Kabinett winkt Lieferengpassgesetz durch
Antibiotika und Kinderarzneien sollen speziell gefördert werden
Gesundheitsminister Lauterbach geht die Knappheit bei bestimmten Arzneien an. Mittel zum Zweck sind die Beseitigung von Preisfesseln und das Anreizen heimischer Produktion. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf beschlossen.
Veröffentlicht:Berlin. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen ist auf dem Weg in den Bundestag. Das Kabinett hat am Mittwoch den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) beschlossen.
Gleichzeitig zielt das Gesetz darauf ab, Abhängigkeiten von anderen Herstellerländern wie zum Beispiel Indien und China zu verringern. Versorgungsrelevante Lieferengpässe hat der Beirat zur Versorgungslage mit Arzneimitteln für Antibiotika sowie Medikamente zur Fiebersenkung bei Kindern mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen festgestellt.
Das Gesetz sieht nun eine Reihe von Anreizen für pharmazeutische Unternehmer vor. So sollen Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in Europa bei Ausschreibungen von Verträgen mit Krankenkassen zusätzlich berücksichtigt werden müssen. Zudem soll die Entwicklung von neuen Reserveantibiotika finanziell gefördert werden.
Kinderarzneimittel ohne Festbeträge
Ein vergleichbares Verfahren für onkologische Wirkstoffe ist vorerst noch nicht vorgesehen. Es war im Ende März bekannt gewordenen Referentenentwurf noch aufgeführt worden, soll aber zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgt werden, wie Lauterbach am Mittwoch ankündigte.
Was die Lieferengpässe vor allem bei generischen Arzneimitteln angehe, sei „die Lage in den vergangenen zehn Jahren schlechter geworden, nicht besser“, sagte Lauterbach. Deshalb sei ihm wichtig, die Preisregeln für Kinderarzneimittel zu lockern. Festbeträge und Rabattverträge sollen abgeschafft werden.
Pharmazeutische Unternehmer sollen ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrags anheben dürfen. Krankenkassen müssen die Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln übernehmen. Festbetragsgruppen mit Kinderarzneimitteln soll es nicht mehr geben dürfen.
Drei Monatsbedarfe auf Lager
Für rabattierte Arzneimittel sieht der Entwurf eine verbindliche Lagerhaltung von drei Monatsbedarfen vor. Das BfArM soll ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen einrichten.
Hintergrund des Gesetzes ist eine inzwischen von der Regierung anerkannte Verletzlichkeit der Arzneimittelversorgung. Krisen wie die COVID-19-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine zeigten, dass wirtschaftliche Beziehungen kurzfristig und unvorhersehbar belastet werden könnten, heißt es zur Begründung des Gesetzes.
Bei generischen Arzneien werde eine Konzentration auf nur wenige Herstellungsstätten beobachtet. Im Jahr 2020 sei bereits 60 Prozent der gesamten Wirkstoffproduktion in Asien erfolgt, doppelt soviel wie noch im Jahr 2000.
Branchenverband: Probleme bleiben bestehen.
Der FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann lobte den Entwurf bedingt. „Die Veränderungen der Preisregelungen für Arzneimittel sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, Anreize für Herstellerunternehmen zu schaffen, in Deutschland weiterhin aktiv zu sein“, sagte Lindemann am Mittwoch der Ärzte Zeitung. Um Deutschland wieder zur Apotheke der Welt zu machen, müssten konsequentere und weitergehende Schritte folgen.
Die Änderungen im Gesetzentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf nahm der Geschäftsführer des Branchenverbands Pro Generika Bork Bretthauer aufs Korn. „Ausgerechnet die Maßnahmen zur Stabilisierung der Versorgung mit Krebsmitteln fallen weg. Und das obwohl wir erst jüngst erleben mussten, dass Brustkrebspatientinnen um Tamoxifen bangten“, sagte Bretthauer.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) kritisierte den geplanten Wegfall der Preisregeln. „Diese finanziellen Anreize bieten in einem globalen Markt keinerlei Gewähr, dass tatsächlich mehr Arzneimittel für die Versorgung in Deutschland zur Verfügung stehen“, sagte vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. (af)