Bundestag

Ärzteschaft enttäuscht über Organspende-Beschluss

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Berlin. Der Marburger Bund (MB) hat enttäuscht auf das Votum des Bundestags für die Entscheidungslösung bei der Organspende reagiert.

Dennoch gelte es jetzt, „die Chancen zu nutzen“, die sich aus der neuen Regelung ergeben würden, sagte die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes Dr. Susanne Johna am Donnerstag in Berlin.

Das geplante Online-Register zur Organspendebereitschaft sei eine echte Verbesserung gegenüber dem Status quo, so Johna. Sie hoffe, dass mehr Menschen durch Gespräche mit Ärzten motiviert werden könnten, ihre Entscheidung im Register zu dokumentieren. – Weitere Reaktionen: (hom)

Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sagte, die Entscheidung des Parlaments sei sicher nicht das, „was sich die schwerkranken Menschen auf der Warteliste erhofft haben“.

Auch die Ärzteschaft habe sich für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Diese hätte die Bürger in die Pflicht genommen, sich für oder gegen Organspende zu entscheiden und so zu einer deutlichen Steigerung der Spenderzahlen führen können.

Die Ärzte würden gleichwohl alles daran setzen, das heute beschlossene Gesetz „zu einem Erfolg zu machen“, betonte Reinhardt.

Der Präsident der Landesärztekammer Hessen, Dr. Edgar Pinkowski, sagte, das Votum für die Entscheidungslösung zeige, dass sich die Politik nicht über das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen hinwegsetzen wolle.

„Dennoch bedauere ich die Ablehnung des von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eingebrachten Vorschlags der doppelten Widerspruchslösung sehr, da diese die Zahl der Organspenden möglicherweise deutlich erhöht hätte.“

Die jetzt beschlossene Entscheidungslösung werde nicht helfen, die Transplantationsmedizin ausreichend zu fördern, sagte Dr. Günther Matheis, Chef der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz.

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch begrüßte die Entscheidung. „Es ist gut, dass sich die deutliche Mehrheit des Bundestages für die Selbstbestimmung entschieden hat.“

Die Anstrengungen für die Organspende dürften jetzt aber nicht enden. Ohne gute Organisation, sachliche Aufklärung und Transparenz sei die Mammutaufgabe zu stemmen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte es richtig, dass die Organspende auch in Zukunft eine freiwillige Entscheidung bleibe. „Die Organspende ist und bleibt so eine solidarische Spende für Menschen in Not.“

Jetzt müsse es vor allem darum gehen, diese freiwillige Entscheidung auch in der Praxis, in den Krankenhäusern und bei der Beratung beim Hausarzt qualifiziert umzusetzen. „Das bedeutet auch, dass personelle Ressourcen bei Behörden und medizinischen Einrichtungen dafür bereitstehen.

NRW-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (CDU) sagte: „Ich persönlich hätte für die Widerspruchslösung gestimmt.“ Er sei aber froh, dass nun Klarheit herrsche und wichtige Schritte getan werden könnten, um die Organspende zu fördern.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sagte, mit dem Votum gegen die Widerspruchslösung sei eine Chance vergeben worden, die Lücke zwischen potenziell möglichen und tatsächlichen realisierten Organspenden zu verringern.“

Niedersachsens Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann sagte: „Organspende bleibt aktive Entscheidung“.

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Kommentare
Dr. Schätzler 17.01.202015:01 Uhr

Angesichts der dramatischen Zahl von 9000 Patienten auf den Wartelisten, sollte es nach meiner medizinisch-ärztlich-ethischen Überzeugung zu deutlich mehr Organsspenden kommen. Die Zahl der Spender ging in 2019 leicht auf 932 zurück, nachdem 2018 noch 955 Menschen perimortal Organe für andere Patienten gespendet hatten. Der bisherige Tiefststand von 797 Spendern im Jahr 2017 ist erfreulicherweise überwunden. 2019 wurden damit insgesamt 2.995 Organe an Eurotransplant übergeben - vor allem Nieren, Lebern und Lungen.

"Mehr Organspende-Bereitschaft wagen" geht nur mit Stetigkeit, Beharrlichkeit, Überzeugungskraft, Selbst-Reflexion, Nachhaltigkeit, Perspektive, Mut und Offenheit. Der öffentliche Diskurs zu Chancen und Risiken der Transplantationsmedizin und deren flankierende Maßnahmen muss weiterhin immer wieder neu geführt werden.

Bei mangelnder Organspende-Bereitschaft gehört in Deutschland nach wie vor die fehlende gesellschaftspolitisch transparente Debatte über bio-psycho-soziale Auswirkungen der Transplantationsmedizin dazu. Bei möglichst lebensfrischen, transplantablen Spenderorganen mit zu Recht geforderten, guten Erfolgsaussichten bei den Organempfängern kann es keine "postmortale", sondern nur eine p e r i -mortale Organspende geben. Verantwortliche Fachärzte-Teams, die den Hirntod feststellen, bzw. die Organ-Ex- oder -Implanteure bewegen sich auf einem denkbar schmalen Grat zwischen Leben und Tod: Zwischen Hirntodfeststellung, Entscheidungsfindung und Transplantations-Geschehen. Die offiziellen Todeszeitfeststellungen bei den Organspendern erfolgen immer erst nach deren Organexplantationen, wenn alle Geräte abgeschaltet werden: Nicht vorher.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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