Gesetzentwurf

Angriffe auf ärztliche Notdienste sollen strafbar werden

Wer Ärzte, MFA oder Plegekräfte bedroht, soll künftig hart bestraft werden. Die geplante Neuregelung gilt allerdings nicht für alle.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Hier gibt es Hilfe – und hin und wieder auch Gewalttäter. Auch in Notaufnahmen soll das Personal künftig besser geschützt werden.

Hier gibt es Hilfe – und hin und wieder auch Gewalttäter. Auch in Notaufnahmen soll das Personal künftig besser geschützt werden.

© Lino Mirgeler/dpa

Berlin. Ärzte, Pflegekräfte und andere Helfer in ärztlichen Notdiensten und Notaufnahmen sollen künftig besser vor Angriffen und Drohungen geschützt werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB) von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin gebilligt.

Danach droht Gewalttätern künftig eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, wenn sie Ärzte, MFA oder Pflegekräfte in Notaufnahmen oder Notdiensten „bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not“ tätlich angreifen. In besonders schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe sechs Monaten bis fünf Jahre.

Wer die Helfer durch Gewalt oder allein durch die Androhung von Gewalt in ihrer Arbeit behindert, soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Der Gesetzentwurf muss zunächst im Bundestag beraten und anschließend von den Parlamentariern beschlossen werden.

Bislang sah das StGB in den Paragrafen 114 und 115 diesen Schutz für Vollstreckungsbeamten gleichgestellte Personen vor. Nach immer mehr Berichten von Übergriffen auf Rettungskräfte wurde der Schutz im Jahr 2017 zunächst auf Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz erweitert.

„Nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung“

Ärzteverbände hatten schon damals appelliert, auch ihre Berufsgruppe sowie Praxis- und Klinikpersonal in diese Schutzvorschrift mit aufzunehmen.

„Mit der Ergänzung ... wird die bisherige, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den bereits geschützten Hilfeleistenden beseitigt“, heißt es denn auch im aktuellen Gesetzentwurf zur Begründung.

Verbände reagierte erleichtert über die Pläne. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, nannte den „schärferen gesetzlichen Rahmen“ am Mittwoch „ein gutes Zeichen“.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Marburger Bund und die Bundesärztekammer (BÄK) hatten bereits Mitte Januar die Änderungspläne unisono begrüßt.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 20.02.202019:12 Uhr

Ersthelfer und Ärzte/Hilfspersonal werden nach wie vor im Stich gelassen?

Im Stich gelassen und aus dem verbesserten strafrechtlichen Schutz nach wie vor verfassungswidrig ausgegrenzt werden nach dem derzeit gültigen Paragrafen 114 und 115 StGB m.E. Ersthelfer (mit gesetzlicher Pflicht zur Hilfeleistung!), Ärzte, Begleit- und Hilfspersonen im organisier¬ten ärztlichen Notfall- und Bereitschaftsdienst, die auch Hilfe bei Unglücksfällen, bei gemeiner Gefahr oder Not leisten. Nicht erfasst sind ebenfalls das Pflege- und Logistik-Personal bzw. erstbehandelnde Ärztinnen und Ärzte in Kliniken oder Praxen.

Geplante Novelle noch peinlicher
Mit dem Gesetz von 2017 hat sich der Gesetzgeber bis heute bis auf die Knochen blamiert. Und auch die geplante Novelle ist wiederum Stückwerk ohne verlässliche Rechtssystematik: Die bestehenden Paragrafen 114 und 115 Absatz 3 Strafgesetzbuch (StGB), die bislang Feu¬erwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst ein¬schlossen, aber Ärzte und Pflege¬kräfte im Einsatz nicht explizit erwähnten, sollen im Strafmaß in schweren Fällen künftig auf eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jah¬ren verschärft werden. Zum medizinischen Personal in der Notfallversorgung, das künftig besonders geschützt werden soll, zählen Ärzte, Pflegekräfte, Hilfskräf¬te und alle, die medizinische Versorgung im Notfall leisten, hieß es aus dem Bundesmi¬nisterium für Gesundheit (BMG).

Unsinnige Ausnahme- und Sonderregelungen
Die Neuregelung gelte für Ambulanzen nachts oder am Wochenende, in Notaufnahmen in Kliniken oder Versorgungszentren oder im Notdienst zuhause bei Hilfsbedürftigen oder im Heim. Überall dort setzt sich medizinisches Personal dem BMG zufolge besonderen Situationen außerhalb des regulären Praxis- oder Stationsbetriebs aus. Es sei „besonders exponiert, gefährdet und im Allgemein- und Individualinteresse auch besonders schützenswert“.

Dr. Thomas Georg Schätzler 20.02.202019:10 Uhr

Im Klartext bedeutet das aber auch: Niedergelassene Ärzte, ihre Praxen und Mitarbeiter sowie Krankenhausärzte im normalen Stationsdienst sind nicht von der neuen Regelung umfasst. Und ein Strafrecht, das nur nachts oder am Wochenende bzw. in bestimmten Lokalitäten nur bei Notfallversorgung gelten solle, ist juristisches Neuland.

Fazit
Die Bundesregierung reagiert mit der Ergänzung im Gesetz auf die steigende Zahl von Gewalt gegen medizinisches Personal völlig unzureichend. Der besondere strafrechtliche Schutz muss auf das gesamte medizinische Personal und Ersthelfer erweitert werden. Grundsätzlich unterscheidet das Strafrecht nicht nach Opfergruppen. Dies ist absolut richtig und rechtssystematisch zwingend. Damit offenbart sich aber zugleich offenkundig unsystematisches Denken: Ärztinnen und Ärzte, Praxispersonal und Hilfskräfte in Klinik und Praxis, ebenso wie Ersthelfer müssen wie die anderen Amtspersonen mit einem erweiterten Strafrecht nach §§ 114 und 115 StGB gleichbehandelt werden. Denn sie erfüllen den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag, dürfen in Notfällen umfassende Bergungs-, Rettungs-, Hilfe- und Schutz-Maßnahmen nicht verweigern bzw. könnten wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. "Die Rettungskräfte wurden ausnahmsweise in Paragraf 115 Abs. 3 StGB mit aufgenommen, weil sie polizeiähnlich arbeiten und in der Vergangenheit der körperlichen Gewalt besonders oft ausgesetzt waren", ist natürlich juristischer Unfug des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV). Zudem übten die Rettungs- und Einsatzkräfte selber die staatliche Funktion des Rettungsdienstes aus, hieß es. Deshalb seien sie für den Staat besonders schutzwürdig. Das alles gelte nach wie vor nicht für Ärzte in Praxen und Kliniken, die die Sicherstellung der medizinischen Versorgung als hoheitliche Aufgabe leisten. Das ist exakt die problematische Gesetzeslücke, die es zu schließen gilt.
Mf+kG, Dr. med Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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