Großbritannien
Betten-Notstand im Vereinigten Königreich
Die Coronavirus-Pandemie setzt Großbritannien und dem NHS zu. Erste Kliniken im Großraum Manchester können keine neuen Patienten aufnehmen.
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In Manchester wird die Bevölkerung mittels Plakaten dazu aufgerufen, mitzuhelfen, die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu stoppen.
© Martin Rickett / picture alliance
London. Im Norden Englands und besonders im Großraum Manchester werden COVID-19 bedingt die Kapazitäten in den staatlichen Kliniken und deren Intensivstationen knapp. Das Londoner Gesundheitsministerium versuchte am Dienstag, die Situation zu beschönigen, was bei Ärzten in Manchester, Bolton und Salford Empörung auslöste.
Wie dramatisch die Situation ist, zeigt ein als „vertraulich“ deklariertes Dokument der örtlichen Gesundheitsverwaltung der Region Manchester. Wie britische Medien am Dienstag berichteten, können inzwischen die ersten Kliniken im Großraum Manchester keine neuen COVID-19-Patienten mehr aufnehmen.
Zwölf Krankenhäuser seien bereits voll, zitierte die Tageszeitung „Guardian“ aus einem internen Dokument des staatlichen Gesundheitsdienstes National Health Service (NHS).
Nordwesten Englands stark betroffen
Manchesters Bürgermeister Andy Burnham forderte erneut von Premier Boris Johnson mehr finanzielle Unterstützung für die Menschen und Firmen in der Region. Burnham liefert sich seit Tagen mit der Zentral-Regierung in London und Gesundheitsminister Matt Hancock einen verbalen Schlagabtausch.
London dringt auf deutlich striktere COVID-19-Maßnahmen in Manchester und Umgebung wie die Schließung gastronomischer Betriebe und Versammlungs- und Kontaktverbote. Das würde rund drei Millionen Menschen betreffen.
Der Bürgermeister weigert sich und will zunächst Geld aus London, um örtliche Unternehmen während eines neuen Lockdowns unterstützen zu können. Gleichzeitig explodieren die Infektionszahlen. Sie liegen laut Gesundheitsverwaltung in Manchester derzeit bei rund 400 Infektionen pro 100.000 Patienten.
Der Nordwesten Englands gehört damit zu den besonders stark von der Corona-Krise betroffenen Regionen im Vereinigten Königreich. Auch in Liverpool stießen einige Kliniken bereits an ihre Kapazitätsgrenzen: Dort ist der Tageszeitung „Guardian“ zufolge viel Klinikpersonal erkrankt und in Quarantäne.
„Infektionszahlen erschreckend“
Britische Krankenhäuser gelten als chronisch unterfinanziert. Schon bei größeren Grippewellen stehen sie oft vor dem Kollaps. Wie aus einem der Presse zugespielten internen Dokument über die Pandemie hervorgeht, können diverse große Staatskliniken in der nordenglischen Region keine neuen COVID-19-Patienten mehr auf den Intensivstationen aufnehmen.
Besonders stark sei die Infektionszahl bei den über 60-Jährigen Patienten gestiegen: von 171 Infektionen pro 100000 Einwohner in der vergangenen Woche auf jetzt 280 Infektionen pro 100000 Einwohner. Tendenz: weiter steigend.
NHS-Kliniken in den Städten Salford, Stockport und Bolton seien bereits jetzt voll und könnten keine neuen COVID-19-Patienten mehr auf ihren Intensivstationen aufnehmen. Gesundheitsminister Matt Hancock warnte am Dienstag, bereits Mitte November könnten andere nordenglische Kliniken an ihre Kapazitätsgrenzen kommen.
16.000 Neuinfektionen binnen eines Tages
In Großbritannien haben sich nach Angaben des Londoner Gesundheitsministeriums in den vergangenen Tagen jeweils binnen 24 Stunden mehr als 16000 Menschen mit dem Virus angesteckt. Bislang sind den Statistiken zufolge mehr als 43000 Menschen gestorben. Doch wird mit einer hohen Dunkelziffer unter den knapp 67 Millionen Einwohnern gerechnet, da es an Tests mangelt.
Während sich die Politiker über geeignete Anti-COVID-19-Maßnahmen streiten, appellieren Ärzte und Virologen an alle Verantwortlichen, „schnellstens“ zu handeln. „Die Infektionszahlen sind erschreckend“, so Professor Jane Eddlestone. Professor Eddlestone obliegt die Koordinierung der Anti-COVID-Maßnahmen im Großraum Manchester.