Reaktionen auf Bundestagsbeschluss
Ärzteverbände warnen vor mehr Bürokratiebelastung durch Digitalgesetze
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnt: Die Technik sei nicht vorbereitet auf die Anforderungen der Digital-Gesetzgebung. Zur Verfügung stehende Behandlungszeit für Patienten drohe abzunehmen.
Veröffentlicht:Berlin. Die Reaktionen auf die Verabschiedung der Digitalgesetze im Bundestag fallen nicht nur freundlich aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie der Deutsche Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) konzentrierten ihre Kritik auf die mit dem Gesetz verbundenen Sanktionsandrohungen im Zusammenhang mit dem Befüllen der elektronischen Patientenakte. Der Gesetzgeber verpflichtet mit dem Digital-Gesetz die Praxen dazu, ab 2025 bestimmte Daten in die elektronische Akte einzuspeisen. Dies liegt bislang im Ermessen der Ärzte.
Das bei der KBV für die Digitalisierung zuständige Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner geht davon aus, dass die Gesetze das Potenzial hätten, „die Arbeit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte erneut mit Bürokratie und Digitalisierungsberatung“ zu belasten. Mit den umfangreichen Aufklärungspflichten schwinde die effektive für Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehende Behandlungszeit dahin.
Ärger über kurzfristige Änderungen
Die Hausärzte wollten und bräuchten eine funktionierende Digitalisierung, hieß es beim HÄV. Die kurzfristig und ohne Rücksprache mit den Praktikern quasi über Nacht ins Gesetz aufgenommenen Änderungen lehne man jedoch ab. Die Technik funktioniere derart schlecht, dass es mehrere Minuten dauere, bis die ePA überhaupt erst eingesehen werden könne. Dies sei mit dem dicht getakteten Praxisalltag unvereinbar.
Mit seinen Vorgaben setze sich der Gesetzgeber unter enormen Druck. Er müsse nun garantieren, dass die Technik und eine automatisierte Übertragung von Daten in die ePA störungsfrei laufe, merkte der Hausärzteverband an.
Unikliniken sehen starkes Signal
Krankenkassen werden mit den Digitalgesetzen verpflichtet, Patientinnen und Patienten zur elektronischen Patientenakte zu beraten. Der Umfang der vom Gesetzgeber erwarteten Aufgaben in diesem Zusammenhang gehe zu weit, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Dr. Doris Pfeiffer am Donnerstag. Es sei realitätsfern, dass die Ombudsstellen der Kassen selbst feingranulare Widersprüche der Patienten in der ePA zu verwalten.
Vor einer Überforderung der Praxen und Krankenhäuser warnte der Hartmannbund: Es sei im Moment nicht abzusehen, dass der von Ärztinnen und Ärzten politisch erwartete oder angeordnete Einsatz digitaler Anwendungen auf Basis der vorhandenen technischen Voraussetzungen in vollem Umfang möglich sei, hieß es beim HB am Donnerstag.
Eine ePA im Opt-out-Verfahren sei ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Etablierung der Akte und werde den Patientinnen und Patienten helfen, besser versorgt zu werden. Für die Forschung stellen die zukünftig verfügbaren Daten einen großen Schatz dar, an den die Universitätsmedizin hohe Erwartungen knüpfe, sagte der 1. Vorsitzende des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), Professor Jens Scholz, im Anschluss an den Beschluss. Dass gleichzeitig auch die Telemedizin zur Regelleistung in der ambulanten Versorgung werde, sei ein starkes Signal. (af)