Trotz neuer Regierung

BfArM soll weiter keine tödlichen Betäubungsmittel abgeben

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach setzt die Linie seines Vorgängers fort: Schwer Erkrankte bekommen keine Genehmigung vom BfArM dafür, Medikamente zur Selbststötung kaufen zu dürfen – vorerst.

Veröffentlicht:
Schwer Erkrankte bekommen auch nach dem Wechsel im Gesundheitsministerium keine Genehmigung, Medikamente zur Selbststötung kaufen zu dürfen.

Schwer Erkrankte bekommen auch nach dem Wechsel im Gesundheitsministerium keine Genehmigung, Medikamente zur Selbststötung kaufen zu dürfen.

© Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

Berlin. Neue Bundesregierung, neuer Bundesgesundheitsminister: Da stellt sich natürlich die Frage, ob sich auch an den Weisungen gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) etwas geändert hat? Darf die Behörde Anträge schwer Kranker auf den Erwerb von tödlichen Betäubungsmitteln inzwischen bescheiden?

Auf eine Anfrage äußert sich das Bundesgesundheitsministerium wie folgt: "Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP sieht vor, dass durch fraktionsübergreifende Anträge, also aus der Mitte des Parlaments heraus, das Thema Suizidhilfe einer Entscheidung zugeführt wird. In diesem Zusammenhang wird voraussichtlich auch die Frage beraten werden, ob es Aufgabe des BfArMs sein soll, betäubungsmittelrechtliche Erwerbserlaubnisse zum Zweck der Selbsttötung auszustellen. Die politische Debatte ist abzuwarten."

„Politische Debatte abwarten“

Das sieht auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Kathrin Helling-Plahr so. Sie gehörte in der Vergangenheit – übrigens neben Karl Lauterbach – zu denjenigen, die den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dafür kritisiert hatten, das BfArM quasi mit einem Bescheidungsverbot zu belegen und die Regelung der Sterbehilfe lieber auszusitzen als einen raschen Neuanfang zu starten. Helling-Plahr glaubt inzwischen sogar, dass heute das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017 „offenkundig so keinen Bestand“ mehr habe.

Die juristische und tatsächliche Situation für die Betroffenen habe sich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das 2020 die Strafnorm der geschäftsmäßigen Sterbehilfe (2017) aufhob, „deutlich verbessert“. Der Gesetzgeber müsse aber schnellstmöglich tätig werden, um ein Sterbehilfegesetz auf den Weg zu bringen. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist vereinbart, eine Neuregelung des assistierten Suizids baldmöglichst anzustreben.

Abgeordnete: Situation hat sich verbessert

Das Bundesverwaltungsgericht entschied im März 2017, dass Schwerkranke in einer unerträglichen Leidenssituation vom BfArM ausnahmsweise eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital erhalten können, um sich das Leben zu nehmen. Wegen einer Anweisung aus dem Bundesgesundheitsministerium entscheidet das BfArM aber nicht über entsprechende Anträge. Im Herbst 2021 belief sich die Zahl der nicht entschiedenen Anträge auf über 200.

Das Bundesverfassungsgericht hat nach 2020 in weiteren Urteilen darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber Zeit eingeräumt werden müsse, den assistierten Suizid inklusive eines möglichen Schuztkonzeptes zu regeln. Auch seien, so die Richter, die Suzidwillen durch die Aufhebung des Paragrafen 217 Strafgesetzbuch nicht mehr darauf angewiesen, vom BfArM tödliche Medikamente zu erhalten. (juk)

Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Thomas Sitte 31.01.202218:46 Uhr

Leider ist der Untertitel komplett irreführend. Natürlich dürfen schwer Erkrankte jederzeit Mittel oder Medikamente zur Selbststötung kaufen! Nur eben kein Natriumpentobarbital. Ein Tötungsmittel das auch nicht zu 100 % wirkt und zu dem man wissen sollte, dass in den Niederlanden nach den dortigen Leitlinien ausdrücklich von der Selbsttötung mit NaP abgeraten wird ...

Alexander Joppich antwortete am 01.02.202211:00 Uhr

Hallo Herr Sitte,

es geht ja um die Genehmigung des BfArM. Um das noch klarer zu machen, habe ich "vom BfArM" in den Vorspann hinzugefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Sonderberichte zum Thema
AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

© Springer Medizin Verlag GmbH

AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
In Deutschland gibt es immer weniger klinische Forschung. Was Deutschland hingegen zu leisten imstande ist, zeigte sich zuletzt bei der COVID-19-Pandemie: mRNA-basierte Impfstoffe wurden schnell entwickelt und produziert.

© metamorworks / stock.adobe.com

Handlungsempfehlungen

Deutschland-Tempo statt Bürokratie-Trägheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Alexandra Bishop ist Geschäftsführerin von AstraZeneca Deutschland.

© AstraZeneca

Pharmastandort Deutschland

Deutlich mehr wäre möglich

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuerungen im Überblick

Das alles ändert sich für Arztpraxen in 2025

Andere Indikationen und neue Substanzen

Wohin geht die Reise bei Inkretin-(Co-)Agonisten?

Digitale Gesundheitsanwendungen

DiGA und Apps in Adipositas-Leitlinien aufgenommen

Lesetipps
Smiley und Jahreszahl 2024

© Aliaksandr / stock.adobe.com

Der positive Jahresrückblick

Diese guten Nachrichten gab es 2024 im Gesundheitswesen

Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

72 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025