Niels H.
Ausschuss legt Ideen für mehr Patientensicherheit vor
Als Konsequenz aus der Mordserie am Klinikum Delmenhorst will der zuständige Sonderausschuss Stationsapotheker etablieren. Fachleute sind skeptisch.
Veröffentlicht:HANNOVER. Über Jahre hat der Krankenpfleger Niels H. unentdeckt auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst Patienten getötet.
Jetzt hat der Sonderausschuss Stärkung der Patientensicherheit und des Patientenschutzes des Niedersächsischen Landtages vorgeschlagen, wie solche Morde in Zukunft verhindert werden könnten.
Zum Beispiel durch Stations-Apotheker, Whistleblower-Systeme oder eine erweiterte Leichenschau an den 183 niedersächsischen Krankenhäusern. Über den interfraktionellen Abschlussbericht des Gremiums hat der Bremer "Weser-Kurier" berichtet.
Der ehemalige Krankenpfleger Niels H. wurde vom Landgericht Oldenburg im Februar 2015 wegen zweifachen Mordes, zweifachen Mordversuches und gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte zugegeben, Patienten mit Ajmalin getötet zu haben.
Der erhöhte Verbrauch des Medikaments war auf der Station nicht aufgefallen.
Zukünftig sollen aus diesem Grund nach dem Willen des Ausschusses Stationsapotheker an den Kliniken arbeiten. "Denn die Kontrolle der Verschreibungen funktioniert schlecht", sagt Thomas Schremmer (Grüne), Obmann des Ausschusses, zur "Ärzte Zeitung".
Sicherheit an der Schnittstelle
Die Niedersächsische Apothekerkammer begrüßte die Forderung. Stationsapotheker können "die Patientensicherheit an der Schnittstelle Patient-Arzneimittel erhöhen", erklärt der pharmazeutische Geschäftsführer der Kammer, Dr. Frank Dombeck.
"Das ist ein wegweisendes Signal für eine sinnvolle interprofessionelle Patientenversorgung in Zeiten immer anspruchsvollerer Arzneimittel bei gleichzeitig erhöhter Arbeitsverdichtung im Krankenhaus."
Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft allerdings kommentiert. "Die Umsetzung wird wohl schwierig, denn es fehlen Apotheker." Zudem seien die Fachleute "in den Budgets nicht vorgesehen."
Der Ausschuss schlägt zudem Mortalitätskonferenzen in den Kliniken vor. Zu klaren Kriterien einer qualifizierten Leichenschau konnte er sich aber nicht durchringen.
So fehle etwa die Forderung nach einem unabhängigen Mediziner, der nicht aus dem Krankenhaus kommt und die Leichenschau vornehmen könnte. "Dass wir hier keinen weitergehenden Beschluss gefasst haben, liegt auch daran, dass er unter anderem das Bestattungsgesetz berührt hätte", sagt Schremmer.
Tatsächlich diskutiere man in der Landesregierung derzeit, das Bestattungsgesetz zu ändern, so die Sprecherin des Ressorts, Heinke Traeger. Konkret sei vorgesehen, das Gesetz um eine neue Regelung über Meldepflichten in zu ergänzen, mit der die die Leichenschau vornehmenden Ärzte verpflichtet werden, im Zweifel Staatsanwaltschaft oder Polizei zu benachrichtigen, etwa bei einem Tod aufgrund von Komplikationen im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung oder einem Tod, bei dem der begründete Vorwurf einer Fehlbehandlung erhoben wird, wie es hieß. Die Regelungen sollen mit den norddeutschen Bundesländern abgestimmt werden.
Whistleblower-System in Kliniken
Außerdem soll die erweiterte Leichenschau zugelassen werden, um mit einer Leichenöffnung die Todesursache zu klären.
"Gegenüber der bisherigen Rechtslage soll dies auch dann zulässig sein, wenn eine Zustimmung der verstorbenen Person oder ihrer Angehöriger nicht vorliegt", hieß es. In Niedersachsen sollen Ärzte der Medizinische Hochschule Hannover (MHH) die klinischen Sektionen vornehmen.
Patientenfürsprecher sollen künftig in allen Krankenhäusern die Belange der Patienten stärken, so der Ausschuss. Außerdem sprach man sich für ein Whistleblower-System in den Klinken aus. "In einem System, wo Fehler tabu sind, sollte es die Möglichkeit eines anonymen Meldesystems geben", so Schremmer.
Dieser Punkt sei allerdings heikel, wie der Grünenpolitiker einräumt. "Man bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Denunziation und Aufklärung." Das sieht auch Engelke so. Die Mitglieder der Krankenhausgesellschaft seien in ihren Meinungen denn auch geteilt, hieß es.
"In den Anhörungen wurden jedoch auch immer wieder die Funktionsweise des Gesundheitssystems und die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen problematisiert. Diese haben die Taten von Niels H. zumindest mit bedingt und dazu geführt, dass diese lange Zeit unentdeckt blieben", schreibt Thomas Schremmer in einer Stellungnahme.
"Für mich sind die bei den Untersuchungen offenbar gewordenen Probleme ein weiterer Anlass dafür, die Ökonomisierung des Gesundheitswesens kritisch zu hinterfragen und endlich die Arbeitsbedingungen - vor allem in der Pflege - zu verbessern. Hier ist die Bundesregierung in der Verantwortung!"
Der Abschlussbericht des Sonderausschusses soll im Juni vom Landtag diskutiert werden.