Diskurs statt Zoff

Ärztlicher Pandemierat tagt erstmals am Dienstag

Die Ärzteschaft präsentiert sich beim Umgang mit der Corona-Pandemie nicht mehr uneingeschränkt einig. Nun schlägt die Stunde der Bundesärztekammer: Dort soll am Dienstag erstmals der „Pandemierat“ tagen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt in seinem Büro

Soll den ärztlichen Pandemie-Diskurs moderieren: BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt.

© Wolfgang Kumm / dpa

Berlin. Mit der Veröffentlichung ihre Positionspapiers haben die Autoren der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und die Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit Staub aufgewirbelt. Ein Teil der Ärzteschaft hat sich hinter die KBV-These gestellt, dass es über kurzfristig wirkende Teil-Lockdown-Maßnahmen hinaus eine langfristige Strategie brauche.

Ein anderer Teil hat die von Bund und Ländern verordneten Einschränkungen als zum aktuellen Stand der Pandemie alternativlos befürwortet und die KBV der Verharmlosung der Lage geziehen. Zuletzt hatten sich die Gesellschaft für Virologie (GfV), der Marburger Bund und Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) deutlich von den KBV-Positionen distanziert.

Lesen sie auch
Lesen sie auch
Lesen sie auch

Am Dienstag (10. November) nun will die Bundesärztekammer (BÄK) einen Versuch unternehmen, die Lager wieder zusammenbinden: dann soll ein „ärztlicher Pandemierat“ zusammentreten, hat die BÄK der „Ärzte Zeitung“ am Wochenende auf Anfrage mitgeteilt. Darin sollen die Fachgesellschaften ihre Erfahrungen mit SARS-CoV-2 untereinander austauschen und daraus Handlungsalternativen ableiten.

Beide Lager sind vertreten

Nach Informationen der „Ärzte Zeitung“ ist das virtuelle Treffen am Nachmittag für zunächst drei Stunden anberaumt. Eingeladen sind rund 30 Vertreter fast ausschließlich aus medizinischen Fachgesellschaften. Neben dem BÄK-Vorstand soll auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Professor Thomas Mertens, geladen sein.

Unter den gut 20 Fachgesellschaften befinden sich die Amtsärzte (BVÖGD), Virologen, Epidemiologen und Infektiologen, Anästhesisten, Intensivmediziner, Pneumologen, Pädiater und Internisten, aber auch Neurologen, Pathologen, Pharmakologen, Palliativmediziner und Allgemeinmediziner. Der Rat war dem Vernehmen nach bereits im Sommer ins Leben gerufen worden, soll bisher aber nicht getagt haben.

Neben den Kritikern und den Befürwortern – darunter der Deutsche Hausärzteverband und der Spitzenverband Fachärzte Deutschland (SpiFa), nicht aber alle SpiFa-Mitgliedsverbände – machten die Pathologen in dieser Woche eine dritte Perspektive auf.

Pathologen-Chef ruft zur Einigkeit auf

Man hätte das Papier als „Diskussionsimpuls für eine langfristigere und facettenreichere Strategie im Umgang mit dem Virus nutzen können“, schreibt der Präsident des Bundesverbands Deutscher Pathologen (BDP), Professor Karl-Friedrich Bürrig, in einem aktuellen Mitgliederbrief. Stattdessen werde dessen Inhalt zunehmend vom Austragen persönlicher Differenzen oder von Parteipolitik in der Öffentlichkeit überlagert.

Bürrig fordert, eine fachgebiets- und sektorenübergreifende Diskussion in der gesamten verfassten Ärzteschaft zu führen. Diese Diskussion müsse die Einzelbereiche der Ärzteschaft, den Öffentlichen Gesundheitsdienst und besondere medizinische Experten erfassen, um jenseits der persönlichen Meinungen Einzelner und der widersprüchlichen Auffassungen einzelner Teile der Ärzteschaft einen Konsens zu finden.

Auch Nationaler Pandemierat im Gespräch

Bürrig fordert die Bundesärztekammer auf, diese Diskussion zu moderieren. Diesen Schritt versucht die BÄK nun mit dem „Pandemierat“ zu gehen.

„Es ist gut, dass die Ärzteschaft vorangeht, aber der ärztliche Blick allein reicht nicht mehr aus. Ich fordere von der Bundesregierung, selbst einen interdisziplinären Pandemierat zur Beratung von Regierung und Parlament einzurichten“, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring Eckardt in einer ersten Reaktion auf den Vorstoß der Bundesärztekammer.

Einen Nationalen Pandemierat einzurichten, ist schon im Gespräch. Auch diesem ursprünglich von der Fraktion der Grünen im Bundestag eingebrachten Vorschlag würde sich der BÄK-Präsident nicht verschließen.

Ein solcher Rat, besetzt mit Experten unterschiedlicher Disziplinen, die Ärzte selbstredend vorneweg, aber auch Soziologen, Ökonomen, Ethiker und Juristen könnte „der wissenschaftliche Anker der politisch Handelnden“ sein, sagte Reinhardt am Donnerstag dem „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. (Mitarbeit: nös)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Positionspapier veröffentlicht

Amtsärzte: Pakt alleine macht den ÖGD nicht zukunftsfähig

69 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 09.11.202009:32 Uhr

HINTERGRUNDINFORMATIONEN FÜR ÄRZTLICHEN PANDEMIERAT

Das Robert-Koch-Institut (RKI) zeigt eine Grafik nach der u.a. beengtes Heim-, Wohn-, Haus-Milieu schicht-/herkunftsbedingt in Metropolen-Gebieten wesentlicher Pandemie-Treiber ist.

Doch warum zwischen Wohnstätten und Privaten Haushalten bzw. Flüchtlingsheimen und Wohnheimen getrennt?

Behandlungseinrichtungen, Klinik und Praxis spielen nur eine untergeordnete Rolle im Corona-Krankheitsgeschehen!

Warum Arbeitsplatz/Ausbildungsstätte getrennt?

Was sind "Speisestätten"? Häuslicher Frühstücks-, Mittags- und Abendtisch? Mensa? Cafeteria? Kantine? Kaffekränzchen? Tageseinrichtungen Kinder/Senioren? Imbissbude? Gaststätte? Hotel-/Sterne-Gastronomie? Buffets?

Kalenderwochen 14-17 zeigten Ausbrüche in Alten-, Pflege-, Flüchtlings-Heimen. Warum jetzt nicht mehr?

Kategorien wie Hotel/Gaststätten, Kino, Sport-/Kultureinrichtungen, Schwimmbäder waren nie Hotspots.

Wie dilettantisch, bei Pandemie, Lockdown II, Bedrohungen durch SARS-CoV-2-Infektionen/COVID-19-Erkrankungen nicht von "Nationaler Krankheitslage", sondern irrational von "Gesundheits"-Lage zu sprechen.

Diese Sprachlosigkeit der Regierenden bei ethnografisch-kulturell, schicht- und herkunftsbedingt begründeten Corona-Krankheitslagen spricht Bände.

Mit naiver Gesundheits-Begrifflichkeit und wahllos-willkürlichen, unbegründeten, unverhältnismäßigen und unlogischen Lockdown-Maßnahmen heizen Bundesregierung und Länder derzeit das an, was sie vermeiden zu wollen vorgeben: Den sozialpsychologisch massiver werdenden CORONA-Verdruss mit eskalierenden bio-psycho-sozial-medizinischen, gesellschaftspolitischen, juristischen, physischen und mentalen Auseinandersetzungen. Dabei ist es längst 5 Minuten nach Zwölf!

Ein ärztlicher Pandemierat muss aber auch zwingend den eskalierenden Virologen-Streit im Schlepptau mit KBV und Ärztevebänden konsensfähig beenden.

Vgl. https://www.doccheck.com/de/detail/articles/30123-corona-strategien-perfekte-verwirrung

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Peter Schimmelpfennig 09.11.202008:11 Uhr

Es wäre in erster Linie wünschenswert, dass Entscheidungen aufgrund von evidenzbasierter Grundlage unter Berücksichtigung renommierter internationaler Experten erfolgen. Es ist nicht erkennbar, dass dies im Rahmen der Coronapandemie jemals erfolgte (in Deutschland).

Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was bleibt von der Gesundheitspolitik der Ampel, Professor Greiner?

Lesetipps
Dr. Carsten Gieseking

© Daniel Reinhardt

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

69 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Eine Spritze für eine RSV-Impfung liegt auf dem Tisch.

© picture alliance / Ulrich Baumgarten

Update

Umfrage unter KVen

Erst sechs Impfvereinbarungen zur RSV-Prophylaxe Erwachsener