drei Jahren Haft drohen. Ziel des Entwurfs sei es, den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Freiraum für selbstbestimmtes Sterben abzusichern und nicht-freiverantwortliche Suizide zu verhindern.

Ärzte können nach dem Willen der Autoren nicht zur Suizidassistenz verpflichtet werden. Doch das in den Berufsordnungen der Kammern enthaltene Verbot der Suizidbeihilfe sei „berufsethisch nicht haltbar“. Die Autoren schlagen vor, dass in einer Rechtsverordnung die nötige Qualifikation der Ärzte, Anforderungen an die Aufklärung sowie Dokumentations- und Meldepflichten festgelegt werden.

In der Schweiz fehlen Regeln

Ihr Regelungsvorschlag orientiere sich an dem Modell im US-Bundesstaat Oregon, so die Autoren. Dort ist die Suizidbeihilfe seit 1997 gesetzlich geregelt. Internationale Daten zeigten, dass es nur dort zu einem Anstieg der Fälle von Suizidbeihilfe kommt, wo klare gesetzliche Regeln fehlen – wie etwa in der Schweiz, sagt der Palliativmediziner Professor Borasio. In Oregon sei dies nicht der Fall gewesen.

Der Vorschlag der Neuregelung im Paragrafen 217 Strafgesetzbuch lasse die Grenze zum Paragrafen 216 – der verbotenen Tötung auf Verlangen – unberührt. Denn bei der Suizidbeihilfe habe der Sterbewillige selbst die Tatherrschaft inne, nimmt also zum Beispiel das tödliche Medikament selbst ein.

Der Bundestag habe nun die „zweite Chance auf ein kluges Gesetz“, so der Palliativmediziner Jox. Die vier Wissenschaftler hatten 2014 einen ähnlichen Vorschlag lanciert. Der Gesetzgeber dürfe den Bürgern „die richtige Weise zu leben und zu sterben nicht vorschreiben“, sagt der Medizinethiker Professor Urban Wiesing.

Spahn will „legislatives Schutzkonzept“

Die vier Wissenschaftler präsentieren ihren Vorschlag zu einer Zeit, in der sich immer mehr Organisationen und Verbände zu einer möglichen Neuregelung positionieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte erklärt, die Suizidassistenz solle durch ein „legislatives Schutzkonzept“ flankiert werden. Denn zur Selbstbestimmung gehörten auch „Lebensschutz bzw. Fürsorge“.

Auch die Evangelische Kirche schreibt Ärzten in ihrer Stellungnahme eine besondere Rolle bei der Prüfung des Suizidwunsches von Sterbewilligen zu. Vage schlägt die EKD ein „noch näher zu bestimmendes Verfahren“ vor, um zu verhindern, dass der Wunsch nach Selbsttötung durch sozialen Druck oder eine psychische Erkrankung befördert wurde. (fst)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Frage der Woche

Machen Regresse Ihnen zu schaffen?

Kommentare
Abb. 1: Design der CASPAR-Studie

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2]

Diabetische Polyneuropathie

Capsaicin-Pflaster: Wirkung kann bei Mehrfachanwendung zunehmen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Grünenthal GmbH, Aachen
Lungenkrebs: Unbedingt an Testung des Tumors denken!

© Springer Medizin Verlag GmbH

Lungenkrebs: Unbedingt an Testung des Tumors denken!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG, Berlin
Suchtmedizin: ein spannendes und vielfältiges Betätigungsfeld

© Springer Medizin Verlag GmbH

Suchtmedizin: ein spannendes und vielfältiges Betätigungsfeld

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Hexal AG, Holzkirchen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

EvidenzUpdate-Podcast

Hoffnung und Kollaps – wie Lecanemab uns herausfordert

Lesetipps
Ein sich auftürmender Geldstapel.

© Sascha Steinach/ZB/picture alliance

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

 Hausarzt Werner Kalbfleisch

© Südwest Presse / Verena Eisele

Ende eines jahrelangen Verfahrens vor den Prüfgremien

Hausarzt geht mit XXL-Regress in die Rente

Die Forschenden nahmen die langfristigen Auswirkungen der essenziellen Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink, sowie der nicht-essenziellen Metalle Arsen, Cadmium, Blei, Wolfram und Uran auf die kognitiven Funktionen in den Blick.

© Naeblys / Getty Images / iStock

Umweltbelastung

Metalle im Urin sind mit kognitivem Abbau assoziiert