Asylbewerber-Strom

BÄK fordert Regelversorgung für Flüchtlinge

Die Hilfsbereitschaft ist groß - aber für die Versorgung der voraussichtlich mehr als 800.000 erwarteten Flüchtlinge fehlt eine funktionstüchtige Struktur. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery fordert erneut, für Asylbewerber die GKV-Regelversorgung zu öffnen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Dr. Alexander Humberg (l.) und Dr. Florian Reifferscheid vom Uniklinikum Schleswig-Holstein versorgen in der neuen Flüchtlingsunterkunft in Rendsburg mit Hilfe von Dolmetscher Sirwan Baban einen Patienten aus dem Irak.

Dr. Alexander Humberg (l.) und Dr. Florian Reifferscheid vom Uniklinikum Schleswig-Holstein versorgen in der neuen Flüchtlingsunterkunft in Rendsburg mit Hilfe von Dolmetscher Sirwan Baban einen Patienten aus dem Irak.

© Schnack

BERLIN/RENDSBURG. Die Flüchtlingswelle nach Deutschland führt zu zunehmenden Problemen in der medizinischen Versorgung sowohl von neu ankommenden als auch der bereits untergebrachten Menschen.

In Berlin hat die Ärztekammer bereits mit harscher öffentlicher Kritik reagiert. Auch in anderen Regionen wird mehr improvisiert, als organisiert. Offenbar haben Verantwortliche in den Innenbehörden der Länder die Dynamik unterschätzt.

"Desolate" Lage in Berlin

Als "desolat" bezeichnete die Ärztekammer Berlin die medizinische Versorgung der Flüchtlinge in der Bundeshauptstadt. Vor allem fehlten Kapazitäten bei der Registrierung der Asylsuchenden. Die Probleme sind aber nicht auf Berlin begrenzt. In Hamburg und Hessen etwa riefen die Kammern jüngst Ärzte auf, den Flüchtlingen zu helfen.

In Schleswig-Holstein bat nun Innen-Staatssekretär Ralph-Müller-Beck Hausärzte um Unterstützung. Sie sollten in den Flüchtlings-Unterkünften Sprechstunden abhalten, sagte Müller-Beck der "Ärzte Zeitung" bei der Einweihung einer Unterkunft in Rendsburg.

Ein Kernproblem ist der Stau bei den medizinischen Erstuntersuchungen. Ohne diese stockt das Asylverfahren. Die medizinischen Abteilungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen arbeiten über ihren Kapazitätsgrenzen, die Zahl der noch nicht untersuchten neu angekommenen Flüchtlinge wächst.

Schleswig-Holstein versucht das Problem mit Hilfe der Uniklinik (UKSH) zu lösen. Freiwilliges medizinisches Personal des UKSH übernimmt seit wenigen Tagen mit Kollegen aus dem imland-Krankenhaus in Rendsburg und Albersdorf Erstuntersuchungen.

Behörden, medizinische Einrichtungen und Ärzte müssen sich derzeit auf täglich neue Bedingungen und steigende Patientenzahlen einstellen. Dienstleister, die kurzfristig Ärzte und medizinisches Personal zur Verfügung stellen können, haben Hochkonjunktur.

Alle müssen kooperieren

Eine von ihnen ist die Notarztbörse des Notfallmediziners Dr. André Kröncke. "Wir befinden uns mitten in einer großen Lage", sagte Kröncke der "Ärzte Zeitung". Zu bewältigen ist die Herausforderung nach seiner Ansicht nur durch Kooperation aller Beteiligten.

Einheitliche Lösungen für die Organisation der medizinischen Versorgung gibt es aber nicht, oft entscheiden die regionalen Bedingungen. In Hamburg sollen ab September in allen Aufnahmeeinrichtungen der Hansestadt medizinische Teams für die ambulante Versorgung gebildet sein - mit Hilfe der Ärzte, die sich nach einem Aufruf der Ärztekammer gemeldet haben.

Unterdessen hat der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, die Forderung des Ärztetages erneuert, Flüchtlingen die Regelversorgung zugänglich zu machen. "Für uns Ärzte ist es bedeutungslos, woher ein Mensch kommt. Wir wollen allen die gleiche Qualität zukommen lassen."

Vielfältige Hilfe, schwierige Koordination

Die Lösungen zur medizinischen Betreuung von Flüchtlingen gleichen einem Flickenteppich. Wie geholfen wird, entscheiden die regionalen Gegebenheiten und die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Einige Beispiele:

In Hamburg-Harburg stellen die Asklepios Kliniken ein ausgedientes Krankenhausgebäude, das zuletzt als Lager diente, als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung. Vorwiegend Menschen, für die die Nähe zum angrenzenden Neubau der Klinik wichtig ist, werden hier bald untergebracht.

In Schleswig-Holstein übernimmt die private Notarztbörse des Notfallmediziners Dr. André Kröncke die medizinische Betreuung für demnächst fünf Standorte.

Bislang zentrale Erstuntersuchungen werden dezentralisiert. Das Universitätskrankenhaus Schleswig-Holstein (UKSH) soll einen Stau abarbeiten, der sich in der überlasteten zentralen Einrichtung in Neumünster gebildet hat.

Private Initiativen von Ärzten und Pflegekräften: Zum Teil packen Ärzte und Pfleger einfach ihre Taschen, fahren nach Dienstschluss zur nächsten Unterkunft und fragen, wie sie helfen können.

Die Behörden müssen Hilfsangebote koordinieren, Räume und Ausstattung bereitstellen. "Es ist alles dabei - von der Zwei-Stunden-Hilfe nach Dienstschluss bis zu Tageseinsätzen", berichtet ein Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde. Dort werden Hilfseinsätze zentral koordiniert. (di)

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Kommentare
Carsten Windt 24.08.201513:43 Uhr

Wer zahlt tatsächlich?

Es hört sich gut an, wenn man sagt, dass das Land Beiträge für Asylbewerber übernimmt. Aber welcher Beitrag wird denn gezahlt? Asylbewerber haben kein Einkommen, welches für die Beitragsbemessung herangezogen wird.
Alleine die hohe Quote an viralen Erkrankungen (z.B. Hep B) in dritte Welt Ländern führt zu kosten, welche über den Beiträgen liegen dürfte.
Die Mehrkosten zahlen die GKV-Versicherten.

Man liest zu r Zeit, dass die Gesundheitskarte billiger für das Land ist, als die bisherige Praxis. Tatsächlich werden die Kosten durch die Versicherten getragen. Der tatsächlich Aufwand wird somit verschleiert.

Richtig ist, das Asylbewerber eine vernünftige ärztliche Behandlung benötigen, dann aber bitte mit offenen Karten

Dr. Horst Grünwoldt 24.08.201513:36 Uhr

Immigranten-Elend

Dr. Weiland kritisiert zu Recht den abgehobenen Ärztefunktionär (Radiologen = Durchleuchter?) für sein verantwortungsloses "Gutmenschentum".
Nachdem schon die staatlichen Ämter und Behörden mit der Identifizierung und Registrierung der großen Zahl von illegalen Einwanderern -über nationale EU-Grenzen hinweg migriert- in das ferne Sozial-Paradies Deutschland, überfordert sind, sollen die jungen Männer Afrikas und des Orients nicht nur eine humanitäre Notaufnahme und -versorgung bekommen, sondern sogleich auch noch in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden? Und das, bevor sie vielleicht in geringer Zahl als zukünftige Mitglieder unserer (Staatsbürger-)Gesellschaft selektioniert worden sind (gemäß des Aufenthalts-Gesetzes)?
Nein, solche Wohltaten ohne Bedingungen können die gewünschte Integration der Fremden nach 50-jähriger Erfahrung in D nur verhindern; und die gibt es bekanntlich in keinem klassischen Einwanderungsland der Welt umsonst und ohne Forderungen.
Wollt ihr die überwiegend illegal zugereisten Armen, Ungebildeten und kulturell Fremden als Dauergäste in unserem sog. high-tech-Land wirklich haben? Dann müßt ihr Euch aber auf eine lange Zeit für die Befriedigung der fünf menschlichen Grundbedürfnisse (Wohnen, Kleidung, Ernährung, Bildung und Gesundheits-Fürsoge) der "Flüchtlinge" (wovor?) einstellen! Und die "Verwertung" der Gesundheitskarte dürfte davon nicht das Billigste sein.
Könnt ihr Euch nicht vorstellen, daß diese scheinheilige Fürsorge nur mit erheblichen Steuererhöhungen für den leistenden Mittelstand ablaufen kann; und zwar durch den Bund und durch das Parlament.
Wollt ihr jetzt die vermeintliche Bevölkerungs-Lücke kurzfristig nach bloßer Kopfzahl und fünffacher Reproduktions-Rate (Araber) schließen, und das alles ohne ethnische Konflikte mit unseren eigenen Armen und Bildungsfernen? Habt ihr etwa das Kapitel von Herrn Sarrazin, den ich ausdrücklich nicht zum Genetiker erklären möchte, überlesen?
Nach meiner E-Helfer-Erfahrung möchte ich aber unser zivilisiertes Kulturland nicht mit einer unabsehbaren Zahl von Afrikanern und Orientalen neo-kolonisiert haben! Schließlich kommen die überwiegend aus sozio-ökonomisch kaputten Staaten -und sind entsprechend geprägt-, wo archaische Familienclans den gesetzlosen Überlebenskampf im Alltag bestimmen.
Ich denke dabei konkret auch an einige unabschiebbare (staatenlose), libanesische Palästinenser-Sippen in Berlin und anderswo; nicht zuletzt an die jugendlichen, eingeborenen Arabergangs in den Banlieus von Paris und Birmingham.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock


Dr. Patricia Klein 24.08.201513:03 Uhr

Kostenträgerschaft

Meine Herren, es geht doch nicht draum, dass die GKV die Kosten übernehmen soll, die Kostenträgerschaft bleibt unverändert beim Land bzw. bei den Kreisen.
Es geht darum, welchen Umfang die Leistungen haben und ob es den ärztliche Kollegen zuzumuten ist, Unterschiede zu machen zwischen Flüchtlingen (die nach AsylBLGes nur eingeschränkten Leistungszugang haben) und GKV-Versicherten.
Ich finde, es ist anstrengend genug, zwischen Privat- und Kassenversicherten zu unterscheiden, dass es jetzt noch eine "dritte Klasse" geben soll finde ich indiskutabel. Und wenn es sie gibt, dann erwarte ich einen klaren Katalog an ausgeschlossenen Leistungen.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 24.08.201512:45 Uhr

mittellose Immigranten sind keine "Flüchtlinge".

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Dr. Ernst Weiland 24.08.201510:22 Uhr

Für Herrn Montgomery mag es richtigerweise bedeutungslos sein,

woher ein hilfsbedürftiger Mensch kommt. Es ist aber nicht bedeutungslos, wer dessen Behandlung bezahlen soll! Montgomery vergisst bei seiner Forderung, dass es nicht allein die Aufgabe der Pflichtversicherten sein kann, diese wahrscheinlich erheblichen Mehrkosten in der KV zu tragen (ich sehe es täglich in den Klinikambulanzen, in denen oft mehr als 50% Patienten mit Migrationshintergrund sitzen). Die Politik hat mit dem üblen Trick dafür bereits Tür und Tor geöffnet, indem sie den Pflichtbeitrag gesenkt und den KVen freigestellt hat, eventuelle Mehrkosten über Beitragserhöhungen an die Versicherten weiterzugeben.
Wenn schon, dann ist es Aufgabe ALLER Steuerzahler, diese Kosten zu tragen, auch unserer, die wir als Selbständige privat und nicht pflichtversichert sind! Soviel Solidarität zu den Pflichtversicherten, die für die meisten Ärzte das Brot- und Buttergeschäft darstellen, muss schon sein!

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